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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 14
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Rust, Agnes: Hermann Obrist
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Gensel, Otto Walther: Pariser Kunstbericht, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0246

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—Die Au n st-Halle

2s2

Nr.

Amtswürde. Auf den Seitentheilen scheint sie in
energischer Bewegung einem Angriff begegnen zu
wollen. Aus sriesartigen Streifen außerordentlich
feine, leicht mit dem graziösen Rankenwerk zusammen-
hängende Hflanzen, mehr der exotischen Flora ent-
nommen. Hier bewundere ich die glückliche und ein-
fache Stylisirung. Zwei leicht verbogene und zwei
im Hrofil sichtbare Blüthen (oder sind es Blätter —
Rispen?) an schwankenden Stengeln. Die feinen
dünnen Würzelchen strecken sich behutsam darunter
aus. Am meisten Aufsehen und Verwunderung hat
wohl der riesige Baum erregt. Ich wurde dabei
an die Weltesche erinnert. Ilm den schlanken, himmel-
anstrebenden Stamm legen sich in anmuthiger Biegung
dornige, leicht mit Blüthenbüscheln besetzte Zweige.
Lin intimes Verständniß der Natur, des Hflanzen-
charakters ist bei all den Arbeiten zu beobachten. Die
Lhierwelt ist ebenfalls in den Bereich der Dekoration
gezogen. „Studio" von f8f)6 brachte in der No-
vembernummer als Wandteppich „Dragon Fly",
einen Schwarm Libellen um Schilfkolben und Blüthen
gaukelnd. Jedenfalls eine reizende Wandverzierung,
dieses „Hanging". An Aorallen, Seesterne, Schnee-
krystalle erinnern einige der Formen, an kühne, groteske
Schriftzüge wieder andere. Die Farbenzusammen-
stellung ist überall eine sehr diskrete.
Wer immer Aunst in jeder Erscheinungsform
liebt oder selbst ausübt, hat alle Ursache, sich für
Herrn Gbrist's Schöpfungen zu interessiren und ihm
für die Fälle daraus gewonnener Anregungen dank-
bar zu sein. Drei führende Geister haben in Lng-
land eine Art von Reformation im Aunsthandwerk
zu Stande gebracht. An den nöthigen Aräften fehlt
es uns in Deutschland ganz gewiß auch nicht. Das
Licht, das bald im Norden, bald im Süden aufblitzt,
zur leuchtenden Flamme soll es werden, die „neue
Weise" von der sie da und dort raunen und sagen —
zur machtvollen Melodie wird sie anschwellen, zum
neuen — ewig alten Lied vom vergehen oder
werden.
X
Dariser Ikunstbericbt
von lvaltHel Gensei, Haris.
(Schluß.)
Besser noch als hier waren die Modernen auf
der Vever'schen Versteigerung vertreten. Man
hat diese Auktion, die rund eine Million Franken
eingebracht hat, als einen Spekulationsverkauf be-
zeichnet. Wag sein, daß sie es war, allein, sie hatte
auch eine innere Berechtigung. Wenn im Freundes-
kreise jeder kleinste Zug durchgesprochen worden ist,
wenn jede Linie sich unverlöschlich dem Gedächtnisse
eingexrägt hat, dann ist es Zeit zu verkaufen und
neu zu sammeln. Herr Vever muß ein ganz ausge-

zeichneter Renner sein. Ls ist wirklich keine Runst,
Böcklin oder Huvis des Lhavannes schön zu finden,
jetzt, wo es die Spatzen von den Dächern pseisen, es
war eine Thal, Monet zu kaufen, als auch die Fort-
geschrittenen nur ein mitleidiges Lächeln für den Zm-
presfionismus hatten. Die Sammlung enthielt neun
ausgezeichnete Landschaften des Weisters, darunter
die „Rirche von Vernon", „Eisschollen auf der
Seine", die „Brücke von Argenteuil". Nie ist früher
der Sonnenschein so überzeugend gemalt worden, wie
er durch blaue Nebelschleier sich Bahn bricht, wie
er auf den Eisschollen glitzert, wie er an schwülen
Sommertagen um den Sandstein einer alten Rirche
flimmert. Damit allein schon ist die Berechtigung
der Walweise Monet's bewiesen. Sisley und Lebourg,
der sich die liebliche Seinelandschaft von Nouen zum
Studienfeld erkoren hat, kamen in zweiter Linie.
Linen höchst fesselnden Gegensatz zu dieser Land-
schaftsschule von s880 und (890 boten die Maler
von Barbizon: Rousseau nut seiner tiefernsten Sumpf-
landschaft von Tiffanges, ein ungemein lieblicher
Daubigny und nicht weniger als elf Bilder Lorots,
Lorots, den zu lieben man nie aushört, den man
aber doch nicht mehr ganz so hoch zu stellen geneigt
ist, wenn man sehr viel von ihm gesehen hat. Außer-
dem enthielt die Sammlung Bilder von Meissonnier,
von Bonvin, Lazin, Degas, Renoir und Anderen.
Die Gonoourt'sche Versteigerung hatte
nicht ganz die Bedeutung der Spitzer'schen, hatte aber
doch eine große Anzahl ausländischer Renner und
Liebhaber angezogen. Ls sind theilweise fabelhafte
Hreise, wirkliche Liebhaberpreise, bezahlt worden. So
hatte es ja auch Goncourt ersehnt, der seine Schätze
nicht dem „kalten Grabe der Museen und dem stumpf-
sinnigen Blicke der Wuseumsbesucher" überantwortet,
sondern in den Händen von Lrben seines Geschmacks
wissen wollte. Einige wenige Handzeichnungen des
s8. Jahrhunderts sind vom Louvre, eine Anzahl
japanischer Runstgewerbegegenstände von den deut-
schen Museumsdirektoren angekauft worden. Den
höchsten Ertrag brachte die erste Versteigerung. Wer
hätte vor einen: halben Zahrhundert, als die Gon-
oourt zu sammeln begann, geglaubt, daß jemals
für einen weiblichen Akt von Boucher, für eine Land-
schaft von Fragonard, für eine schlüpfrige Szene von
Bandouin Zehntausende bezahlt werden würden!
Allerdings muß zugestanden werden, daß sich unter
den 377 Werken der Sammlung kaum ein minder-
wertiges befand. Ls war ein raffinirter Genuß,
diese graziösen Meisterwerke des Bleistifts und des
Röthels einige Vormittage betrachten zu können. Am
höchsten bezahlt wurde Woreau's „Rönigsparade",
ein Werk von unglaublich feiner Ausführung, bei
dem man aber doch etwas den freien Wurs des
Bleistifts vermißt und mehr an die Handhabung des
Grabstichels erinnert wird. Boucher's und Frago-
nard's Frauenbildnisse sind ungemein graziös in der
Haltung und meisterlich im Faltenwurf der bauschigen
Rleider, der liebenswürdigste aller Frauenzeichner
aber ist doch der jüngere Saint-Aubin. Während
jene Rreide oder Sepia zu verwenden lieben, be-
schränkt er sich fast ausschließlich auf den Bleistift.
Line — ich möchte sagen -— duftigere Handhabung des
Bleistifts als in seinem „Sei wenigstens verschwiegen!",
einer entzückenden jungen Frau, die den Finger an
den Wund legt, ist nicht denkbar. Auch Watteau s
dreifarbige Zeichnungen — er liebte mit Rreide und
Röthel zu zeichnen — erzielten sehr hohe Hreise.. Lin
wenig geringer waren Znteresse und Rauflust bei
 
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