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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 13
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Wirth, Albert: Ueber Tempera-Malerei
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Cossmann, Paul Nikolaus: Aphorismen
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0230

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Die Run st-Halle

Nr. sZ


der Oelfarbe flüchtige chtinrmungen und Helligkeit
schneller und sicherer erreicht werden.
Benn Portrait und beim Genre bedienen sich
viele Künstler der Temperamalerei zunächst als
Untermalung, zur bservarbringung maucher Isalb-
töne, welche stehen bleiben und nur durch Aufsetzen
von Lichtern in Oelfarbe im fertigen Bilde großen
Beiz Hervorrufen. Zin Grunde genommen, wird die
Temperafarbe durch das Firnissen ja zur Harzfarbe,
also der Gelfarbe gleich, weil sie vom Firniß durch-
drungen wird, hat sie Lasurfähigkeit und Durch-
sichtigkeit, erreicht aber die Oelfarbe in Hellen
Tönen nicht.
Naturgemäß wird sich jeder Künstler die-
jenige Malweise wählen, womit er in seiner Richtung
zur Erreichung seines Zweckes das günstigste Re-
sultat erzielt; daher fiudet mau auch, daß mancher
Künstler das eine Rial Tempera, das andere Mal
Oelfarbe anwendet, und je nachdem er Bilder inalt,
sich seine eigene Technik schafft. Zeb habe einen
Maler gekannt, welcher lange bevor das Lyftein
Pereira allgemein bekannt war, große Decken- und
Wandbilder (figürlich) in Leimfarbe malte, firnißte
und in Oel vollendete, was jenem System ganz
ähnlich ist. Ts kann dies aber eben nicht Zeder -
und es gehört zu allem Uebung und Erfahrung.
Nicht unwichtig ist es übrigens zu wissen, daß
Temperafarbe ganz verschiedene Anwendung findet
für Monumental- und Dekorations - Malerei. Zn
der Bilder-Malerei kennt inan sie nur gefirnißt. -
Zn der dekorativen Kunst aber nur matt — ohne
Firniß, wir sehen also Leinwand und Bteinwand
haben ganz verschiedene Ansprüche. Auf der Mauer wird
die Temperafarbe ohne weiteres angewendet und
schon jeder Dekorationsmaler kennt sie, und was
noch mehr ist, macht sich seine Tempera selbst zu-
recht als Bindemittel. Li, Lssig und etwas Oel-
firniß wird hierzu verwendet, es giebt da Dutzende
Rezepte.
Besonders wird Temperafarbe als Ergänzung
für Leimfarbe zur Fertigstellung feinerer Malereien
anaewendet, bei Deckenbildern, Wandbildern und
bei Theatervorhängen, überhaupt für figürliche
Malerei und für Blumen. Lie wirkt matt wie
Leimfarbe und besitzt große Leuchtkraft. Zch erinnere
an den Vorhang im Königlichen Opernhause von
Prof. A. v. Heyden. Gier sind die großen Flächen
in Leimfarbe angelegt und die Figuren in Tempera-
farben fertig gemalt. Ungefirnißt, also matt wie
Leimfarbe, wirkt sie hell und leuchtend ohne Gegen-
sätze und ist auch von der Leimfarbe nicht leicht zu
unterscheiden. Auch bei waud- und Deckengemälden
wird sie zur Fertigstellung des Bildes benutzt.
Die Temperafarbeu werdeu übrigens wie Oel-
farben in Tuben gefüllt, und fast alle Künstlerfarben-
Fabriken liefern dieselben für den Gebrauch... Ze
nachdem also der Zweck der Malerei ist, wird die

Tempera ganz verschieden angewendet. Bei
Staffeleibildern muß sie gefirnißt werden und hat
dadurch deu Tharakter der Oelfarbe. Zn der de-
korativen Kunst hat sie ungefirnißt den Tharakter
der Leimfarbe, was vielleicht Manchem noch un-
bekannt war. Hier allein dürfte sie ihren Platz
nach wie vor behaupten.

Aphorismen.
Künstlerischer Takt.
Kunst treiben heißt Takt üben. Mit Takt ist
die Größe, das Format der Figuren zu wählen, mit Takt
ein bestimmtes Maaß der Ausführung, ob durchgeführt
oder Skizze, zu wählen und festzuhalteil. Takt ist ja auch
im Leben die Grundbedingung eines sozusagen künstlerischen
Verhältnisses der Menschen zu einander. Die Leute, welche
Takt haben, sind die wahren Aristokraten der Menschheit,
und da auch die Künste alles Rohe und verworrene sich
fern halten müssen, ist die aristokratische Eigenschaft des
Taktes auch ihnen unentbehrlich. Man sehe nur, mit
welchem Takt Rubens es anstellt, kleine, winzige Nymphen
in einem Walde erscheinen zu lassen, mit welchem Takt
er es darstellt, wenn er, wie auf dem kleinen Bilde in
der Pinakothek, mit seiner Frau spazieren geht, mit welcher
Zurückhaltung, mit welcher Pietät er ein Porträt inalt.
vollkommen schlicht steht, vor einem grauen Grunde, sein
Mann lieben einem Stuhle. So ist es auch bei Adriaen
Brouwer, den er so hochgeschätzt hat, daß er achtzehn
Bilder von ihm besaß. Der Takt, den er dabei zeigt,
stellt ihn neben die Griechen, denn, groß gemacht, wäre
dergleichen aufdringlich und unangenehm. Es kommt
ebeil alles auf das durchgebildete Gefühl, auf die zur
zweiten Natur gewordene Diskretion an: Mail soll
immer etwas weniger sagen, als inan sagen
könnte. * ... *
Zeder Mensch ist ein Unikum. Zeder hat etwas in
sich, was kein andrer hat, jeder kann etwas, was kein
andrer kann. Behandelt er nun sein spezielles Talent
sozusagen wie eine schöne perle, so kann er achtbar neben
den Besten stehen, wie ein bescheidenes aber zierliches
Blümchen neben der stolzen Lilie oder Lentifolie. Zeder
sollte über seiner Thür in goldenen Lettern schreiben:
was kannst du, das kein anderer kann?
Franz v. Lenbach.Z
Wirkung des Kunstwerks.
Es läßt sich nicht zählen, wie oft ein Sonnenstrahl
auf den tiefsten Grund des Meeres gelangt.
Zn Raffaels Madonnen sehen wir in erster Linie
die Madonna, in zweiter den Künstler; bei den Madonnen
der meisten andern ist das Erste was wir bemerken, die
Zndividualität des Malers; das Zweite erst der Gegenstand.
Z Aus einem Aufsatz der „Deutschen Revue":
w. wyl: „Franz von Lenbach's Erzählungen aus seinem
Leben."
 
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