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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 14
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Gensel, Otto Walther: Pariser Kunstbericht, [2]
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Conti, Aurelio: Römischer Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0247

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Nr.

- D i e A u n st - a l l e

2f3

den kunstgewerblichen Gegenständen des s8. Jahr-
hunderts; sind doch derartige Versteigerungen hier-
zu sehr an der Tagesordnung. Die japanischen
Sachen endlich waren sehr ungleich an Werth. Neben
Werken von allerhöchster Kostbarkeit befand sich
eine Unmenge Gegenstände, die man in jeden: leid-
lichen Bazar sür wenige Franken kaufen kann, und
bei denen nur der Name Gonoourt die Preise etwas
in die höhe trieb. Die Bilderbücher und Farben-
drucke mußten so zum Theil stoßweise losgeschlagen
werden. Nur ein paar Outamaro und hokusai
wurden theuer bezahlt. Nach den wirklich werth-
vollen Werken des Kunftgewerbes war dagegen die
Nachfrage der Liebhaber, unter denen sich übrigens
sehr viele Deutsche und Engländer befanden, sehr
groß; so besonders nach den altchinesischen Porzellan-
sachen und den wundervollen türkisenblauen Vasen
aus der Zeit des Hung-Tsching, nach den Poterien
des Ninsei und Naku und nach den Inros, jenen
entzückenden Medizinbüchschen, auf die der voruehme
Japaner so viel Werth legt. Zu den am heißesten
umstrittenen Sachen gehörte das berühmte Schreib-
zeug des Korin mit seinen: reichen Schmuck von
Blättern in Perlmutter-Inkrustation und Blüthen
in Goldrelief, eine Vase und ein Mandarinenszepter
in Bergkrystall, eine Vase in Nephrit, endlich jenes
entzückende, aus dem Reiche Liliput zu stammen
scheinende Kästchen in Lackarbeit, das in der lVIaisou
ckuu Xrtisto beschrieben ist. Preise von sOOO, 2000
und mehr Franken waren hier nichts Seltenes. In:
Ganzen haben die drei Versteigerungen annähernd
eine Million Mark eingebracht.

Römischer I^unskbriek.

Todten stehen wieder auf. . . Aber uicht um
der einzige:: edlen Seite seines verworfenen
Vorgängers Alexanders VI. Borgia zu huldigen, hat
Papst Leo XIII. kürzlich durch den Münchener Seitz
die unter dem Namen »^pparturuento Lor^ia« be-
kannte südliche Zimmerflucht des Vatikans restauriren
lassen. Es galt vielmehr, einen: ungewöhnlichen
kunsthistorischen Denkmal jenes frühere kostbare Ansehen
wiederzugeben, bevor die Mehrzahl dieser Gemächer
als päpstliche Bibllothek eingerichtet ward. Die
Fenster, die jetzt nut halbdurchsichtigen Glasscheiben
geschlossen sind, liegen hier durchweg an: Lortile des
Belvedere; sie siud groß geuug, um die wiederher -
gestellteu Wandgemälde, die stukkirten Decken u. a.
beurtheilen zu lassen. Der alte Künstler des »^.ppar-
tameuto Lor^ia« gehört zu deu bekauuten Meistern
an der Schwelle des f6. Jahrhunderts, der auch in:
Iugendleben Raffaels eine Rolle gespielt hat: Ber-
nardino pinturicchio. In: Jahre war er
von Grvieto nach Ron: gekommen und gleich von:
Papste für seine sechs vatikanischen Räume in An-
spruch genommen. Dank seiner fabelhaften Hand-
fertigkeit und guter Unterstützung durch geschickte Ge-
hilfen war er damit in nicht viel länger als andert-
halb Jahren fertig.
Die frommen Wandbilder Pinturicchios, die da-
mals freilich rasch durch die Leistungen der Schule
Raffaels verdunkelt wurden, gefielen schon dem
zehnten Leo nicht mehr. Er befahl daher, die

Fresken des alten umbrischen Meisters aus dem erste::
Raum, der an den berühmten Konstantinssaal der
Raffaeliten stößt, zu eutfernen; und in seinem Auf-
trage malten sogleich Giovanni da Udine und
Perino del Vaga wohl nur diesen Saal von
Neuen: aus. Das Interessanteste des ganzen »Xppar-
tameuto« bleiben trotzdem die Bilder Meister Ber-
nardinos, die jetzt nach der Restauration in ihrer
strengen farbigen und zeichnerischen Durchführung
prangen. Fast nichts belebt eigentlich an diesen
Darstellungen, die der Gewohnheit der Zeit ent-
sprechend zumeist den: Kreis der heiligen- und Bibel-
legende entnommen sind, direkt die Erinnerung an
den päpstlichen Giftmischer, wenn man etwa von
einigen Porträts und einer kurzen Inschrift Alexanders
absieht. Nur für den Geschichtskenner und Einge-
weihten nimmt die Luft in diesen Räumen, zumal iu
den: Sterbezimmer des unheimlichen Borgia, förmlich
Leben und Form an, und es steigen die durch sein
berüchtigtes weißes Pulver gemordete:: uud von ihm
beerbten Kardinäle gespenstisch aus dem Boden, zu-
sammen nut deu: wilde:: Tesare Borgia und seiner
Schwester Lukretia, die ja den Hauptreiz der scham-
losen Orgien ihres päpstlichen Erzeugers gebildet
haben soll... Und weichen endlich diese gespenstischen
Schatten, die seit vier Jahrhunderten diese Gemächer
nicht verlassen können — fällt das Auge dann rings
auf die gemalte Frömmigkeit der Wände, diese alte
umbrische Gefühlsseligkeit, die scheinbar rein gar
nichts von der sündigen Verlockung jener Tage ver-
standen hat, so überkommt uns Moderue hier doch
ein völlig anderes Gesühl, nämlich ein ehrlicher cle-
Zout vor solcher Verlogenheit, die mit den: heiligsten
nur phraseuhaft gespielt hat . . . Aber sehen wir
doch lieber näher zu, was Pinturicchio gemalt und
Weister Seitz so trefflich renovirt hat.
Im ersten Zimmer repräsentiren die Lünetten-
bilder, welche die Verkündigung, die Geburt Thristi,
die Anbetung der Könige, die Auferstehung u. s. w.
schildern, durchaus uoch nicht die künstlerische höhe
jener Zeit, weder nach der koloristischen Seite hin,
noch nut Bezug auf die Komposition, die zumal in
der „Geburt" sehr zu wünschen übrig läßt. Am
Interessantesten ist für uns innerhalb dieses Tyklus
jedenfalls die knieende Porträtfigur Alexanders auf
dein Bilde der „Auferstehung". Ungleich tüchtiger
erscheint der Pinsel des umbrischen Kleisters in dem
zweiten Saal. Da sieht man in den Lünetten die
„Heimsuchung", dann das heilige Paar St. Antonius
und St. Paulus den Eremiten; ferner zwei auf die
Sanktiunen Barbara und Juliana hinweisende Schil-
derungen, eine Halbfigur der Madonua, angeblich
nut den Zügen der Giulia Farnese, der Geliebten
des Papstes u. in. a. Das Beste dürfte hier aber
die gegenüber der Fensterseite ausgeführte Malerei
sein, die der Legende der heiligen Katharina gilt und
deren sieghaftes Auftreten vor Kaiser Maximilian
schildert, ein auch als Trachtenbild recht bemerkens-
wertes Fresko. In: dritten Raun: nehmen an:
meisten die Allegorien der sieben freien Künste, Musik,
Rhetorik, Grammatik, Dialektik, Arithmetik, Geo-
metrie und Astrologie, die Aufmerksamkeit des Be-
schauers in Anspruch. Den: vierten Zimmer, das
außer der Jahreszahl noch die Inschrift:
„Alexander Borgia P. P. VI. fundavit" enthält,
giebt einer langen Serie von Halbfiguren der Pro-
pheten und Sibyllen das eigenthümliche Gepräge.
Selbst die „Planeten" im fünften Zimmer mit den
beigefügten genreartigen Darstellungen, die man viel-
 
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