278
Die Kunst-Halle
Nr. s8
Hie beillei) Waliser Sgioys.
Von Ma Ith er Gensel.
M^^öher noch als auf dem Gebiete des Porträts
ist das 7lliveau auf dem der Landschaft.
Man kann getrost behaupten, daß sich allein auf
dem Marsfelde mehr als hundert beachtenswerthe
Landschaften befinden Schon in den vorigen Jahren
war eine stetige Abnahme des Impressionismus uud
des Hleinairismus bemerkbar; diese Abwärtsbeweguug
hat wesentlich zugenommen. Mir wollen richtig
verstanden sein. Lin gemäßigter Impressionis-
mus, im Sinne Torots etwa, ist zum unveräußer-
lichen Ligenthum der neuen Kunst geworden. Man
braucht nur Bilder wie deu mit peinlichster Gewissen-
haftigkeit ausgeführten „Krabbenfang" von Firmin-
Girard (M.) zu betrachteu, wie da alle Gesammt-
wirkung, alle Stimmung verloren geht, um seine
Berechtigung zu erkennen. Aber die Mchtung, die
ihre mit ein paar kecken sillnselstricheu hingeschmierten
Skizzen als „Bilder" auszugeben liebte, scheint end-
giltig überwunden zu sein. Die großen konsequenten
Impressionisten, Monet und Renoir, haben das auch
uie gethan; aber ihre Nachahmer waren nicht Im-
pressionisten aus künstlerischer Ueberzeugung, sondern
aus Mwermögeu oder Bequemlichkeit. Und ähnlich
verhält es sich nut dem siUeinairismus. Das,
was man darunter verstand, war ja weniger die
Miedergabe der Dinge, wie sie sich unter dein Lin-
flusse von Luft und Licht im Freien darstellen —
diese Auffassung wird ewig richtig bleiben — als
die naive Freude daran, ein paar sonnenumflutete
Gestalten so recht patzig auf eiu grell beleuchtetes
Asphaltpflaster oder auf eine in der Mittagshitze
glühende weiße Düne zu setzen. Mir finden jetzt
wenig Bilder mehr, die unserem Auge wehthun;
allerdings läßt sich dieses auch nicht mehr so leicht
blenden. Montenard hat auf einem großen für
Konstantinopel bestimmten Bilde den duftig blauen
Himmel und das tiefblaue Masser der Nhede von
Marseille gemalt; Alfred Smith zeigt uns Venedig
in seiner strahlenden Schöne, Mesle ein Dorf im
hellsten Morgensonnenschein (MH. Im Allgemeinen
aber ist die Freude au der Sonne der Vorliebe für
Stimmungen gewichen, wo ein Dunstschleier über der
Landschaft liegt, für die Poesie der Dämmerung
und des trüben Tages. Auf die Gefahr hin, den
Künstlern dadurch etwas Gewalt anzuthun, könnte
man zwei Nichtungen unterscheiden. Die eine liebt
den Hellen Tag, aber dann, wenn die Sonne von
leichten Mölkchen verhüllt ist, wenn ein feiner
Silberton wie ein zarter Nebel über der Landschaft
liegt. Line der sympathischsten Künstler dieser Art
ist Llary (M.). Auf seinem größten Bilde sehen
wir vorn eine Miese mit aufgespannten Fischernetzen,
dann den Fluß und dahinter die Stadt. Die grünen,
blauen und grauen Töne find wunderbar zart ab-
gestimmt; es ist ein echtes Stimmungsbild aus der
französischen Tiefebene. Oder Iettel uralt auf
einem seiner schlichten Bilder einen Dorfweg, der
zwischen ein paar alten Kütten und einer Miese mit
Silberpappeln hindurchführt. Alles Schwergewicht
liegt auf den feinen Uebergangsnoten vom Silber-
grau zum matten Grün. Le Tamus, Latenay,
Hellen erzielen ähnliche Mirkungen. Maren bei
diesen Malern Grau, Graublau und Mattgrün die
Dominanten, so sind bei der anderen Richtung, den
Malern des Dämmerlichtes, Braun, Violet oder
Dunkelblau und ein tiefes bräunliches Grün die
Hauptnoteu. Thaulow (M.) ist mir ihr liebster
Vertreter. Die Befürchtung, die Viele hegten, daß
dieser leicht schaffende Künstler zu rasch und fabrik-
mäßig schaffen würde, hat sich glücklicherweise nicht
bestätigt. Lin Bach mit einer kleinen Brücke und
uralten Bäumen im Mondschein; dahinter ein paar
Häuschen, aus denen ein einsames Licht erglänzt. . .
Line alte Fabrik am Ufer der Somme, über die lang-
sam der Abend sich senkt: Das sind zwei für ihn
charakteristische Bilder; Stimmung ohne Sentimentali-
tät, im Gegentheil ein männlich ernster Geist spricht
aus ihnen. Taz in (M.) gilt für den unerreichten
Meister in dieser Gattung. Ich kann mir nicht
helfen, ich finde seine neuesten Sachen etwas
manierirt. Ob er Regen oder Sonnenschein malt,
immer hat er dieselbe allerdings ungemein har-
monische Farbenskala. Ltwas von der viel be-
rufenen „braunen Sauce" ist in seinen Bildern.
Billotte, Boulard, Dauchez (M.), Tlermont, Gosselin
(L.), seien rühmend genannt. Die Grenzen sind
natürlich durchaus uicht scharf zu zieheu. Künstler
wie jDointelin (L.), vaysse, Tremerie (M.) könnte
man ebenso gut zu einer wie zur anderen Richtung
zählen. — Unter den Marinemalern steht immer
noch Mesdag obenan, der drei Bilder gesandt hat;
einen herrlichen klaren Bergsee hat Humphreys
Iohnston ausgestellt (M.). Schlichte aber anziehende
Motive, innige Lmpfindung ohne Sentimentalität,
sanfte, harmonisch abgestimmte Valeurs, das siud
die Kennzeichen der Landschaftsmalerei, wie sie sich
dieses Jahr in den Salons offenbart.
Zusammenfassend ließe sich über die Malerei
sagen, daß die Ausschreitungen sehr abgenommen
haben, daß das Neue nicht mehr als Lndzweck
sondern als Mittel zum Zweck aufgefaßt wird. Die
moderne Kunst beginnt ruhiger zu werden.
Noch ein Mort über die deutsche Malerei. Die
Betheiligung der Deutschen an den Salons nimmt
mit jedem Jahr ab. Voriges Jahr wurde schon
Uhde vermißt, diesmal fehlen auch Liebermann und
Kühl. Ls wäre unter diesen Umständen besser,
wenn die Leute zweiten und dritten Ranges künftig
auch abstehen wollten. Mir wollen die deutsche
Kunst würdig oder gar nicht vertreten haben. Sonst
macht sich das hiesige Publikum eine ähnlich falsche
Vorstellung von ihr wie das deutsche nach der vor-
jährigen Berliner Ausstellung von der französischen
Kunst.
Die Hastellkunst hatte ihr bestes Können auf
der neulich besprochenen Sonderausstellung nieder-
gelegt. Auch die Aquarellisten geben sich keine
Mühe, hier den Mettkampf nut der Oelmalerei auf-
zunehmen. Hontet de Mouvel ist ein besonderer
Saal eingeräumt worden (M.). Seine Kinderbilder
und seine Märchenillustrationen (so der Fuchs und der
Storch) sind anziehender als seine etwas überschätzten
archaisirenden Aquarelle zur Geschichte der Jungfrau
von Orleans. Von den Zeichnungen seien Re-
nouards jugendfrische Kinderszenen, Morrens weib-
liche Akte, Lhermitte's „bearnesische Näherin" und sein
„Dürerhaus", endlich die wildphantastischen Illu-
strationen des Italieners Grazi zu Hoö und Jean
Lorrain hervorgehoben. Unter den Stechern stehen
Tarriere, Braquemond, Ieanniot, Koepping, Hellen
immer noch obenan. Von den jüngeren seien Michel
Tazin und Löandre genannt.
Die Kunst-Halle
Nr. s8
Hie beillei) Waliser Sgioys.
Von Ma Ith er Gensel.
M^^öher noch als auf dem Gebiete des Porträts
ist das 7lliveau auf dem der Landschaft.
Man kann getrost behaupten, daß sich allein auf
dem Marsfelde mehr als hundert beachtenswerthe
Landschaften befinden Schon in den vorigen Jahren
war eine stetige Abnahme des Impressionismus uud
des Hleinairismus bemerkbar; diese Abwärtsbeweguug
hat wesentlich zugenommen. Mir wollen richtig
verstanden sein. Lin gemäßigter Impressionis-
mus, im Sinne Torots etwa, ist zum unveräußer-
lichen Ligenthum der neuen Kunst geworden. Man
braucht nur Bilder wie deu mit peinlichster Gewissen-
haftigkeit ausgeführten „Krabbenfang" von Firmin-
Girard (M.) zu betrachteu, wie da alle Gesammt-
wirkung, alle Stimmung verloren geht, um seine
Berechtigung zu erkennen. Aber die Mchtung, die
ihre mit ein paar kecken sillnselstricheu hingeschmierten
Skizzen als „Bilder" auszugeben liebte, scheint end-
giltig überwunden zu sein. Die großen konsequenten
Impressionisten, Monet und Renoir, haben das auch
uie gethan; aber ihre Nachahmer waren nicht Im-
pressionisten aus künstlerischer Ueberzeugung, sondern
aus Mwermögeu oder Bequemlichkeit. Und ähnlich
verhält es sich nut dem siUeinairismus. Das,
was man darunter verstand, war ja weniger die
Miedergabe der Dinge, wie sie sich unter dein Lin-
flusse von Luft und Licht im Freien darstellen —
diese Auffassung wird ewig richtig bleiben — als
die naive Freude daran, ein paar sonnenumflutete
Gestalten so recht patzig auf eiu grell beleuchtetes
Asphaltpflaster oder auf eine in der Mittagshitze
glühende weiße Düne zu setzen. Mir finden jetzt
wenig Bilder mehr, die unserem Auge wehthun;
allerdings läßt sich dieses auch nicht mehr so leicht
blenden. Montenard hat auf einem großen für
Konstantinopel bestimmten Bilde den duftig blauen
Himmel und das tiefblaue Masser der Nhede von
Marseille gemalt; Alfred Smith zeigt uns Venedig
in seiner strahlenden Schöne, Mesle ein Dorf im
hellsten Morgensonnenschein (MH. Im Allgemeinen
aber ist die Freude au der Sonne der Vorliebe für
Stimmungen gewichen, wo ein Dunstschleier über der
Landschaft liegt, für die Poesie der Dämmerung
und des trüben Tages. Auf die Gefahr hin, den
Künstlern dadurch etwas Gewalt anzuthun, könnte
man zwei Nichtungen unterscheiden. Die eine liebt
den Hellen Tag, aber dann, wenn die Sonne von
leichten Mölkchen verhüllt ist, wenn ein feiner
Silberton wie ein zarter Nebel über der Landschaft
liegt. Line der sympathischsten Künstler dieser Art
ist Llary (M.). Auf seinem größten Bilde sehen
wir vorn eine Miese mit aufgespannten Fischernetzen,
dann den Fluß und dahinter die Stadt. Die grünen,
blauen und grauen Töne find wunderbar zart ab-
gestimmt; es ist ein echtes Stimmungsbild aus der
französischen Tiefebene. Oder Iettel uralt auf
einem seiner schlichten Bilder einen Dorfweg, der
zwischen ein paar alten Kütten und einer Miese mit
Silberpappeln hindurchführt. Alles Schwergewicht
liegt auf den feinen Uebergangsnoten vom Silber-
grau zum matten Grün. Le Tamus, Latenay,
Hellen erzielen ähnliche Mirkungen. Maren bei
diesen Malern Grau, Graublau und Mattgrün die
Dominanten, so sind bei der anderen Richtung, den
Malern des Dämmerlichtes, Braun, Violet oder
Dunkelblau und ein tiefes bräunliches Grün die
Hauptnoteu. Thaulow (M.) ist mir ihr liebster
Vertreter. Die Befürchtung, die Viele hegten, daß
dieser leicht schaffende Künstler zu rasch und fabrik-
mäßig schaffen würde, hat sich glücklicherweise nicht
bestätigt. Lin Bach mit einer kleinen Brücke und
uralten Bäumen im Mondschein; dahinter ein paar
Häuschen, aus denen ein einsames Licht erglänzt. . .
Line alte Fabrik am Ufer der Somme, über die lang-
sam der Abend sich senkt: Das sind zwei für ihn
charakteristische Bilder; Stimmung ohne Sentimentali-
tät, im Gegentheil ein männlich ernster Geist spricht
aus ihnen. Taz in (M.) gilt für den unerreichten
Meister in dieser Gattung. Ich kann mir nicht
helfen, ich finde seine neuesten Sachen etwas
manierirt. Ob er Regen oder Sonnenschein malt,
immer hat er dieselbe allerdings ungemein har-
monische Farbenskala. Ltwas von der viel be-
rufenen „braunen Sauce" ist in seinen Bildern.
Billotte, Boulard, Dauchez (M.), Tlermont, Gosselin
(L.), seien rühmend genannt. Die Grenzen sind
natürlich durchaus uicht scharf zu zieheu. Künstler
wie jDointelin (L.), vaysse, Tremerie (M.) könnte
man ebenso gut zu einer wie zur anderen Richtung
zählen. — Unter den Marinemalern steht immer
noch Mesdag obenan, der drei Bilder gesandt hat;
einen herrlichen klaren Bergsee hat Humphreys
Iohnston ausgestellt (M.). Schlichte aber anziehende
Motive, innige Lmpfindung ohne Sentimentalität,
sanfte, harmonisch abgestimmte Valeurs, das siud
die Kennzeichen der Landschaftsmalerei, wie sie sich
dieses Jahr in den Salons offenbart.
Zusammenfassend ließe sich über die Malerei
sagen, daß die Ausschreitungen sehr abgenommen
haben, daß das Neue nicht mehr als Lndzweck
sondern als Mittel zum Zweck aufgefaßt wird. Die
moderne Kunst beginnt ruhiger zu werden.
Noch ein Mort über die deutsche Malerei. Die
Betheiligung der Deutschen an den Salons nimmt
mit jedem Jahr ab. Voriges Jahr wurde schon
Uhde vermißt, diesmal fehlen auch Liebermann und
Kühl. Ls wäre unter diesen Umständen besser,
wenn die Leute zweiten und dritten Ranges künftig
auch abstehen wollten. Mir wollen die deutsche
Kunst würdig oder gar nicht vertreten haben. Sonst
macht sich das hiesige Publikum eine ähnlich falsche
Vorstellung von ihr wie das deutsche nach der vor-
jährigen Berliner Ausstellung von der französischen
Kunst.
Die Hastellkunst hatte ihr bestes Können auf
der neulich besprochenen Sonderausstellung nieder-
gelegt. Auch die Aquarellisten geben sich keine
Mühe, hier den Mettkampf nut der Oelmalerei auf-
zunehmen. Hontet de Mouvel ist ein besonderer
Saal eingeräumt worden (M.). Seine Kinderbilder
und seine Märchenillustrationen (so der Fuchs und der
Storch) sind anziehender als seine etwas überschätzten
archaisirenden Aquarelle zur Geschichte der Jungfrau
von Orleans. Von den Zeichnungen seien Re-
nouards jugendfrische Kinderszenen, Morrens weib-
liche Akte, Lhermitte's „bearnesische Näherin" und sein
„Dürerhaus", endlich die wildphantastischen Illu-
strationen des Italieners Grazi zu Hoö und Jean
Lorrain hervorgehoben. Unter den Stechern stehen
Tarriere, Braquemond, Ieanniot, Koepping, Hellen
immer noch obenan. Von den jüngeren seien Michel
Tazin und Löandre genannt.