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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 11
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Rücklin, R.: Die Palette des Goldschmiedes
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0195

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Nr. A

Die Aunst-^alle. -

s67

koloristische Versuche auf Silbergrund anstellen, d. h.
weuu wir Silberarbeiten tbeilweise mit verschieden-
farbiger Vergoldung versehen. Damit habe ich ein
bsauptdekorationsmittel der modernen Silberschmuck-
fabrikation gekennzeichnet. Wird Silber zu rein künst,
lerischen Arbeiten benutzt, also zu getriebenen Reliefs
oder Zierstatuetten, so leidet es leicht an einem Zu-
viel des Glanzes. Dem abzuhelfen, wird es „orvdirt"
wie der Lachausdruck irrtümlicherweise lautet; denn
das Verfahren hat mit Gxydiren nichts zu thun, es
wird vielmehr nur eine Lösung von Schwefelsilber
angewendet, um einen tieferen, weicheren Ton zu er-
zielen. Durch theilweises Abwischen der Lösung kann
eine sehr lebendige und reizvolle Wirkung bei plasti-
schen Arbeiten erzielt werden. —
Das sind die von dein modernen Goldschmiede
vorzugsweise angewendeten Abittel, um Gold und
Silber farbig zu tönen. Lin weniger bekanntes und
selten angewendetes Verfahren giebt es noch, ver-
mittelst dessen goldene oder vergoldete Gegenstände
mit einem zarten aber ziemlich dauerhaften Anfluge
von mitunter prachtvollen Regenbogenfarben versehen
werden, — das Irisiren. Diese Abetallfärbung er-
scheint nut grüner oder purpurrother bsauptfarbe,
welche ins chellrothe, Violette, Blaue oder Gelbe
schillert. Indische Arbeiten mit irisirender Oberfläche
sollen mit Pflanzensäften behandelt sein, während
mher modernes Verfahren sich als ein galvanischer
Niederschlag einer Blei- oder Lisenlösung darstellt.
Die künstlerische Wirkung ist sehr ungewöhnlich und
läßt von den: Farbcharakter des Goldes kaum mehr
etwas übrig.


Berliner Ikunstscbau.
Im Salon Gurlitt finden wir ein riesiges Drei-
tafelbild „Der Mensch" von Lesser Ury. Trotzdem
ähnliche Schwächen im handwerklichen stören wie bei
desselben Künstlers vorjährigem „Jerusalem," kann man
sich doch dem Eindruck des groß empfundenen Merkes nicht
entziehen. Die erste Tafel zeigt den träumenden Jüng-
ling. Er liegt im Walde, freudiger Sonnenschein durch-
zittert das grüne Laubdach und malt strahlende Flecken
auf den Boden. Zein Blick ist in hoffendem Zinnen nach
oben gerichtet, in's Helle und Frohe, und er lauscht der
Stimme des bunten Maldvögleins, aus dessen 5ang ihm
herrliche Verheißungen zu tönen scheinen. Die Poesie der
Iugendträume und die Poesie des Maldwcbens klingen
herrlich znsämmen. Das zweite Bild giebt den trotzigen
Mann. Line athletische Gestalt schreit in Muth und Schmerz
gegen den Himmel auf, der ruhig lächelnd über dem
blauen Meere liegt. Rein freundliches Grün belebt den
harten Felsen, auf dem er steht. Das dritte Bild schildert
den müden Greis, der nicht mehr hofft und nicht mehr
fürchtet, nicht mehr liebt und nicht mehr haßt. Er sieht
das Wirkliche, von dem er zu scheiden bereit ist, nur noch

als schattenhafte Erinnerung. Ury hat nicht den Weg
gewählt, den schwache Naturen gehen, wenn ihnen
Schwierigkeiten entstehen; er ist nicht ausgewichen. Er
hätte seine Gestalten in Stellungen bringen können, die
leichter zu zeichnen sind, er hat es nicht gethan: so, wie
seine Phantasie die Gestalten sah, wollte er sie geben.
Die kühne Verkürzung im Bilde des Jünglings, der von
leidenschaftlichster Erregung erschütterte übermenschliche
Körper des Mannes: es ist schon wunderbar, daß Ury,
dein jede Schulung im Figurenmalen fehlt, das so weit
bewältigt hat. Lei allen Mängeln ist ein großer Fort-
schritt gegen „Jerusalem" nicht zu verkennen. Unter den
italienischen Landschaften ist ein wundervoller „Sonnen-
aufgang bei Bellagio."—
Louis Eorinth bezeichuet seine Kollektion als
Atelierausstellung, weil er neben Bildern und Skizzen
anch Studien und Karrikaturen gesandt hat. Eorinth ist
eine eigenartige Persönlichkeit, in seiner Phantasie mischen
sich die verschiedensten Elemente: archaisirende und modern-
realistische. Manchmal giebt ein solches Merk einen vollen,
reinen Ton, wie seine pietä, die in der großen Ausstellung
zu sehen war. Aber das kommt nicht sehr oft vor. Da-
gegen giebt es kaum ein Merk, in dem sich nicht einzelne
Schönheiten finden, die auf eine echte Künstlernatur deuten.
Er würde Lindruckvolleres schaffen, wenn er kritischer gegen
sich selbst wäre. Nicht nur in verschiedenen Arbeiten, nein,
in demselben Werk steht neben originell Reizvollem schlecht-
weg Triviales, neben hold Zartem geradezu pahnebüchenes.
Er interessirt fast immer, aber er stößt so oft ab wie er
fesselt, und vor allem macht er nervös, man kommt nie
zur Ruhe. Es fehlt ihm ein festes künstlerisches Ziel:
Einflüsse, die man nicht bestimmt bezeichnen kann, haben
ihn von seinem Wege fortgelockt. Wir sehen eine „Geburt
der Venus". Vieles ist entzückend, besonders die Botti-
eelleske Gruppe der schwebenden Frauen. Die Göttin
selbst ist ein einfacher Akt eines ziemlich dürftigen Mäd-
chens. Das Licht der untergehenden Sonne erinnert un-
angenehm an den Ton bengalischen Feuers. Das nackte
Mädchen auf dem Bilde „pexen" ist ein gutes Stück
Fleischmalerei. Im „Frühling" sind einzelne Figuren schön,
in dem Ganzen fehlt die Stimmung. Noch schärfer tritt
die Ungleichheit in den Schwarzweißarbeiten hervor. Im
Porträt, wo er einfach der Natur nachgeht, leistet er
Pervorragendes. Ich bin sicher, er würde mehr sein, wenn
er weniger sein wollte, nicht gewaltsam suchte, etwas aus
sich herauszuholen, was nicht in ihm ist. —
Aehnlich steht es mit der sehr begabten Malerin
L i n d a K ö g e l, der Tochter des bekannten Geistlichen.
Das gemalte und das radirte Bildniß ihres Vaters sind
vortrefflich. In den übrigen Bildern und Studien giebt
sie nicht Natur, wie sie sie empfindet, sondern folgt der
Manier der Boznanska, die an sich schon nicht für jeder-
mann angenehm ist, sicher aber nicht nachgemacht werden
kann. Ein sehr schönes Blatt ist die radirte „Verkün-
digung"; namentlich die holde Demuth des Engels ist
höchst glücklich. Auf diesem Felde werden der jungen
Künstlerin Lorbeern blühen.
Im Salon Schulte sind die XI. erschienen. Die
Werke der ungleichen Genossen haben das Lxcentrische
verloren. Aber die für jede Saison eine neue Kunst
wünschen oder eigentlich fordern, sind doch zum Glück
 
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