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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 6
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Ernst; Lenbach, Franz von [Gefeierte Pers.]: Franz von Lenbach als Erzieher: zum sechzigsten Geburtstag
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Bierbaum, Otto Julius: Ein archaeologischer Aufsatz aus dem 30. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0102

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8^

—Die K u n st - H a l I e.

Nr. 6

vielleicht seinen s)latz am Ansang der modernen Ent-
wicklung finden. In diesem Werk ist Lenbach nur
Schüler der Natur und sAloty's. Und es sollen in
der Weimarer Akademie Studien des Weisters, der
sa vor der Reise dort Professor war, eristiren, die
in jeder Einsicht diesem Bilde verwandt sind. Der
Bildnißmaler hat Vieles vergessen dürfen, was er
früher erstrebt und gekonnt hat, darum brauchen wir
Anderen es nicht gering zu schätzen, wie er es
nun thut.
Die Anschauung Lenbachs hat, allerdings sehr
ohne seine Schuld und wider ihren eigentlichen Sinn,
in der jungen Generation eine unheilvolle Nolle ge-
spielt. Als man den Theil vom Studiren der Alten
aus Mißverstand und Unverstand nicht mehr für
richtig hielt, da blieb nur übrig, daß man das
Walen überhaupt nicht lernen könne, sondern daß ein
rechter Kerl es von Haus aus kennen müsse. Und
da man es Reinem verdenken kann, daß er sich für
einen rechten Kerl hält, so konnten sie alle, alle von
Haus aus malen. Daß sich Gott erbarm!
Es ist ja nun wieder besser geworden. Lehrer
sind eingetreten, die die Ergebnisse eigener Arbeit
nach der Natur weitergeben und damit das halt-
und sinnlose Herumtappen zum Theil beseitigt haben.
Eins aber fehlt doch den Weiften: das Walenkönnen,
das selbst die Modernsten an ihn: bewundern, die
Beherrschung aller technischen Wittel. Hier könnte
nun Lenbach's Rezept recht viel wirken. Hier und
da sahen wir schon in der letzten Ausstellung, wie
einzelne Künstler, Bildhauer besonders, aber auch
Waler wieder den Anschluß an die gute Tradition
suchen. Aber noch ist bei dem Wangel jedes Hin-
weises, jeder Anleitung bei den Walern keine rechte
Frucht zu sehen. Ich möchte, um nicht mißverstanden
zu werden, ausdrücklich sagen, daß ich nicht an ein
Archaismen, an ein Nachahmen alter Formen denke.
Nur das meine ich: wenn unsere jungen Künstler mit
ihrer Schulung an der Natur, nut ihrer verfeinerten
Beobachtung und ihrem tiefen Wirklichkeitsgefühl
durch das Nachschaffen alter Meisterwerke ihre Aus-
drucksmittel verfeinerten, es müßte eine Mischung von
edlem Klang geben, etwas gutes Neues. Ihnen
könnte das Kopiren im Lenbachsinne das geben, was
der Generation Lenbach die s)iloty-Schule gab. Es
ist für sie der einzige weg, da eine Schule in diesem
Sinne heute nicht eristirt, nicht eristiren kann: die
Modernen haben die Tradition verworfen, den
Hegern der Tradition fehlt die Fühlung mit dem
Neuen.
So könnte, wenn man Lenbach's Entwicklung
recht auffaßt, er dem jungen Geschlecht ein Erzieher-
werden, es dahin bringen, den neuen Anfang an das
alte Ende zu knüpfen, der neuen Kunst zu geben,
was sie dringend braucht, die technische Grundlage.
Wan braucht dabei durchaus nicht sich selbst aufzu-
geben, weder Tizian - Nachahmer noch gar Lenbach-

Nachahmer zu werden. Die alten Wittel dienen auch
jedem neuen Zweck.
Denkt man diesen Dingen nach, so kommt man
unwillkürlich zu der Frage, warum Lenbach nicht im
eigentlichen Sinne des Wortes ein Erzieher, ein Lehrer-
geworden ist. Ihn, so sollte man meinen, der so
schön von Reynolds und seinem Einfluß auf die eng-
lische Schule zu sprechen weiß, ihn hätte es reizen
müssen, eine ähnliche Rolle in seinem Lande zu über-
nehmen, das, was er durch seine Arbeit, durch un-
ablässiges Erperimentiren erworben hat, als Funda-
ment herzugeben, auf dem die junge Generation einen
herrlichen Bau errichten könnte. Er hat es ver-
schmäht. vielleicht weil er eben nicht mehr glaubt,
der Schule etwas zu verdanken und deshalb meint,
die Schule könnte nichts geben, vielleicht weil er
eben glaubt: wer lernen kann, kann direkt von den
Alten lernen, vielleicht auch nur, weil der Spezialist,
und gerade der im Horträt, nur einseitig Lehrer sein
kann, wie dem immer sei, es ist ein trauriger Ge-
danke, daß die ungeheure Summe technischer Er-
fahrungen, die sich doch trefflich übertragen läßt und
die die Künstler von verschiedenstem Streben sich
gleichmäßig nutzbar machen können, einst mit dem
Weister verloren sein wird.
Noch ist es nicht zu spät. Der sechzigste Ge-
burtstag findet ihn im Vollbesitz seiner Kraft, auf der
Höhe seiner Kunst, wenn er ruft, wie viele würden
seinem Rufe folgen! Er hat als Künstler seinem
Volke Großes gegeben, er könnte als Lehrer Unver-
gängliches wirken. Die alten Weister, die er so hoch
stellt, haben einen Theil ihrer Größe darin gehabt,
daß sie eine ganze Generation mit sich rissen, den
kleineren auch die Wittel liehen, so viel irgend in
ihnen war, auszusprechen. Es sollte ihren Verehrer
reizen, auch dariu ihr Jünger, auch darin „aus ihrer
Familie" zu sein.
wenn er es nicht will, mögen die Jungen aus
seinem Lebeu lernen, wie sie erwerben können, was
sein Wund verschweigt! Und ist die Zeit noch nicht
erfüllt: einmal wird in der Geschichte der deutschen
Kunst noch Lenbach als Erzieher zur Kunst wirken,
wie er als Erzieher zur Wahrheit schon gewirkt hat.
Hi

Ein archaeslogischer Kuffah aus dem
Ä). Jahrhundert.
von Gtto Julius Bierbaum.


Vorbemerkung.
ein Freund Droste ist ein Westfale und be-
hauptet, er sei ein Spökenkieker. Von Zeit
zu Zeit erscheint er in einem sehr aufge-

regten Zustande unter uns und murmelt düster:
„wieder so ein verfluchtes Vorgesicht!" Fragt man
 
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