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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 13
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Thomas, Bertha: Der neue Präsident der Royal Academy
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0227

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Nr. f3

Die A u n st - p a l l e -

i95

Der neue Präsident
der Il^o^al Academy.
Von B. Thomas, Loudon.
kürzlich zum Präsidenten der Londoner Aka-
demie gewählte Mr. Edward Poy«:ter,
der als ein vorzüglicher Dialer von der sogenannten
akademischen Schule seinen Platz unter den ange-
sehensten Künstlern Endlands nunmehr seit dreißig
fahren würdig behauptet hat, ist durchaus der Mann,
allen mit seiner neuen Stellung verbundenen künst-
lerischen, adnnnistrativen und gesellschaftlichen Pflichten
gerecht zu werden. Mit seinen Kunstgenossen Leighton
und Millais eng befreundet, gleich ihnen von hohem
Streben erfüllt, mit gesunden: Krtheil und trefflichem
Können ausgerüstet, wird er sicherlich, zum Ansehen
des von ihn: vertretenen Instituts sowohl, wie zu
den: der Kunst, seines Amtes walten. Obgleich der
Malweise gewisser Realistei: entschieden abhold, an
denen er die strenge Kritik übt, sie „hegten Verlangen
nach einer Art Kunst für solche Geister, die unfähig
seien, die Merkmale einer höheren Kunst zu schätzen," —
ist er doch viel zu scharfsichtig und verständig, um
nicht das echte Verdienst auch da zu erkennen, wo
er dessen Richtung mißbilligt. Sich den: Geschmack
der Menge zu beugen, wäre er übrigens der Letzte.
Des chaschens nach Popularität würden Perri: Poyn-
ter's ärgste Leinde ihn nicht zeihen können.
Als Sohn eines Architekten in: Jahre f836 ge-
boren, begann er sehr früh nut den: Malen von
Landschaften. Dann machte er langjährige Studien:,
sowohl an den: Londoner Kunstschulen, wie in Paris,
wo er ein Schüler Gleyre's war. Seinen ersten: be-
deutenden Erfolg hat er f867 in London mit seinen:
in der Royal Academy ausgestellten „Israel in
Aegypten" erzielt, welches Gemälde Stil und Können
des Künstlers sofort glänzend offenbarte. Mai: sieht
eine Schar hebräischer Sklave«: die Kolossalstatue eines
Löwe«: nach einen: ägyptischen Tempel transportiren.
Der nut unendlichen: Fleiß und Geschick behandelte
Aufwand an klassischen: Architektur- und sonstigem
antiken Detail, ein charakteristisches Element der
Malerei Poynter's, ist hier nut einen: das Gemüth
ergreifenden Motiv verbunden: dein Jammer eines
in glühendem Sonnenbrand schwer arbeitenden, unter-
drückten Volkes im Gegensatz zu den: üppigen Wohl-
leben und der barbarische,: Prachtentfaltnng seiner
Bedrücker. Mr. Poynter, der f86s) zum Associate,
f873 zum Mitglied der Royal Academy erwählt
wurde, ist regelmäßiger Aussteller gebliebeu. Seine
Sujets gehöre«: fast sämmtlich einer fernen Ver-
gangenheit an, meist sind sie den: klassische«: Alter-
thun: entnommen; so „Perseus und Andromeda", „das
goldene Zeitalter", „Atalanta's Wettlauf", „Dia-
dumene". Letztere, eine lebensgroße nackte Gestalt,
vor den: Bade ihr paar nut einem Goldreif auf-

bindend, erregte, als das Bild l.885 ausgestellt war,
einen lebhaften öffentliche«: Meinungsstreit über die
Zulässigkeit des Nackte«: in der Kunst. Die Ent-
rüstung — an und für sich alber«: genug — war
um so lächerlicher, als sie sich gegen das Werk eines
Künstlers richtete, dessen Mängel, wein: überhaupt
von solche«: die Rede sei«: darf, eher in einem pin-
neigen zur Strenge und Kälte zu suche«: wären, und
den: a«: Symmetrie des Entwurfs und Tadellosigkeit
der Ausführung mehr liegt, als an lebenswarmer,
reizvoller Farbengebung. „Ein Besuch bei Aeskulap"
— jetzt in: South Kensington Museum — ist mit der
um einen malerisch, in einen: schöne«: pain stehenden,
kleine«: Tempel gruppirten klassische«: Figurei: als re-
präsentativ für die Gesammtheit seiner Bilder aus
den: griechisch-römischen Lebe«: zu bezeichnen.
Ei«: sehr bedeutendes Werk, „König Salomo
empfängt die Königin von Saba", hatte Mr. Poynter
f89O ausgestellt; eine treffliche Komposition, in
welcher der geschilderte Vorgang nut Kraft und
Lebendigkeit zur Anschauung gebracht ist. Der könig-
liche Prunksaal mit de«: Pfeiler«: vo«: rothem Tedern-
holz und Gold, die Alabasterstufen, welche zu den:
nut einem Baldachin geschmückten Königsthron aus
Gold und Elfenbein führe«:, das juwelenstrotzende
Gewand der nut einer Lotosblume in der pand
nahenden Königin, welche vo«: einem schwarze«:
Kämmerer und zwei Fächerträgerinnen begleitet ist,
die vo«: ihr dargebrachten kostbare«: Geschenke an
Kleinodien, Spezereiei:, seltenen Affen rc. — dies
sämmtliche nut der bei Poynter bekannten verschwen-
derischen Fülle angebrachte dekorative Beiwerk dient
hier zur Verstärkung der leitenden Idee des Ganzen:
des überwältigenden Eindrucks der perrlichkeit
Salomo's aus die vor seinen: Glanz sich beugende
halbbarbarische Königin.
Als Leiter der Slade-Schule vo«: deren Grün-
dung f87f bis f877 bewirkte Mr. Poynter wichtige
Reformen in: hiesigen Kunstunterricht, der früher de«:
Schüler«: ei«: viel zu langes Verweile«: beim Zeich-
nen nach der Antike vorschrieb, ehe ihnen das Stu-
dium nach dem lebenden Modell gestattet wurde.
Seine »Kectures ou Krt« und ei«: Werk über klassische
nnd italienische Malerei werde«: immer nützliche
pandbücher bleibe«:, wäre«: dies aber noch viel mehr
zur Zeit ihrer Veröffentlichung. Dein: mnerhalb der
letzte«: Jahre sind hier zu Laude bedeutende Fort-
schritte und eine erfreuliche Zunahme in der Ver-
breitung kmfftwifsenschaftlicher Kenntnisse zu ver-
zeichnen. Vielleicht gelingt es perrn Poynter noch,
die sehr geringe Meinung, welche man über seine
Landsleute in künstlerischer Pinsicht so häufig aus-
spreche«: hört, einigermaßen zu modifiziren. Bei einer
stark ausgeprägte«: Anlage zur Kritik ist er «ächt zu-
rückhaltend, wo es etwas zu tadel«: giebt; der richtige
Professor, um nachlässige und oberflächliche Schüler
aufzurütteln. Er kann über de«: Beruf des Künstlers
 
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