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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 12
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Pauli, Gustav: Der letzte Klassiker des deutschen Holzschnittes
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Schmarsow, August: Der Barockstil in der darstellenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0209

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Nr. (2

Die K u n st - p a l l e

N9

und Otto Lckmann. wirklich ist auch alles sehr
stilvoll, was von und nach diesen dreien geschnitten
ist. Jeder gebildete Kunstfreund muß sich daran
freuen. Allein einen unschätzbaren Vorzug des
alten — auch des neueren klassischen polzschnittes
haben diese Blätter eingebüßt; sie sind nicht mehr
volksthümlich. Walter Trane hat zwar ein großes
Blatt mit einem Triumphzug, sehr schön in polz ge-
schnitten, ausdrücklich den Lohnarbeitern aller Nationen
gewidmet.
Allein, daß die „Genossen" die Gabe gebührend
gewürdigt hätten, habe ich noch nie vernommen.
Die Zukunft gehört der mechanischen Neproduktion
und unser klassischer Holzschnitt gehört der Ver-
gangenheit an. Zugleich mit dem alten pugo
Bürkner hat man jenen zu Grabe geläutet. —

Der Kurockstil
in der darstellenden Ikunst").
von Pros. August Schmarsow, Leipzig.
l^^^ach wichelangelos Tode geht es mit der
Walerei sehr ähnlich wie mit der Architektur:
nach den unmittelbaren Abkömmlingen des großen
Weisters wie Daniele da volterra und warcello
Venusti, bei denen man immer noch seine Gedanken
vermuthet, übernehmen die Wanieristen der Spät-
renaissance die Ausgaben, die ihnen gestellt werden.
„Tine Zeit lang verlangte die Wode lauter Gegen-
stücke zum Jüngsten Gericht", schreibt Burckhardt;
aber man verstand dies gewaltige Wüster des Ba-
rockstiles nicht besser als etwa die schwachen Nach-
klänge der Tappella Paolina dies an die pand
gaben, nämlich als „Gewimmel nackter oder eng
gekleideter Figuren, die in allen möglichen und un-
möglichen Stellungen durch einander stürzen," und
man uralte sie ebenso blindlings „aus einen: Naume,
der sie nicht zum dritten Theil beherbergen könnte".
- Nach der „frechen Improvisation historischer so-
wohl biblischer als profaner Gegenstände," die mit
den Brüdern Zuccaro auch nach Nom drang und
besonders den Nuhm der Farnese in den vordern
Sälen ihres Palastes, wie im Schloß Taprarola, zu
verherrlichen hals, ja den Vatikan nicht verschonte,
müssen wir doch neben vignola die Tristenz der
Spätrenaissance auch in der Walerei der ewigen
Stadt anerkennen. Aber die Geschichte des Barock-
stiles besaßt sich jedenfalls nicht nut ihnen, sondern
erst mit dem Auftreten der Larracci, Agostino und
besonders Annibale, der eine Stellung wie Giacomo
*) Aus dem soeben erschienenen Buche: Barock
und Rokoko. Von August Schmarsow, Leipzig. Ver-
lag von S. pirzel (Glstqes bildet den Anfang
eines Kapitels).

della Porta beanspruchen darf, wie der letztere als
Architekt ist Annibale Tarraöci als Waler be-
sonders wichtig für den Durchbruch des neuen Ge-
staltungsprinzips in seiner Kunst, die aus strenger
Schulung und gelehrten Studien fußend, doch das
Ideal wichelangelos verstehen lernt und mit den:
ganzen Neichthum ihrer eigenen Wittel zu verwirk-
lichen unternimmt. Im unmittelbaren Anschluß an
die Naumbildung im Gartentrakt des Palazzo Far-
nese sehen wir ihn mit seinem Genossen über Alles
hinausgehen, was sie bis dahin in Bologna oder
in: umliegenden Kreis ihrer Kunst außerhalb Noms
geleistet hatten. Annibale steigert sich zum vollsten
Vertreter des Lebensgesühls „Schönheit ist Kraft",
soweit sich dies irgend nut dem heimischen Trbtheil
der Freskomalerei vor Augen stellen ließ, und folgt
Wichelangelo, dem Begründer des Barock, so eifrig,
wie einst Ginlio Nomano und Sebastiano del piombo
demselben Weister als Waler der Hochrenaissance
gefolgt waren.
Wan vergleicht die Decke der Galleria Farnese
gern mit Wichelangelos Decke der Sistina. Und
gewiß ist das lehrreich nach mancher Seite, wie ein
vergleich mit Nasaels Decke der Farnesina es nicht
minder wäre; aber wer nur das Gemeinsame her-
vorhöbe, würde sich starker Anachronismen schuldig
machen. Für uns bleibt die Hauptsache hier der
Unterschied zwischen den Schöpfungen der Poch-
renaissance und der des Barock. Bei Wichelangelo
bleibt die gemalte Architektur, die alle Flächen zer-
theilt und den Tyklus von Bildern und Gestalten
disponirt, als Unterlage für alles Figürliche doch
für sich, ein Gerüst ohne nothwendigen Zusammen-
hang mit dem Lebendigen daraus und dazwischen,
ebenso wie der marmorne Ausbau des Iuliusgrab-
mals. Die Verbindung durch Bögen und Nahmen
oben beansprucht vollends keinen architektonischen
Sinn als Umdichtung des wirklichen Naumgebildes,
sondern hebt im Gegentheil die Tinheit der flachen
Tonnenwölbung aus, um sie nach dem Prinzip der
Pochrenaissance in vielgliedrige parmonie ausein-
anderzulegen. Bilder und Gestalten durchsetzen dies
System, ebenso mannichsaltig an Werth: hier statu-
arische, dort dekorative Figuren, hier in vollen
Farben, gewandet, dort nackt in natürlichem Fleisch-
ton, oder gar in Bronze, m Warmor verwandelt;
hier reliesmäßige, dort perspektivisch vertiefte Bilder,
also bald die Fläche wahrend, bald durchbrechend;
aber alle diese räumlichen, körperlichen, augenschein-
lichen werthe, zwischen Wahrheit und Dichtung
weislich abgestust, alle Gegensätze harmonisch ausge-
theilt und in: fortlaufenden Zusammenhang ver-
bunden, ohne irgend welche beunruhigende Spannung
von Kontrasten.
Pier dagegen, an der gewölbten. Decke der
Galleria Farn e se, hebt sich über der ruhig fort-
laufenden Wandgliederung (die wegen einiger Be-
 
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