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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 18
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Stahl, Fritz: Internationale Kunstausstellung in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0317

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Nr. s8

D i e A u n st - L) a l l e

275

Dykepyukioyule
l^tiyskuusskelluyA iyVresclei).
Von Fritz Stahl.

II.
Der erste Gang durch die Ausstellung erweckt die an-
genehmsten Hoffnungen. Neben dem guten Licht hebt ein
geschmackvolles Arrangement die Wirkung der Bilder. Die
Wände, hier und da sogar die Säle, als Ganzes be-
trachtet, bieten einen harmonischen Anblick. Dazu erkennt
man hier und da die Handschrist eines berühmten Künst-
lers oder liest zufällig einen Namen, den man mit Be-
geisterung hat nennen hören. Und man ahnt herrliche
Freuden, wenn man sich in die nahe Betrachtung dieser
Schätze wird verliefen können. Da aber kommt die Ent-
täuschung. Ich habe sie bei allen gesehen, die länger als
einen oder zwei Tage dort waren. Ls muß sich eben
Jedem Herausstellen, daß die Dresdener Ausstellung bei
weitem nicht so gut ist wie sie aussieht.
Line sehr nette Bestätigung gab eine Kritik, die ich
in einem großen Dresdener Blatt über den Münchener
Saal las. Sie begann mit der Bemerkung, die Münchener
Delegirten hätten gesagt, daß ihre Stadt nicht so gut ver-
treten sei wie sie wohl könnte. Der Kritiker meinte, gegen
dies Urtheil streiten zu müssen, um dann — fast jedes
einzelne Bild zu tadeln. Wirklich ist in dem Münchener
Saal die Enttäuschung am größten. Stucks „Böses Ge-
wissen", ein Verbrecher, der von den Furien gehetzt wird,
ist ganz im hohlen Theaterxathos stecken geblieben und
leidet an einer flachen, papiernen Farbe. Unbegreiflich,
daß die Iur-f ihm auf dieses Bild die Medaille gegeben
hat. Uhde hat vier Bilder ausgestellt, die nicht nur
nicht an seine früheren Arbeiten heranreichen, sondern ge-
radezu schwach sind. Wenn der Künstler, dessen Programm
trotz seiner Stoffe, die treue Beobachtung der Natur war,
diese aufgiebt, ohne sie durch eine Steigerung der Formen
oder Farben über die Wirklichkeit hinaus zu ersetzen,
was bleibt dann? Ls ist ja möglich, daß Uhde zu einer
solchen neuen Ausdrucksweise kommen will, und daß diese
Werke Zeugnisse einer Uebergangsepoche sind. Aber ein
Künstler von seinem Namen müßte so etwas mit sich
allein abmachen, von Albert Keller ist ein großes
Bild „Das Glück" da. Niemand wird aus dem Bilde
die Meinung erkennen: ein junges Weib in prunkvollem
Putz hat an das Fenster einer Hütte geklopft und spricht
zu dem erstaunt und hoffnungsvoll lauschenden Haare, das
hier in Armut haust. Die Breite des Künstlers ist zu
einer manchmal geradezu rohen Manier ausgeartet. Und
man muß den kleinen „Weiblichen Kopf" anfehn, um
den eigenartigen und früher so geschmackvollen Koloristen
bewundern zu dürfen. Die „Grablegung" von Volz fällt
gegen seine letzten Werke ebenfalls stark ab. Für den
hoch gepriesenen Slevogt fehlt mir jedes verständniß:
ich sehe eine robuste Kraft, die aber nicht von künst-
lerischem Takt gezügelt ist. Natürlich fehlt es nicht an
guten Arbeiten, mit Vergnügen sieht man ein paar alte
Bekannte wieder. Bedeutende Arbeiten von Jüngeren
treten nur zwei hervor: der „Garten Lden" von
Riemerschmid und „Junge Liebe" von Fritz Stro-
bentz. Riemerschmid gehört zu den modernen Phan-

tasten: er ist durch L. v. Hofmann beeinflußt, und selbst-
verständlich auch durch die älteren, aber er hat doch eine
eigene Nuance und vor allem ein sicheres Können. Es
ist etwas Jugendliches, Keusches in seiner Kunst, das hier
besonders in den flach modellirten Gestalten des ersten
Menschenpaares hervortritt, die den Rahmen zieren. In
den gewagten Farben der Landschaft sehe ich ein wenig Ge-
waltsamkeit, die ihm nicht ganz liegt. Aber das Bild ist doch
ein Zeugniß starker koloristischer Begabung, die glühenden
Farben bilden eine schöne Harmonie. Ganz für sich steht
Strobentz, er ist eine wirkliche Ligenart. Er schildert
das gedämpfte Licht in einer dichten Laube. Aber er giebt
es nicht naturalistisch. Er hat einen grünlich goldenen
Grundton gefunden, der den Eindruck dieses Lichtes un-
gefähr giebt, zugleich aber von großer Schönheit ist. In'
diesem Grundton sind dann alle Farben fein gestimmt.
Das kleine Münchener Kabinet enthält die Perlen
der deutschen Abtheilung, vier herrliche Lenbachs.
Namentlich die Bildnisse der Herzogin Klementine von
Koburg und der Frau von Fabrice gehören zu dein Aller-
ersten, was der Meister geschaffen hat. Solche Bilder hat
uns doch noch kein Ausländer geschickt. Zwei schöne
Studien aus der Jugend vertreten Defregger, drei
Bilder den trefflichen Lei bl, ein paar farbenglühende
Grientbilder Faber du Faur. Dies ist einer der wenigen
Säle die bei näherem Zusehen nur gewinnen.
Die Hoffnungen, die ich im vorigen Jahre nach der
ersten Bekanntschaft mit der Dresdener Sezession aus-
sprach, scheinen sich nicht schnell zu erfüllen. Ich glaubte,
die Nachahmung fremder Muster solle der Ausgangspunkt
für ein gesundes eigenes Arbeiten sein, die Meisten aber
scheinen darin zu erstarren. Kuehl hat neben einem
recht schwachen Bilde, das ihm die Medaille eingebracht
hat und sogar für die Gallerie erworben ist, feine kleinere
Arbeiten, auch Stremei ist gut vertreten, aber diese
beiden sind doch nur nach Dresden verpflanzt. Sonst ist
eigentlich nur Bantzer mit einen: vornehmen Damen-
porträt in Grün, U n g er mit einer groß empfundenen Halb-
figur „Muse" zu erwähnen. Von den Landschaftern fällt
wieder Sterl durch schönen Ton auf. Die Baum,
Ritter, Müller machen immer wieder dasselbe. Einige
unter den Jungen versuchen die Illustrationswitze der
„Jugend" auf das Bild anzuwenden: Das sollten sie
doch ja hübsch bleiben lassen.
Die Karlsruher sind beider Besprechung der
vorjährigen Berliner Ausstellung so ausführlich gewürdigt
worden, daß ich selbst dann schnell über sie hinweggehen
dürfte, wenn es nicht zum Theil dieselben Bilder wären,
die wir hier sehen. Auch über Düsseldorf ist nichts
zu sagen. In dem österreichischen Saal hat man Bilder
von Matejko, Pettenhofer und anderen Todten,
— manche leben auch noch, — aufgehängt, um ihn nur zu
füllen. Aber er sieht auch so recht böse, fast hoffnungslos
aus. Den einzigen frischen Ton bringt ein Iagdbild von
Falat in diese Ruhe eines Kirchhofs.
Daß man den Wienern einen ganzen Saal gegeben
hat, mit dem sie nichts anzufangen wissen, während man
für die B e r l i n e r nur einen halben übrig hatte, ist
eigentlich sehr komisch, wenn man aufgehört hat, sich
darüber zu ärgern. Lin brillanter Kopf eines alten
Mannes und Gouachen vertreten Menzel, ein altes
unbedeutendes Bild Knaus, „Hannibals Grab"
 
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