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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 20
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Fuchs, Georg: Internationale Kunst-Ausstellung in München
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Stahl, Fritz: Grosse Berliner Kunstausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0356

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D i e R u n st-a l l e

Nr. 20

voller als sein „L. F. Meyer." Seine „Sterbende
Sphinx" in getöntem Marmor und der überlebens-
große Kopf „Eva" zeigen ibn auf dem Wege zu
einer eigenartigen architektonischen Elastik, welche
die Aufmerksamkeit unserer Baumeister verdient.
Im Allgemeinen bestätigt auch die Elastik den
Gesammteindruck, den wir bereits im Eingänge
unserer Ausführungen andeuteten: daß nämlich die
Entwickelung der deutschen bildenden Runst einem
»suste milieu« zuströmt. Nur wenige, die sich auf
Grund moderner Technik und modernen Empfindens
zur Abgeschlossenheit und Reife zu erheben suchen.
Bei den meisten, und leider auch bei der Ueberzahl
derer, welche vielversprechend begonnen, eine Ver-
flachung des Empfindens und eine Verflachung des
Handwerks, welche in uns beinahe die Sehnsucht
nach den unausgeglichenen Geniestreichen, nach den
gesunden, wenn auch oft rohen Naturlauten der nun-
mehr durch die Wiedervereinigung im Glaspalast
abgeschlossenen Periode der Münchener Runst wachruft.
Grosse
Hsrliyer I^aystkuisstellayZ.
Ven Fritz ^tabl.

II.


Niveau der Ankäufe in enger Beziehung.
Das könnte man mit theoretischen Gründen beweisen,
wenn nicht die einfache Erfahrung die Mühe über-
flüssig machte. Namentlich in dieser Ausstellung ist
es sehr lehrreich, einmal nur den Zetteln „Verkauft"
nachzuwandern, und ich empfehle es besonders den
Freunden der rein lokalen Ausstellungen. Die un-
leugbare Steigerung des Geschmacks, die man an
den Ankäufen der letzten beiden Jahre nut Freuden
konstatiren konnte, ist völlig wieder in Frage gestellt.
Noch einmal eine solche Ausstellung, und wir sind
genau wieder auf dem alten Standpunkt angelangt:
Das Publikum ist auf den Ritsch zurückgekommen.
Besonders bezeichnend ist ein Beispiel aus der Plastik.
Die Abtheilung ist, nähere Betrachtung hat nur diesen
ersten Eindruck nur bestätigt, reich an Arbeiten
hoffnungsvoller Talente. Nicht einer von diesen
allen ist durch den Ankauf eines Merkes gefördert
worden. Dagegen ist ein süßliches, recht unkünst-
lerisch angemaltes Rinderköpfchen nicht weniger als
sieben Mal verkauft worden.
Als die reifste, ausgeglichenste Arbeit erscheint
mir die Gruppe „Der verlorene Sohn" von Bern-
hard peising, der, wie ich höre, noch Meister-
schüler der Berliner Akademie ist. Der heimkehrende
Sohn ist voll Scham und Reue zu Boden gesunken;
er verbirgt die Augen hinter dem erhobenen Arm.
Da tritt der Vater zu ihm, nut stiller Milde neigt er
sich dem Verlorenen und sucht ihn mit sanfter pand
aufzurichten. Seine Verzeihung erscheint als die
nothwendige That dieser Persönlichkeit. Reberhaupt
sind beide Menschen in ihrem Charakter und in ihrer
augenblicklichen Stimmung erschöpfend geschildert.
Bei dem Sohn spricht mehr die ganze bsaltung, bei

dem Vater sprechen besonders die wundervoll ge-
gebenen pände. Diese pände konnte mit solchen:
Ausdruck und mit so einfachen Mitteln nur ein echter
Rünstler schaffen. Sie beweise:: vielleicht noch mehr
als der auch vortreffliche Akt. Die Gruppe ist rund
gesehn und zeigt von allen Seiten eine kraftvolle und
charakteristische Silhouette. Nur eines fehlt dem
jungen Rünstler noch, was er der Natur der Sache
nach eben auch nicht haben kann: Das ist Freiheit.
Namentlich in der Figur des Vaters ist das Modell
nicht überwunden. Aber inan darf nach dieser Arbeit
eine gesunde Entwicklung erwarten.
Eine freiere Beherrschung des Rörpers zeigt die
Gruppe Ernst Seger's „Das verschleierte Bild zu
Sais". Leider kommt der ausgezeichnete Akt nicht
zur verdienten Geltung, da das unglückliche Motiv
nicht nur dem Eindruck des ganzen Werkes schadet,
sondern auch mittelbar eine etwas theatralische
bsaltung des Jünglings veranlaßt hat. Sieht man
aber davon ab, so findet inan in dem Akt nicht nur
die Probe eines starken Talents, sondern auch eines
bedeutenden Rönnens.
In ähnlicher weise wie Seger krankt auch der
sehr begabte pugo Lederer an litterarischen Ab-
sichten. Ich möchte nach schlechten Erfahrungen, die
ich mit solchen Theorien gemacht habe, nicht sagen,
der Bildhauer könne solche Dinge nicht ausdrücken.
Aber ich werde vom Gegentheil erst überzeugt sein,
wenn ich es sehe. Lederer's große Gruppe „Schick-
sal" widerlegt meine Zweifel nicht. Eine mächtige
Frauengestalt schreitet vorwärts. Ihre Augen sind
mit hartem Blick geradeaus gerichtet. Sie schleppt
mit der Rechten ein Weib, mit der Linken einen
Mann, die entsetzt dem Verhängniß entgegenstarren.
Der Mann sucht vergebens, den schreitenden Fuß
zurückzuhalten. Der Gedanke ist nicht ganz gerade:
nicht alle schleppt das Schicksal dem Unglück ent-
gegen. Aber was der Rünstler wollte, hat er klar
und ergreifend ausgedrückt: Die eherne Unerbitt-
lichkeit spricht aus dem Antlitz und der Bewegung
der Schicksalsgöttin, die Hilflosigkeit aus den ge-
schleiften Rörpern und den stieren Blicken der Opfer.
Auch die Arbeit ist ausgezeichnet und zeugt von
sicheren: Rönne::. Aber die Gruppe ist nur in der
Vorderansicht möglich, von der Seite wirkt sie
unschön.
Unter den Versuchen in großen: Stile verdient
noch eine Rolossalfigur „Die Trauer" von p. von
Glümer Beachtung. Sie ist als Grabdenkmal ge-
dacht und scheint mit einer recht erheblichen Zahl
anderer Arbeiten, die dieselbe Bestimmung haben,
dafür zu spreche::, daß inan in Berlin mehr als bis-
her auf einen künstlerischen Schmuck der Friedhöfe
Werth zu legen beginnt. Eine mächtige Frauen-
gestalt lehnt an einer Grabstelle und schaut in schmerz-
liches Sinnen verloren aus einen Rranz in ihren
Lsänden. Das Ganze ist in der Stimmung sehr
wirkungsvoll, und Ropf und Oberkörper sind auch
gut in paltung und Arbeit. Aber die etwas ge-
künstelte Stellung, die Verquickung von Rundbild und
Relief und offenbare Fehler in der püfte stören er-
heblich.
Unter den kleineren Arbeiten fällt namentlich
ein „Sandalenbinder" von Nik. Friedrich auf, der
außerdem auch einen feinen Iünglingskopf ausge-
stellt hat. Beide Arbeiten sind in Rom entstanden,
und der junge Rünstler gehört, wenigstens geistig,
zu dem Rreise der pildebrandt, Tuaillon, Volkmann.
Das einfache, echt plastische Motiv und der große
 
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