Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

DOI Heft:
No. 22
DOI Artikel:
Kunstchronik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0396

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
»rD D i e A u n st H a l I e

3^6

Nr. 22

Ikunstcdronik.
Berlin. Unser Kunstleben steht wirklich setzt im
Zeichen der Sauren Gurke. Am 2. August sollte nach
Zeitungsmeldungen unsere Große Kunstausstellung
bereits ihre Pforten schließen, und dann wurde, nachdem sich
zahlreiche Säumige schnell noch entschlossen, den Moabiter
Glashallen einen Abschiedsbesuch abzustatten, der zuerst
lanzirten Nachricht energisch widersprochen. Solche ver-
frühte Todtsage hat immer etwas verdächtiges, bei weg-
gegangenen Galleriedirektoren, wie bei Großen Kunstaus-
stellungen. Man will sich da bei Lebzeiten nur einen an-
ständigen Nekrolog sichern. . . . In ähnlich wirksamer
weise haben in diesen Tagen manche Künstler zur süßen
Reklame gegriffen und die presse renommistisch zu Bor-
spanndiensten herangezogen. Da telegraphirt z. B. ein
Maler Leipold, nachdem auch er von der „Seeschlange"
des holländischen Kapitäns erfahren, aus der Gegend des
Weißen Meeres flugs hierher, daß Andree wahrscheinlich
verunglückt sei. Neben diesem Maler, der so den Unglücks-
raben spielt, macht sich auch eiu Glücksrabe bekannt. Lin
Orientmaler schenkt seine abgelegten Bilder dein reichen
Berliner Magistrat, der doch seine Kunstbedürfnisse be-
zahlen kann, und läßt — umsonst ist nur der Tod — über
das Lreigniß drei Mal ausführliche Berichte an die Ber-
liner Blätter versenden. Den Kleinen hat man diesmal
sogar einen Großen angehängt, nämlich Friedrich Ge-
selschap. von ihm verkündigten die Zeitungen, er habe,
nach dein Muster launenhafter Primadonnen, zwar nicht
dein „perrn Direktor" den Kontrakt vor die Füße ge-
worfen, wohl aber, in Folge eines Monitums wegen
unterlassener Urlaubsmeldung, erklärt, nicht länger „Se-
nator" aii der Akademie mitspielen zu wollen, hinterher er-
läuterte der amtliche „R. Anz." den Austritt allerdings mit den
üblichen „Gesundheitsrücksichten". Der tiefere Grund
ist damit freilich nicht aus der Welt geschafft. Und die
Hauptsache, die Moral dieser lehrreichen Geschichte:
Willst Du, biederer Künstler und amtsmüder Würdenträger,
resigniren, so resignire niemals im Stillen, sondern stets vor
der Oöffentlich? eit, mag der Eklat auch einen so ver-
söhnlichen, liebenswürdigen und vornehm gesinnten Mann
treffen wie den gegenwärtigen preußischen Kultusminister.
* Berlin. Die stä dtisch e D ep u tati o n für Ku n st -
zwecke, der seit dein Ltatsjahre tSHZ/dH die Summe vvn
500 000 Mk. zur Verfügung gestellt wurde, hat hiervon
erst 385 H62 Mk. verbraucht, wobei indeß zu bemerken ist,
daß noch einzelne Restzahlungen für bereits bestellte Kunst-
werke in der Aufstellung der bisherigen Ausgaben fehlen.
Jedenfalls verfügt die Deputation z. Zt. über die an-
sehnliche Summe von ca. tvo ooo Mk., und da zu Gunsten
der Verschönerung der pauxtstadt gegenwärtig kein besseres
Werk gethan werden kann, als der Hauptverkehrsader des
Berliner Westens, der Potsdamer Straße, ein ihrer
Bedeutung entsprechendes architektonisches Aussehen zu
geben, so möchten wir Vorschlägen, daß die Deputation
eine nationale Konkurrenz behufs Erlangung von Skizzen
und Entwürfen zur architektonischen und bild-
nerischen Verschönerung der Straßenecken in der
potsdamersiraße ausschreibe. Einer derartigen Konkurrenz
verdankt z. B. das moderne Brüssel die berühmte Schön-
heit ihrer inneren Boulevards. Man verstehe uns übrigens
nicht falsch, wir knüpfen an solche Konkurrenz nicht etwa

die übertriebene Meinung, als ließen sich die architek-
tonischen Sünden, die seit etwa zwei Dezennien, im Schutze
der leider gefallenen Baumreihen jener Straße, begangen
wurden, von heute schon bis nächstes Jahr tilgen; solcher
Optimismus wäre gewiß nicht unsere Sache, wir glauben
nur, daß bei der Baulust der Berliner Pausbesitzer künst-
lerische Anregungen ungewöhnlicher Art sehr bald Früchte
tragen müssen. - Eine hiesige Tageszeitung, das Kl.
Journal, hat die Einrichtung getroffen, daß ihre In-
serenten aus Industriekreisen in ihren Räumen imEquitable«
Palast Ausstellungen eigener Fabrikate veranstalten dürfen.
So sieht inan dort u A. eine prachtvolle Speisezimmer-
Einrichtung der Sozietät Berliner Möbeltischler,
Arbeiten aus dem kunstgewerblichen Atelier der Frau
Käthe Ney und eine pompöse Decke von farbenreichem,
mosaikartigen Charakter. Die Urheberin dieses Kunst-
werkes ist Frau Clara Cohn, Tempelhofer Ufer H. Die
Decke mißt H Meter in der Länge und 2,5o Meter in der
Breite und eignet sich sowohl als Wandschmuck wie auch
als Paradehülle über eine Chaiselongue oder dergleichen.
Die Fläche ist, wie M. R. bemerkt, ingeniös aus einer
beträchtlichen Zahl etwa handgroßer Stücke von bunten
Sammet-, Seiden-, Atlas- und Tuchstücken komponirt, das
ergiebt ein Mosaik in den verschiedensten Farben. Das
Ganze ist nicht geometrisch gemustert, sondern die Einzel-
theile sind von unregelmäßiger Gestaltung, theils rund,
theils eckig oder polygonal, da stehen tiefdnnkle neben
hellglänzenden Farben, weicher Sammet neben brillanter
Seide. Je nach der Farbe und Größe der Theilchen sind
mannigfach wechselnde Darstellungen gewählt, orientalisch
stilisirte, archaistische, naturalistische oder schematische
Sächelchen wie ein Segelschiff, ein Perz, ein Pfau, Pfauen-
federn, eine Kanne, Früchte, ein Storch, ein Lnftballon,
eine Palette, Rosen, Nelken, Stiefmütterchen und viele
andere Dinge mehr die kreuz und quer in die punderte
gehen, sehr zierlich und sauber gearbeitet sind und einen
immensen Fleiß erfordert haben müssen. Nach den Rändern
hin ebbt sich die Farbenfluth sänftiglich ab zu einer straffen
vielfarbigen, aber im Ganzen ruhig wirkeudeu Bordüre,
die durch wagerechte parallele Streifen getheilt ist.
* Düsseldorf. Die pofkuusthandluug von Bis-
meyer 6c Kraus veranstaltet Mitte Oktober in den
Räumen des hiesigen Kmtstgewerbemnseums in Gemein-
schaft mit der Leitung desselhen eine internationale Aus-
stellung von Maler-Lithographien und Plakaten.
Bei dein außerordentlichen Aufschwung, welchen die Litho-
graphie in den letzten Jahren in Deutschland, Frankreich,
England re. genommen hat, dürfte die Ausstellung lehr
anregend wirken, zumal sie die erste ist, welche in Deutsch-
land veranstaltet wird, und die moderne Kunst dieser
wirkungsvollen Technik eine große Theilnahme entgegen-
bringt.' Ls besteht die Absicht, bei dieser Gelegenheit außer
einer Gesammtausstellung der modernen Lithographie einen
Ueberblick über die Entwickelung derselben seit ihrer Er-
findung durch Senefelder zu geben und werden alle Kunsi-
liebhaber, in deren Besitz derartige ältere Lithographien sich
befinden, um leihweise Reberlaflung derselben gebeten. Die
künstlerische Anordnung haben die perren Maler A. Frenz,
Prof. Geder, Prof. F. Roeber und Prof. A. Schill über-
nommen.
* Trier. Auf einem Privatgrundstück hat man, nach
der Köln. Itg., unlängst die Fundamente eines sehr vor-
 
Annotationen