Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

DOI Heft:
No. 21
DOI Artikel:
Stahl, Fritz: Berlin: Grosse Kunstausstellung, [3]
DOI Artikel:
Meyer, Bruno: Noch einmal: Radirung und Heliographie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0375

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Run st-Halle -

Nr. 2s

327

ganz verschiedenen Orten das Beispiel der Worps-
weder oder richtiger die große und unmittelbare
Naturanschauung, die ihr Schaffen beherrscht, zu
wirken beginnt. Da ist die Märzstimmung von Anna
Gerresheim, einer Malerin, die der von Müller-
Kämps begründeten Kolonie von Ahrenshoop an-
gehört. Lsier ist die Absicht, es den Morpswedern
nachzuthun, durch die Verwandschaft der Natur sehr
deutlich: Die Bilder von Müller-Kämps selbst erinnern
wohl an seine Vorbilder, sind ihnen aber in keiner Meise
ebenbürtig, weil gerade das Wichtigste, die organische
Entwicklung des Kunstwerkes aus dem bloßen in-
timen Natureindruck fehlt. Aber das ist auch nur
bei ihm der Fall: zuerst E. v. Eicken und jetzt
A. Gerresheim beweisen, daß wo ein wirkliches
naives Sichhineinleben in die Landschaft, ein wirklich
voraussetzungsloses Aufsichwirkenlassen derselben statt
hat, auch ein den: der Morpsweder ähnliches Resultat
erfolgt. Man darf auf die weitere Entwicklung
begierig sein. Es kommt dabei aus deu Eharakter
der Natur wirklich nicht an: Earl Kayser erreicht
in Steglitz, Earl Hessmert in Berlin mit Motiven,
die überall zu finden sind, genau dieselbe Wirkung.
Die beiden Winterlandschaften, die sie geben, sind
wirklich sehr gut. Und wenn man aus ihnen schließen
könnte auf das, was in der Berliner Landschafts-
malerei werden will, so wären sie sehr erfreuliche
Symptome. Als Bild sehr viel reifer als diese mehr
studienhaften Arbeiten ist die Mondscheinlandschaft
des Berliners Otto Antoine. Ein Kirchhof auf
dem Dorf: an der niedrigen Mauer steht in zärtlichen:
Gespräch ein Liebespaar. Es ist in dem Kolorit
eine kräftige, markige Schönheit, die auf den bisher
unbekannten Maler schöne Hoffnungen setzen läßt.
Das Bild „Ein Handel" von G. Marschall, das
eine nackte Sklavin zeigt, die von einem alten Manne
mit lüsternen Blicken betrachtet wird, ist auch eine
hübsche Talentprobe. Namentlich der Akt ist in
Zeichnung und Farbe vortrefflich. Heinrich
Basedows große Landschaft „Ebbe" ist mehr
von Garrisons Marinen beeinflußt als gut ist: es
muß auffallen, daß ein Künstler, der auf eigene
Faust schon so Treffliches geschaffen hat, einem fremden
Einflüsse sich hingiebt. Ein gutes Thierstück, Kühe
von Otto Keitel, München, verdient noch Be-
achtung.
Der nächste Gang führt uns in die Seitensäle,
die in: Ganzen entschieden eine reichere Ausbeute für
die Betrachtung ergeben.

Noch einmal:
uyä ^<rHoHrupt)ie.
Herrn Professor Dr. Rudolph Biedermann ist es bei
seiner Widerlegung meiner Ausführungen über die Lhancen
des Linienstiches gegenüber der Heliographie augenschein-
lich entgangen, daß mein Aufsatz nicht für eine Kunst-
Zeitschrift geschrieben, sondern einer photographischen
Fachzeitschrift entnommen ist. Einem photographischen
Fach-Publikum brauchte ich weder eingehende Details über
photomechanische Technik vorzutragen, noch meine Sach-

kenntniß zu betonen; um so weniger, als mir beim Schreiben
speziell ein Leserkreis vorschwebte, dem ich seit ca. zehn
Jahren eine tagtägliche Erscheinung bin, und der seit dem
Jahre ^89; gewohnt ist, mich als Gbmaun der Preisge-
richte im Deutschen Photographeu-Vereine und als quasi
offiziellen Berichterstatter über dessen alljährliche Aus-
stellungen zu sehen, wenn mir nun in einer Kunst-Zeit-
schrift technische Einwendungen begegnen, so muß ich die-
selben mit Rücksicht auf das hier vorauszusetzende Publikum,
dem die Dinge nicht genügend geläufig sein können, um
sich selber sofort mit Sicherheit zu orientiren, als Techniker
beleuchten.
Zuvor aber möchte ich lebhaft gegen das funda-
mentale kNißverständniß Verwahrung einlegen, als ob
ich den klassischen Linienstich „abfällig" beurtheilt hätte.
Als Kunsthistoriker, der ich ja doch meinem besonderen
Fache nach bin, weiß ich demselben jedenfalls die richtige
geschichtliche Stellung zu gebeu, und bringe ihm auch
absolut mindestens dieselbe verständnißvolle Würdigung
entgegen wie Herr Professor Biedermann. Ls handelte
sich lediglich darum, ob dem Linienstiche auch heute noch
die durch seine Umständlichkeit erforderten persönlichen
Opfer gebracht werden sollen und können, wenn es tech-
nisch möglich ist, auf jene Opfer, und doch nicht auf den
Linienstich selber zu verzichten. Diese Voraussetzung nun
leugnet Herr Professor Biedermann von: technischen
Standpunkte aus; ich glaube: mit Unrecht.
Als technischer Ersatz der Grabstichelarbeit beim Linien-
stiche konmü ausschließlich die „P hotogalvauo grap hie "
in Frage. (Ich acceptire hier —- bei der leidigen Unsicher-
heit der fachlichen Kunstausdrückc — gern die gut bezeich-
nende Terminologie des Herrn Professor Biedermann.)
Bei der „ p hoto g ravure " werden Ls a l b t ö n e darge-
ftellt, indem ein im pigmentverfahren auf der Kupferplatte
hergestelltes Negativ nach dem Verhältmß der Dicke seiner
Schicht, welche wiederum — als Negativ! — umgekehrt
der Tiefe der Töne im Bilde entspricht, von der Aetz-
flüssigkcit (Lisenchlorid-Lösung) nach nnd nach durchdrungen,
und so die unterliegende Kupferplatte mehr oder weniger
angefressen wird. Die Gelatine-Schicht wird also aller-
dings von der Aetzflüssigkeit angegriffen, sogar aufgelöst.
Die Wirkung der Lisenchlorid-Lösung auf die durch Lhroin-
säure bereits (im warmen Wasser) unlöslich gemachte Ge-
latine-Schicht ist zunächst eine gerbende, d. h. noch weiter
härtende. Bald aber überwiegt die ätzende, d. h. zer-
störende Kraft des Mittels, und die hornige Gelatinehaut
wird erweicht und durchdrungen, so daß das Kupfer un-
mittelbar die Einwirkung der Aetzflüssigkeit erleidet. Die
Drucksähigkeit der angesressenen Kupfer-Oberfläche wird
dadurch erzielt, daß die Kupserxlatte vor dem Auftrage
des Pigment-Negatives in ihrer ganzen Fläche sehr gleich-
mäßig mit einer staubfein gepulverten Lsarzmischung
(Asphalt u. s. w.) eingestaubt wird. Angeschmolzen dient
dieser — natürlich diskontinuirliche, aus lauter einzelnen
Körnchen bestehende — Ueberzug als ein widerstandsfähiger
Aetzgrund, der die niedergeätzten Stellen rauh, zum Fest-
halten der Farbe geschickt, erhält.
Unmöglich ist es nicht, in diesem Verfahren auch
Strichvorlagen zu reproduziren; aber es begegnen hierbei
nicht weiter zu erörternde Umständlichkeiten, die den Ver-
zicht ans diesen weg nahe legen, wenn er trotzdem ge-
gangen wird, dann fallen natürlich die Striche so aus,
 
Annotationen