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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 9
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Wiener Kunstbrief
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Berger, Rud.: Münchener Kunstbrief
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Berliner Kunstschau
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Nr. 9

Die Aun st-Halle

„Brandung" abermals kein übles Bild, aber noch immer
nickt die von Jahr zu Jahr erwartete That gegeben.
Josef wopfner bietet eine Reihe recht stimmungsvoller
Landschaften, Frau wie singer-Florian eine blühende
wiese in reichen und satten Farben. Sehr hübsch ist der
Luftton des Hintergrundes. Manches verdient wenigstens
stillschweigende Anerkennung. wir wollen damit auch
nicht geizen. Paul Wilhelm.
Müncdener Ikunstbriek.
Das vielfach aufgestellte Axiom, das bayerische
Kunstgewerbe habe sich bereits so weit erschöpft, daß
es bei anderen Nationen Anleihen machen müsse, ist vor
kurzer Zeit von dem begabten Bildhauer Obrist durch
Wort und That erfolgreich bekämpft worden. Seine ernsten
Worte an die Künstler und an das Publikum haben ein
lebhaftes Echo gefunden, so daß sich auch der Münchener
Kunstverein entschloß, in seinen wöchentlichen Kunstaus-
stellungen wieder einmal dem Kunstgewerbe näher zu
treten. Der erste Versuch wurde mit einer Kollektion Ta-
petenmuster des Malers Josef Rösl gemacht, was für
die aus etwa 20 Nummern bestehende Sammlung charak-
teristisch erscheint, ist die ausschließliche Benutzung der
deutschen Flora und die durchweg aus dem Organismus
unserer Pflanzenwelt gewonnene Stilisirung. An Stelle
exotischer Pflanzenmotive sind hier Tannenzapfen, Tannen-
zweige, Disteln, Mohn und Enzian getreten, eine Neuerung,
die dem deutschen wohnraume einen ebenso anheimelnden
wie bei künstlerischer Durchführung sehr effektvollen Reiz
verleiht.
Wie die Rösl'sche Kollektion der vorvergangenen
Kunstvereinswoche ihren charakteristischen Stempel auf-
drückte, so in der letzten die Landschaftsmalerei.
Wucherers subtile Technik mit Anlehnung an die Pa-
riser Schule hat der Münchener Tagespresse Gelegenheit
gegeben, sich über Patriotismus in der Kunst und den
Werth oder Unwerth des Studiums im Auslande nach
Herzenslust auszusprechen. O. Peters, Stockmann, Glatte,
Kubierschky, v. Loön, Kolbe, Eggena haben es sich dies-
mal zur Aufgabe gesetzt, die Landschaft nicht nur quanti-
tativ, sondern auch qualitativ dominiren zu lassen. Unter
den wenigen anderen Sujets fallen zumeist O. Baumanns
Portraits durch ihre eigenartige Technik auf. In ihrer
Wirkung an Segantinis Bilder erinnernd, erreichen sie
diesen Effekt doch in verschiedener weise. Lin feiner
Künstlerscherz ist die „verschleierte" Dame Fr. Boden-
müllers. Im Uebrigen ist die gegenwärtige Saison den:
Kunstausstellungswesen nicht besonders günstig.
Von Interesse dürfte vielleicht noch das Lrgebniß der
akademischen Preisaufgaben sein, als welche für die Maler
alternativ die Vorwürfe „Odysseus wird von der Schaff-
nerin Lurykleia beim Fußwaschen an der Narbe erkannt"
und „Der Engel verkündet den Hirten die Geburt Ehristi",
für die Bildhauer „Lin Monumentalbrunnen" gegeben
waren. Me beiden ersten Preise fielen auf Matthäus
Schiestl und Johann Hemmesdorfer, die zweiten auf Walter
püttner, Hans v. Hayek und Theodor v. Gosen, warum
gerade diese Themen gewählt wurden, ist nicht offen-
kundig, vermuthlich weil es gerade bei diesen schwer fiel,
künstlerische Phantasie frei und ohne Anlehnung zu ent-
falten Rud. Berger.

H57

Verliner Ikunstscdau.
Im Salon Gurlitt treten wieder Martin
Brandenburg und Hans Baluschek zusammen vor
die Deffentlichkeit. Baluschek hat entschieden einen
Schritt vorwärts gemacht. Man merkt in seinen Bildern
überall die Spuren einer intensiveren Beobachtung: ob er
sein Gedächtniß zu schärferem Festhalten des Einzelnen
zwingt, ob er mehr direkt nach der Natur arbeitet, ist
gleichgiltig. Am besten wirken seine Blätter, die für ein
Berliner Bilderbuch bestimmt und in Rücksicht auf die
Reproduktion nur in Schwarz und Roth gehalten sind.
Er weiß mit dem einen Ton sehr geschickt eine gewisse
Farbigkeit zu erzielen, während er in seinen Bildern die
Farben recht grell und schwer aufträgt und sie völlig un-
versöhnt neben einander stehen läßt Freilich zeigt sich
auch in diesem Bilderbuch, dessen Titel „Zwischen G und
Weh" schon Unheil ahnen läßt seine merkwürdige Ein-
seitigkeit. Er kennt oder schildert wenigstens nur ver-
blödete oder verkommene Menschen, er hat nicht eine Spur
von Humor uud nicht einmal die Objektivität, die er zu
haben glaubt. Er ist ein unfreiwilliger Karikaturist.
Reber die Art, wie er die Welt sieht und was er für
darstellungswerth hält, kann man mit dem Künstler schwer
rechten. Aber eine jede weise hat ihren Stil, und was
Baluschek nun einmal will, ist nur möglich bei der denkbar
größten Vereinfachung der Mittel. Die verzerrende oder
mindestens übertreibende Eharakteriftik und die natura-
listische Form klingen nie zusammen, wenn die Blätter
des Bilderbuchs vielleicht nur durch den Zufall der Be-
dingungen Baluschek auf den weg zur Einfachheit ge-
zwungen haben, so sollten sie ihm doch beweisen, daß er
ihn bewußt weiter gehen muß. — Brandenburg scheint
an eine Verbesserung seiner Mittel nicht mehr zu denken.
Gerade um Träume zu gestalten, muß der Künstler sehr
fest auf dem Boden der Wirklichkeit stehen. Aber auch
in der Empfindung ist nicht ein Werk dem „Ritter mit
den Rosen" vom letzten Jahre gleich zu stellen. In den
„Lilien" hat er sich an die Aufgabe eines großen Oel-
bildes herangemacht, der er nun auch in rein handwerk-
lichem Sinne garnicht gewachsen ist. Ls wäre sehr
schade, wenn der unstreitig begabte Brandenburg mit
vielen anderen Talenten an dem Unglück der modernen
Kunst, dem Mangel an elementarer Schulung und stiller
bescheidener Arbeit, zu Grunde gehen sollte. Was er zu
wollen scheint, geht nicht an: man kann keinen ragenden
Bau ausführen, ohne tiefe Fundamente zu legen. Viel-
leicht ist es die Verführung der Deffentlichkeit, wenn die
meisten die Arbeit an den Fundamenten, die Arbeit, die
man nicht sieht, scheuen. Edmund Edel hat ein Bild
„Tröstungen". Lin blinder Mann lauscht auf die Töne,
die sein Knabe der Hausorgel entlockt. Das Werk ist
gut durchgeführt, im Sinne der Belgier, ohne besondere
Dualitäten zu besitzen. Jenny Schweminski hat in
dem „Weidenweg" eine feintönige Landschaft gegeben.
Im Salon Schulte marschirt in der üblichen Winter
parade der^westklub^auf. Wie immer giebt diese Aus-
stellung nichts Neues, Aufregendes, aber für die Meisten
der Künstler kann man die hübsche, alte Kritikxhrase:
 
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