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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 20
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Berger, Rud.: Audiatur et altera pars: in Sachen Radirung und Heliographie
DOI Artikel:
Grünewald: Künstlerische und mechanische Nachbildung photographischer Werke, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0358

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3s2

DieAunst-L^alle.

Nr. 20

Die abfällige Beurtheilung, die perr Bruno Meyer
dein klassischen Linienstich zu Gunsten der Peliographie hat
zu Theil werden lassen, wird in Br. 18 Ihrer geschätzten
Zeitschrift in dem Artikel „Radirung und Peliographie"
im wesentlichen wiedergegeben und, soweit die künstlerische
Thätigkeit des perrn Rud. Stang bei der Herstellung
seines berühmten Abendmahlstiches in Betracht kommt,
widerlegt. Aber nicht nur künstlerische, sondern auch tech-
nische Momente sprechen dafür, daß eine noch fo vollendet
ausgeführte Heliogravüre niemals den Linienstich voll-
kommen zu ersetzen vermag.
Das photographische pigmentverfahreu wird zum
Drucken mittelst Rupferxlatten in zweifacher weise benutzt,
einmal so, daß die mit der belichteten Lhromgelatineschicht
versehene Rupferplatte geätzt wird. Bei diesem Verfahren
der „Photogravure" werden die vom Lichte getroffenen
und dadurch unlöslich gewordenen Stellen der Gelatine-
fchicht von der Aetzsäure nicht angegriffen, an den übrigen
Stellen wird das Rupfer mehr oder weniger tief aufgelöst.
Das entspricht durchaus der Aetzung einer radirten Platte.
Die Folge davon ist, daß die Abdrücke von einer solchen
Platte die rauhen Striche der Radirung zeigen, aber nicht
die scharf abgegrenzten Linien, welche der Grabstichel in
das Rupfer schneidet. Bei dem anderen heliographischen
Verfahren, der „Photogalvanographie", wird ebenfalls die
belichtete Pigmentschicht auf die Rupferplatte gebracht,
worauf durch Behandlung derselben mit Wasser die löslich
gebliebenen, nicht vom Lichte getroffenen Theile der Lhrom-
gelatine herausgelöst werden; von dem so entstandenen
Relief wird dann ein galvanoplastischer Rupferabdruck ge-
macht, der als Druckplatte dient. Auch dies Verfahren,
das Perauslösen der löslich gebliebenen Gelatine, die
Fällung von Rupfer im galvanischen Bade, bringt es mit
sich, daß nie die scharfen Schnitte des Grabstichels erzeugt
werden können.

Allen nach solchen heliographischen Druckverfahren
hergestellten Ropien fehlt daher der Glanz und die
Schärfe des Linienstiches. Man betrachte nur einmal
die prächtigen peliogravüren, welche in der Reichs-
druckerei oder von Amand Durand in Paris nach den
Linienstichen von G. F. Schmidt, von Wille und
den großen französischen Porträtisten hergeftellt worden
sind, z. B. das peinliche, von der Reichsdruckcrei vor-
trefflich ausgeführte Porträt Mignard's von G. F.
Schmidt. Line gewisse Rauhigkeit der Roxie gegenüber
dem Glanz des Originals ist unverkennbar, auch ohne Zu-
hülfenahme einer Lupe, während die peliogravüre eine
Radirung und noch besser ein in punktirmanier ausge-
führtes Blatt in täuschender weise wiedergiebt, vermag
sie den vornehmen Zauber des Linienstiches nicht zu er-
reichen.
Aus diesem Grunde erscheint die Behauptung des
perrn Br. Meyer, der Linienstich sei ein veraltetes Ver-
fahren, ein „kunstgeschichtliches Fossil" durchaus unberechtigt.
Lr wird stets seine Liebhaber finden, und perr Stang
wird vermuthlich nicht den Rath befolgen, eine Zeichnung
in Strichen und Punkten anzufertigen und dann helio-
graphisch zu vervielfältigen.


Künstlerische und mechanische
Oachbildung
photographischer Merke.
vom Geheimen Iustizrath Grünewald, Metz.
^Dpe Veröffentlichung „Drei wichtige Rechtsfälle"
in Nr. ;2 dieses Jahrgangs Nr. 185 bestimmt uns,
die in denselben behandelten Fragen, insbesondere den
Umfang der Berechtigung zur künstlerischen und
mechanischen Nachbildung, im Nachstehenden nach
dem gegenwärtigen Stande der Gesetzgebung, Rechts-
sprechung und Wissenschaft*) einer thunlichst erschöpfenden
Darstellung zu unterziehen.
Die Grundlage hierfür bilden folgende Bestimmungen
des Photographieschutzgesetzes vom io. Januar 1876:
§ 1 Abs. i: Das Recht, ein durch Photographie her-
gestelltes Werk ganz oder theilweise auf mechanische m
Wege nachzubilden, steht dem Verfertiger der photo-
graphischen Aufnahme ausschließlich zu.
§ 3. Die mechanische Nachbildung eines
photographischen Werkes, welche in der Absicht, dieselbe
zu verbreiten, ohne Genehmigung der Berechtigten her-
gestellt wird, ist verböte n.
§ 8. wer eine von einem Anderen verfertigte photo-
graphische Aufnahme durch ein Werk der malenden,
zeichnenden oder plastischen Runft nachbildet,
genießt in Beziehung auf das von ihm hervorgebrachte
Werk das Recht des Urhebers nach Maßgabe des § 7 des
Gesetzes vom 9. Januar ;876 betreffend das Urheberrecht
an Werken der bildenden Rünste.
Diese letztgenannte Vorschrift lautet: wer ein von
einem Anderen herrührendes Werk der bildenden Rünste
aufrechtmäßige Weise, aber mittelst eines anderen
Run st verfahrens nachbildet, hat in Beziehung auf
das von ihm hervorgebrachte Werk das Recht eines
Urhebers, auch wenn das Original bereits Gemein-
gut geworden ist.
Aus dem Zusammenhalte dieser Gesetzesvorschriften
ergiebt sich zunächst, daß das Gesetz selbst den Begriff
„Nachbildung" nicht bestimmt, also hierfür der
allgemeine Sprachgebrauch maßgebend ist, wonach
darunter jede wesentliche Wiedergabe des im
Originale ausgedrückten Gedankens zu verstehen ist.
Bezüglich der Rechtmäßigkeit der Nachbildung photo-
graphischer Werke stellt das Gesetz die mechanischen
und künstlerischen gegenüber und verbietet
lediglich die erstere, während es die letztere frei
gestattet. Ls handelt sich also um Lösung der
Frage, unter welchen Voraussetzungen die Nachbildung
als künstlerische und unter welchen sie als mechanische zu
gelten hat.
Rünstlerisch ist dieselbe jedenfalls dann, wenn
sie mittels der Technik eines Runstverfahrens ausgeführt
ist und auf solche weise eine individuell künstlerische
*) Benutzt sind bei dieser Abhandlung: Die Gesetz-
gebungs-Verhandlungen, die Entscheidungen des Reichs -
gerichts, dieRommentare von Rlostermann, Wächter, Daude,
Scheele, Altfeld und Stenzlein, sowie des Verfassers beide
Schriften: Das N. R. auf dem Gebiet der bild. Runft
und Photographie (Liesegangs Verlag 1888) und die Gesetz-
gebung auf phot. Gebiet (Verlag d. Apollo 18Y6).
 
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