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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 4
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Fuchs, Georg: Heinz Heim
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Meissner, Franz Hermann: Radirung und Heliographie
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52

Die Kunst-Halle.

Nr. 4

Meister auf der Höhe seines schaffens, zeigen uns,
welch' eine Fülle edelster Kunst wir von ihm zu er-
warten hatten. „Im Grünen", ein Idyll, in das er
gleichsam zum Abschiede alle zarte Anmuth seiner
Seele überströmen ließ, ein kleines Mädchen in bäuer-
licher Tracht mit rosigen, nackten Füßchen aus sonni-
gem Wiesenplane mit blassen Nelken im Schoße;
„Sonntag in: Odenwalds", ein Liebespaar auf einer
Bank an der Gartenmauer sitzend. Er, ein bild-
schöner, echter Bauernbursche, spielt die Ziehharmo-
nika, sie athmet den Dust einer Nelke: ein monumen-
tales Symbol der Feiertagsruhe, der Ruhe nach der
Arbeit, der stillen Klänge müder Festesfreude und er-
wachender Liebe zugleich. Ts giebt uns den ganzen
Meister: mitten aus dem Leben selbst auollen seine
Werke, aus den Thälern des Gdenwaldes, wie jene
herben und doch so ergreifenden Volkslieder, die des
Abends über das Dors hinklingen, wenn die Burschen
und Mädchen aus und niederwandeln und das Glöck-
lein läutet und der bläuliche Rauch von den Essen
aussteigt zu den ersten, keusch blinkenden Gestirnen.


Radirung und Heliographie.
Non Franz Her m a n n Meißner, Berlin.
2^n den 70er und 80er Jahren war eine ständige
Klage der Künstler wie der Kritik, daß es mit
der reproduktiven Kunst, vornehmlich Stich und
Radirung, rapide bergab ginge, da die Photographie
und die aus ihr beruhenden verfeinernden Kunstver-
sahren durch ansprechende und dabei sehr wohlfeile
Leistungen Stich und Radirung völlig vom Markt
verdrängten. Wenngleich zu jener Zeit ein ge-
stochenes oder radirtes Blatt noch an die Wand eines
guten Bürgerhauses gehörte, wie das Sopha in die
„gute Stube", entsprach Klage und Besorgniß damals
durchaus dem Sachverhalt. Die Kunst fing an, ins
breitere Volk hineinzuwachsen, — es regte sich das
Bedürsniß nach billigeren Wiedergaben populärer
Werke, zugleich aber auch der Anspruch nach einer
bis aus die fehlende Farbe absolut treuen Wieder-
schöpfung, da steigendes Kunstinteresse die Augen
sebärste, verfeinerte, realistischer Sinn Überhauptwuchs.
Die Künstler selbst, welche als populäre Geschichts-
oder Sittendarsteller vornehmlich für dies Bedürsniß
in Frage kamen, waren zudem die ersten, welche das
sinkende Schiff der vermittelnden Stecherkunst ver-
ließen und die photographische Vervielfältigung ihrer
Werke vorzogen.
Edle Kunstzweige vor dem Verfall und ihre
Jünger vor dem materiellen Niedergang zu retten,
wurden damals allerorts von interessirten Künstlern

und Kunstfreunden Radirvereine gegründet, die durch
geschmackvoll zusammengestellte Mappen mit Blättern
ihrer Mitglieder für Verkauf und Lotterie den Sinn
des Publikums für diese Künste zu wecken und zu
vertiefen suchten.
Alle Besorgnisse von damals sind eingetroffen:
nach 20—25 Jahren hat die Photographie und ihr
vollkommenstes Ableitungsverfahren, die Heliographie,
sich die zivilisirte Welt vollständig erobert, sie hat im
Haushalt das gestochene oder radirte Blatt nahezu
verdrängt und gilt für unsere anspruchsvollen Augen
für die einzige ernsthafte Technik, in der man ein
Original wieder- und nachempfinden kann, —-
und dennoch: Nie war das Interesse für Stich
und Radirung so groß und verbreitet, — seit
fast 5 Jahrhunderten haben in Deutschland
beide Techniken nicht mehr so in Blüthe ge-
standen, — und die materielle Lage tüchtiger
Stecher war nie so erfreulich — als heute,
wo alle Reproduktion unter dem Zeichen der
Heliographie steht! Der Grund dieser über-
raschenden Erscheinung, die ein anscheinender Wider-
spruch ist, liegt in reinlicher Scheidung der von der
freien wie der mechanischen Technik gepflegten Ge-
biete. Sie machen sich keine ernsthafte Konkurrenz
mehr, nachdem beide sich in vertiefter Erkenntniß aus
ihr eigenstes Feld beschränkt, und sie entwickeln sich
nebeneinander darum in frischer Kraft. Stich und
Radirung haben sich freier, originaler Schöpfung zu
gewandt, sei es in Phantasie-Tyklen und Motiven,
sei es in solchen malerischer, dekorativer oder veduti-
scher Art. Die photographische Technik dagegen
hat für sich die Wiedergabe fremder Originale in
Beschlag genommen.
Vor 20—25 Jahren befand sich die freie Kunst
von Schwarz und weiß am Ende eines jahrhundert-
alten Verfalls. Sie hatte an der Kunstentwicklung
nicht mehr den geringsten Antheil; sie hatte vergessen,
daß ihre Blüthezeit mit Ideendarstellung und male-
rischer Weltwiedergabe zusammenhing, und sie be-
schränkte sich, in: Sichbegnügen an Nachahmung vir-
tuoser Technik der altenglischen und der Rubensschule,
lediglich aus Wiedergabe von fremden Originalen.
Dieser Irrthuin, der entschuldbar ist, weil es vordem
keine andere Art der Vervielfältigung gab, mußte in
dein Augenblick verhängnißvoll für die Schwarz-
Weißkunst werden, als es eine neue, bessere, wohl-
feilere Art gab. Und gerade diese neue Art der
Photographie ist der freien Schwarz-Weißkunst zum
Segen geworden, well sie dieselbe zu einer Umkehr
vom Abwege zwang. Die Nadirvereine haben un-
mittelbar kaum so sehr für die Popularisirung der
Schwarz - Weißkunst gewirkt als mittelbar durch die
Betonung der bis dahin verkümmert gewesenen Ori-
ginalradirung, und einen starken Antheil an dieser
heilenden Erkenntniß hat auch wohl Mar Klingers
ästhetische Schrift: „Malerei und Zeichnung", in der
 
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