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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 15
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Gensel, Otto Walther: Pariser Kunstbericht, [3]
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Dworaczek, Wilhelm: Wiener Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0266

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230

Die Aun st-Halle

Nr. s5

dalena" ist eine tiefblaue Symphonie des ersten
Morgengrauens von mächtiger Wirkung. Besnard
hat eine große Anzahl seiner trefflichen Frauenstudien
ausgestellt. Lhermitte's Szenen aus dem Bauern-
leben sind seinen früheren Werken ebenbürtig, fügen
aber dem Bilde des Meisters keinen neuen Zug
hinzu. Bei Durand-Ruel hat gleichzeitig Albert Buffy
eine große Anzahl stimmungsvoller aber ein wenig
eintöniger Pastell-Landschaften aus den Alpen aus-
gestellt. Bei Vollard sind die Werke einiger Nltra-
moderner wie Nanson, Denis, Sörusier zu sehen. Man
kann sich den Lindruck ungefähr vorstellen, was
soll man dazu sagen, wenn ein ernster Künstler wie
Vallotton, der im Holzschnitte theilweise vorzügliches
leistet, von zwei ins Bad steigenden Jungfrauen, die
eine gelb, die andere rosa anstreicht — das ist das
richtige Wort. — Neber derartige Kinderkrankheiten
sollte die neue Kunst doch nun bald hinaus sein.
Walther Geusel.
U

Wiener ILayskbriek.
Die XXV. Zahresausstellung im wiener Künstler-
hause hat ihre Pforten eröffnet, was gegen die
vorhergehenden Zahre vor allein angenehm auffällt,
ist die weit geringere Anzahl der ausgestellten Bilder.
Die Zurv ist Heuer sehr streiige gewesen. Mehr als
tausend Bilder sollen refusirt worden sein. Dadurch
sieht man zwar nicht mehr Gutes, dafür aber doch
weniger Schlechtes. Freilich hätte bei alledem noch
ein großer Theil wegbleiben können.
Man gewinnt vor allem den Lindruck, daß wir
noch lange keine moderne Kunst in Wien haben,
und auch noch auf lange Zeit hinaus keine erhoffen
dürfen, Hie und da mahnt allerdings ein glücklicher
Wurf, daß viele Künstler von ehrlichem wollen
beseelt sind, aber die wienerische Note scheint das wirk-
lich Neue nicht rechte wurzeln schlagen zu lassen.
Bei der Plastik ist es diesmal ein Pariser, der
unser Hauptaugenmerk auf sich lenkt: V. Vallgren.
Seine Kleinplaftiken: Hausgeräthe mit bildnerischen:
Schmuck sind von außerordentlicher Ligenart. Ls
sind kleine Krüglein, auf welchen Frauengestalten hin-
gekauert sind, ein Thürklopfer, gleichfalls eine schlanke
weibliche Gestalt, und ähnlicher Zimmerschmuck nut
plastischer Ornamentik. Zn eigenartiger weise ver-
schwimmen hier Körper und Kleidung in weichen,
feinen, beinahe zärtlichen Linien. Ls athmet alles
so fremden Zauber, so seltsame Anmuth, daß man
nicht ohne Bewegung bei diesen Meisterwerken der
Kleinplastik verweilt. Alan fühlt, daß die Liebe
zum todten Gegenstand zur unbeseelten Materie durch
diese Figürchen zum Leben erwacht, daß uns alle
diese seltsamen Hausgeräthe und Zierarten unendlich
lieb werden könnten, gleich stummen Freunden, die
wir immer um uns haben wollten. Der Zauber
des Milieu's hat in der Kunst Vallgrens Gestaltung
gefunden.
Arthur Strasser, dessen vorjähriger „Maro
Anton" so große Bewunderung erregte, hat das
Monumentale dieses Werkes noch überbieten zu
müssen geglaubt. Damit scheiterte er aber, denn
was in jenem Werke Wucht und Lindringlichkeit
war, wirkt bei seiner Amazonenkönigin, einem fett-

süchtigen Kolossalweib, das auf einen: Stuhle zwischen
zwei Löwen thront, brutal, wie die Kraftmimiken
eines Athleten. Man fühlt, wie der Künstler die
Arme einstemmt und mit dem Athem pustet. Seine
Schwerttänzerin steht gleichfalls hinter feinen früheren
Werken ähnlichen Genres zurück. Ls sieht fast aus,
als hätte er in seiner Hyperthropie der monumen-
talen Kunst die leichte Hand verloren, die bei seinen
früheren polychromen Plastiken die Materie so an-
muthig zu bewegen wußte. Die Schwerttänzerin ist
noch immer ein gutes Werk, aber kein guter
„Strasser".
Lmil Fuchs ist entschieden ein beachtenswerthes
Talent. Aber seiner Tragik ist eine starke Dosis
Absichtlichkeit beigemengt, oft keine naive instruktive
Kunst. Das technische Können steht bei dem jungen
Künstler auf hoher Stufe. Das Gleiche kann von
T. F. Nies hehauptet werden, einer jungen Schülerin
Ldm. Hellmer's, die schon in den Vorjahren durch
ihre Ligenart Aufsehen erregte. Zhr „Luoifer" ist
genial modellirt. Die Konoeption ist freilich etwas
bewußt eigenartig. Lunge „Sachverständige" waren
begeistert und erklärten, die Künstlerin habe den
Nietzsche'schen Uebermenschen plastisch verkörpern
wollen. Da kamen sie aber schlecht an. Frl. Nieß
ließ sich diesen schmeichelhaften Kommentar ihrer
Zdee nicht gefallen, und erklärte rundweg, daß sie
noch keine Zeile Nietzsche's gelesen habe. Dagegen
läßt sich freilich nichts einwenden, und man muß sich
entschließen, den ins Menschliche übersetzten Satan
des Frl. Nies ohne Hilfe tiefsinniger Kommentare
zu bewundern. Peter Breuer in Berlin und Arthur
Kaan sind beide mit vorzüglichen Arbeiten vertreten.
Die Malerei bietet keine großartigen Neber -
raschungen. Unter den Portraitisten ist Leopold
Horovitz an erster Stelle zu nennen. Sein Bild
Kaiser Franz Zosefs I. in der österr. Marschalluniform
ist von außerordentlicher Feinheit. Mit der ihn:
eigenen Art, die wir in diesen Blättern schon ein-
gehend gewürdigt, hat Horovitz eine Fülle intim-
charakteristischer Züge des Monarchen in: Bilde fest-
gehalten. Seine vornehme, nicht aufdringliche Technik,
sein feiner Farbensinn und die frohe Schöne seiner
Auffassung wirken bestrickend. Den Vogel hat
Horovitz diesmal nut einen: Frauenbildniß, den:
portrait der Gräfin potocka, abgeschossen. Ls ist
das geistreichste und vornehmste Damenportrait, das
seit Jahren in der wiener Ausstellung zu sehen war.
Auch Marie Nosenthal hat in drei portraits, zwei
Herrenbildnissen und einem Damenportrait, Vor-
zügliches geboten. Das Frauenbild will uns freilich
in Arrangement und Toilette ein wenig vergriffen
erscheinen. Pochwalsky hat uns wenig Neues zu
sagen. Ls ist merkwürdig, wie dieser so viel ver-
sprechende Portraitist von Zahr zu Zahr weniger
interessant erscheint. Sollte er seine Wirkungen schon
ausgegeben haben? Lin Herrenportrait von Konopa
hat außerordentlich flotte Verve und originelle
Koloristik. Ls liegt ein leiser brauch von Karrikatur
darüber, der aber nicht stört, sondern der Arbeit
einen helleren Zug giebt.
Mnberto Veruda's „Lpilog" ist ein bedeut-
sames Bild: Vor einem Sarge, der eine todte Frau
umschließt, liegt ein alter Mann, den Kopf in die
gefalteten Arme gesteckt. Ls ist ein tiefer Akkord,
den der Künstler hier anschlägt, aber er wirkt ernst
und voll, wie gemalte Grgelmusik erscheint dieses
Bild. Die außerordentliche Kraft und Gedrängtheit
der Lpisode erweisen einen ernsten Künstler. Zu
 
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