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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 21
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Rust, Agnes: München: Atelier-Plauderei
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Stahl, Fritz: Berlin: Grosse Kunstausstellung, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0373

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Nr. 2f

Die Kunst-Halle z-r-tz -

325

Handzeichnungen, illustrirten Werke von großem
subjektiven Keiz.
Die Kunst, nut wenig Worten viel zu sagen, bei
anscheinender Rauheit des Dortrages doch eine
weiche Gesanuntwirkung herauszubringen, die besitzt
Herr Fenner in hohen: Grade. Gr hat entschie-
dene Gegner und ausgesprochene Freunde, zieht ent-
weder sofort an oder stößt ab. Es steckt auch eiu
Tiheil Poesie, wirkliche dichterische Empfindung in
dem virtuosen Zeichner.
„Die Kerzen flackern blutig roth
Und Anna Boleyn grüßt der Tod!" -
Am Weiften lobe ich mir aber die humoristische
Ader. „Die Besteigung der Zugspitze" (mit vielen
Illustrationen) wird Niemand „unfroh" aus der
Hand legen. Zuweilen streift Fenners Humor in
Wort und Bild stark ans Ulkige, so in seinen
Kalendern. Aber ein fröhlicher Kalendermacher ist
mir lieber als ein trauriger, und wenn Herr Fenner
in der Schaar der Künstler die Stelle des lustige::
Käthes vertritt und seine losen Blätter und Büch-
lein vergnüglich in der Welt herumflattern läßt, so
soll uns das nur willkommen sein. Gewisse Leute
blicken wohl von der Höhe ihres akademischen
Könnens stolz auf ihn herab und wollen ihn nicht
für voll gelten lassen. „Singe wen: Gesang ge-
geben", läßt sich aber auf jede Kunst anwenden.
Und nicht nur der Schöpfer großer Galleriebilder
ist ein Künstler. So manches riesige Ausstellungs-
gemälde, vulgo Maschiue, verhält sich zu einer Feuner-
zeichnung wie etwa ein langer ermüdender Komm: zu
einem geistreichen Efsav.
Fast beginnt Fenner jetzt Schule zu machen.
Begabte junge Künstler suchen in seine Fußstapfen zu
treten, wie manche Probe zeigt, mit guten: Erfolg.
Das außerordentlich Anregende, Impulsive seiner
auf den ersten Blick bizarr scheinenden Methode
kann nicht geleugnet werden. Zu hüten hat sich
nur der Anfänger, der weniger Selbständige vor
direkter Nachahmung; die Gefahr der Manier liegt
zu nahe.
Herr T. Fenner hat in letzterer Zeit keinen
Kalender mehr herausgegeben, wußte diese Unter-
lassung aber nicht zu motiviren. Als mangelhaften
Ersatz wird mir nun ein für gewisse Zustände recht
bezeichnendes Histörchen geboten.
In den: Kunstverein einer großen Stadt
waren unter anderen Werken auch allwöchentlich
einige von Fenners originellen Landschaften und
Skizzen ausgestellt. Anfangs ging alles gut, der
Kritiker eines maßgebenden Blattes (dem betreffen-
den Künstler persönlich unbekannt) sprach sich aner-
kennend und verständnißvoll über dessen Arbeiten
aus. plötzlich aber verweigerte der Verein die
fernere Aufnahme Fenner'scher Bilder. Sehr ver-
wundert erkundigte sich Herr F. über die Ursachen
dieser plötzlichen Zurückweisung, und da wird ihn:

klipp und klar mitgetheilt, daß er gar kein Künstler
sei, sondern ein Dilettant nut bisweilen guten
Einfällen, daß daher der Verein für die Zukunft
auf Zusendungen seinerseits verzichte . . .
Ich weiß nicht, ob Herr Fenner sich einen Vers
darauf gemacht hat. —

tz e r 11 n:
Grosse ^uyskausskellanA.
Ven Fritz ^-tahl.

III.


em: man die Walerei der Ausstellung be-
sprechen will, muß man wohl oder übel den

unangenehmsten weg einschlagen, den der Wande-
rung durch die Keihe der Säle, weder sind nämlich

überragende Meisterwerke da, die durchaus sich auf-
drängen, noch ergeben sich aus gemeinsamer An-
schauung Gruppen, noch sieht man neue Absichten
oder gar Perspektiven. Außerdem aber spricht ein
praktischer Grund dafür: es giebt sehr wenige
Menschen, die diese Ausstellung überhaupt kenne::,
denn die Zeit und die Zähigkeit, die ein vollständiges
Studium erfordert, könne:: nicht viele aufwenden, zu-
mal die flüchtigen Gänge das Ziel nicht lockend er-
scheinen lassen. Auf einer solchen Wanderung, wie
ich sie geben will, kann man nun gemächlich auf
alles Hinweisen, was irgend Beachtung verdient und
so ein Führer werden, der die Arbeit für viele macht.
M:d zugleich kann man, soweit das möglich ist, den
Künstlern, deren Bilder verhängt sind und in der
Masse des Schlechten verschwinden, eine Art von
Genugthuung geben.

Im Ehrensaal ist ein wundervoller Leubach zu
sehen. Gleich wenn man eintritt nnd den Blick über
die wände mit ihren künstlerisch durchaus gleich-
gütigen, zum Theil sogar noch technisch spottschlechten
patriotisch-historischen Schildercien fortgleiten läßt,
fesselt das kleine Bildniß des Keichskanzlers Fürst
Hohenlohe und läßt nicht mehr los. Und je näher
man es studirt und je öfter man es sieht, desto größer
ist die Wirkung. Das Bild ist mit einer Einfachheit
der Mittel gemalt, die selbst für Lenbach noch auf-
fällt. Der braune Pelzkragen hebt sich kau::: von
dem nur wenig helleren Hintergründe ab. Der rothe
Fleck auf dem Backenknochen, der so bezeichnend für
dieses kleine, vornehme Greisenantlitz ist, ist mit den:
prima sicher hingesetzten einen Ton völlig getroffen.
Km das würdigen zu könuen, muß inan die Studie
vergleichen, die Millian: Pape für sein großes Bild
der Keichstagseröffnung von den: Kopf Hohenlohes
gemacht hat. Hat Lenbach den: Manne einen
geistigen Adel verliehen, den er nicht besitzt, oder hat
er nur den wirklich vorhandenen entdeckt? Mit den:
Hohenlohe, den andere Bilder und Photographien,
und gar mit den: „Onkel Chlodwig", den die
Karrikaturen zeigen, hat dieser durchgeistigte Kopf mit
den Augen des tiefen Kenners der Welt und der
Menschen nichts gemeinsam. Höchstens, daß aus der
leichten Neigung des Kopfes und dem fest ge-
 
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