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Die R u n st - H a l l e -
Nr. 8
und — den Kernpunkt seiner Ausführungen — auf die
Vertheiluug des Glaspalastes unter mehrere Künstler-
gruppen an Stelle der bisher üblichen einheitlichen Leitung.
Deberraschend erscheint zunächst die^Thatsache, daß die
Opposition gegen diese Jungfernrede des neuen Präsidenten
nicht aus den Reihen der „Sezession" oder der mit ihr
befreundeten presse gekommen ist, obwohl gerade sie durch
wiederholte scharfe Ausfälle des Redners sich hierzu hätte
veranlaßt fühlen können. Allein diese Künstlervereinigung
hat Lenbachs Ausführungen vom Standpunkte künstlerischer
Ueberzeugung tolerirt, wohl wissend, daß Lenbach den
Kampf nur mit ehrlichen Waffen führen werde, ein
Kampf, welcher der „Sezession" nur wünschenswerth er-
scheinen kann.
Dagegen ist aus den Reihen der Genossenschaftsmit-
glieder selbst, wenige Tage nach der Generalversammlung,
lebhafter Widerspruch erfolgt, da der Präsident eine Er-
klärung der majorisirten ^35 Mitglieder, welche sich zu der
Iuryänderung nicht verstanden, formell nicht berücksichtigte.
Der Zwist über diesen formellen Verstoß ist mit aller
Schärfe zum Austrag gekommen, und wenn er auch noch
keine endgiltige Erledigung gefunden hat, so liegt die
Sache doch jetzt einfach genug, um eine vorläufig be-
friedigende Lösung zu erhalten: auf der Seite der Majorität
muß man mit der Thatsache rechnen, daß man durch
Majoritätsbeschluß allein noch keine Kunstausstellung er-
öffnen kann, auf Seite der Minorität hingegen besteht
nach der Zusage des Präsidenten und der Protektion von
hoher Seite keinerlei Veranlassung mehr, von dem ihr
zustehenden Rechte eigener Säle und eigener Jury keinen
Gebrauch zu machen und so den Gesammteindruck der
„Münchener Internationalen t8st?" zu schwächen.
Wenn man auch das Wort eines deutschen Staats-
rechtslehrers (Paul Laband) inututig mutunclis von der
Kunst gelten läßt, welcher einmal gesagt hat: „Es ist
wissenschaftlich unzulässig, eine Theorie damit anzugreifen,
daß man sie als politisch gefährlicb, un patriotisch und
reichsfeindlich bezeichnet", da ja „der Gebrauch vergifteter
Waffen nicht nur vom Völkerrechte untersagt ist", so wird
man doch wünschen müssen, daß die neuerlichen Zwistig-
keiten unter den Münchener Künstlern bis zum Schluffe
der bevorstehenden „Internationalen" vertagt werden-
Möglich, daß sie durch ihren Erfolg schlagend beweisen
wird, daß gerade die Minorität der Münchener Künstler-
genossenschaft den allein richtigen Modus der Iurywahl
für die künftigen Iahresausstellungen besitzt'
Rud. Berger.
Verliner Ikunstscdau.
Im Salon Schulte begegnen wir zweien von den
Worxswedern. Pans am Ende hat größere Bilder und
Radirungen gesandt, Fritz Overbeck nur Radirungen.
Ich bin, seitdem ich hier von meinen Worpsweder Ein-
drücken begeistert erzählte, oft von Zweiflern gefragt
worden, wie ich mir die Zukunft dieser Maler dächte,
ob der jähe Erfolg sie nicht hemmen würde. Ain Ende's
Bilder geben dem, der sehen will, die Antwort. Dieser
junge Künstler war hauptsächlich als Radirer thätig ge-
wesen, begabt und geschickt, aber eben fast zu geschickt, um
schlicht Natureindrücke aufzunehmen. Und jetzt sehe man
zu, was die paar Jahre in dein paideöörfchen aus ihn:
gemacht haben. Das viele äußerlich Gelernte ist abge-
fallen, eigenes Sehen und eigenes Können zwingen uns
wärmste Theilnahme ab. Selbst von dem Einfluß Moder-
sohns, unter den: die Worpsweder als Landschafter alle
standen, ist nicht viel zu sehen; er ist vielleicht im Künstler
noch wirksam, sein Werk ist frei. Und wenn es vielleicht
nicht ganz die Kraft eines Modersohn hat, so besitzt es
den Vorzug einer leichten und feinen Mache, die dem
Autodidakten abgeht, wenn einer von diesen Malern
wächst, so wachsen sie alle: Die Leute von Worpswede
haben noch lange nicht ihr letztes Wort gesprochen. Das
größere Bild am Ende's heißt „Maiwetter". Am Pimmel
das erste Gewitter, drohendes, dunkelviolettes Gewölk be-
deckt ihn, daß kein Lichtstrahl hindurchdringt. Und gegen
diesen fast schwarzen Pimmel springen licht und grell die
Farben unten auf, zumal das Frühlingsgrün der Felder
und der ragenden Birkenkronen. Machtvoll spricht die
Stimmung an. Und welch ein Reichthum im Einzelnen!
„Pier sind Alleen", sagte nur ein Worpsweder, „wo man
jedem Baum einen Namen geben möchte." Von diesem
Bilde wird man das verstehen. Die Birken sind wie
Porträts, so individuell, so nicht zu verwechseln. Von allen
Landschaften, die man jetzt in beiden Salons sieht, zeigt
nicht eine ein ähnliches verhältniß zur Natur. Ueberall
hat nach der Ueberwindung des Naturalismus ein Nach-
lassen in der Beobachtung stattgefunden, eine Allgemein-
heit, die beinah an die bösen Zeiten des Baumschlags
erinnert. Worpswede wird das Gewissen der deutschen
Landschafter wecken. Lin kleineres Bild führt den Namen
„perbstsonne". Ein paar Birkeustämme. Pinter ihnen
eine Gruppe von kleineren Bäumchen mit braunen: Laub.
Vorn ein rother Busch auf dem herbstgelben Boden. Rosig
leuchten die Wölkchen. Lin sanftes blaues Licht ist über
die Natur ausgegossen. Die Radirungen sind, ebenso wie
die Overbecks, wundervoll. Die Natur mit ihrer schimmern-
den Luft und dem intensiven Licht giebt auch der schwarzen
Kunst ungewöhnlich dankbare Motive. Aber das eigent-
liche Ausdrucksmittel für diese Landschaft ist doch die
Farbe. Die Bilder wirken fast Böcklinifch. Aber das
Kolorit ist nicht künstlich hereingebracht, die Natur ist
dort so. In: scharfen Gegensatz zu den Bildern am Ende's
stehen die des Holländers ten Late, die einen ganzen
Saal füllen. Statt der andächtigen Vertiefung in die
Natur finden wir ein schnelles Peraussehen hübscher
Effekte. Das Können, das der Künstler in den Dienst
seiner Kapricen stellt, ist allerdings enorm. Blicke über
vernebelte Wasserflächen oder auf abenddunkle Plätze malt
Die R u n st - H a l l e -
Nr. 8
und — den Kernpunkt seiner Ausführungen — auf die
Vertheiluug des Glaspalastes unter mehrere Künstler-
gruppen an Stelle der bisher üblichen einheitlichen Leitung.
Deberraschend erscheint zunächst die^Thatsache, daß die
Opposition gegen diese Jungfernrede des neuen Präsidenten
nicht aus den Reihen der „Sezession" oder der mit ihr
befreundeten presse gekommen ist, obwohl gerade sie durch
wiederholte scharfe Ausfälle des Redners sich hierzu hätte
veranlaßt fühlen können. Allein diese Künstlervereinigung
hat Lenbachs Ausführungen vom Standpunkte künstlerischer
Ueberzeugung tolerirt, wohl wissend, daß Lenbach den
Kampf nur mit ehrlichen Waffen führen werde, ein
Kampf, welcher der „Sezession" nur wünschenswerth er-
scheinen kann.
Dagegen ist aus den Reihen der Genossenschaftsmit-
glieder selbst, wenige Tage nach der Generalversammlung,
lebhafter Widerspruch erfolgt, da der Präsident eine Er-
klärung der majorisirten ^35 Mitglieder, welche sich zu der
Iuryänderung nicht verstanden, formell nicht berücksichtigte.
Der Zwist über diesen formellen Verstoß ist mit aller
Schärfe zum Austrag gekommen, und wenn er auch noch
keine endgiltige Erledigung gefunden hat, so liegt die
Sache doch jetzt einfach genug, um eine vorläufig be-
friedigende Lösung zu erhalten: auf der Seite der Majorität
muß man mit der Thatsache rechnen, daß man durch
Majoritätsbeschluß allein noch keine Kunstausstellung er-
öffnen kann, auf Seite der Minorität hingegen besteht
nach der Zusage des Präsidenten und der Protektion von
hoher Seite keinerlei Veranlassung mehr, von dem ihr
zustehenden Rechte eigener Säle und eigener Jury keinen
Gebrauch zu machen und so den Gesammteindruck der
„Münchener Internationalen t8st?" zu schwächen.
Wenn man auch das Wort eines deutschen Staats-
rechtslehrers (Paul Laband) inututig mutunclis von der
Kunst gelten läßt, welcher einmal gesagt hat: „Es ist
wissenschaftlich unzulässig, eine Theorie damit anzugreifen,
daß man sie als politisch gefährlicb, un patriotisch und
reichsfeindlich bezeichnet", da ja „der Gebrauch vergifteter
Waffen nicht nur vom Völkerrechte untersagt ist", so wird
man doch wünschen müssen, daß die neuerlichen Zwistig-
keiten unter den Münchener Künstlern bis zum Schluffe
der bevorstehenden „Internationalen" vertagt werden-
Möglich, daß sie durch ihren Erfolg schlagend beweisen
wird, daß gerade die Minorität der Münchener Künstler-
genossenschaft den allein richtigen Modus der Iurywahl
für die künftigen Iahresausstellungen besitzt'
Rud. Berger.
Verliner Ikunstscdau.
Im Salon Schulte begegnen wir zweien von den
Worxswedern. Pans am Ende hat größere Bilder und
Radirungen gesandt, Fritz Overbeck nur Radirungen.
Ich bin, seitdem ich hier von meinen Worpsweder Ein-
drücken begeistert erzählte, oft von Zweiflern gefragt
worden, wie ich mir die Zukunft dieser Maler dächte,
ob der jähe Erfolg sie nicht hemmen würde. Ain Ende's
Bilder geben dem, der sehen will, die Antwort. Dieser
junge Künstler war hauptsächlich als Radirer thätig ge-
wesen, begabt und geschickt, aber eben fast zu geschickt, um
schlicht Natureindrücke aufzunehmen. Und jetzt sehe man
zu, was die paar Jahre in dein paideöörfchen aus ihn:
gemacht haben. Das viele äußerlich Gelernte ist abge-
fallen, eigenes Sehen und eigenes Können zwingen uns
wärmste Theilnahme ab. Selbst von dem Einfluß Moder-
sohns, unter den: die Worpsweder als Landschafter alle
standen, ist nicht viel zu sehen; er ist vielleicht im Künstler
noch wirksam, sein Werk ist frei. Und wenn es vielleicht
nicht ganz die Kraft eines Modersohn hat, so besitzt es
den Vorzug einer leichten und feinen Mache, die dem
Autodidakten abgeht, wenn einer von diesen Malern
wächst, so wachsen sie alle: Die Leute von Worpswede
haben noch lange nicht ihr letztes Wort gesprochen. Das
größere Bild am Ende's heißt „Maiwetter". Am Pimmel
das erste Gewitter, drohendes, dunkelviolettes Gewölk be-
deckt ihn, daß kein Lichtstrahl hindurchdringt. Und gegen
diesen fast schwarzen Pimmel springen licht und grell die
Farben unten auf, zumal das Frühlingsgrün der Felder
und der ragenden Birkenkronen. Machtvoll spricht die
Stimmung an. Und welch ein Reichthum im Einzelnen!
„Pier sind Alleen", sagte nur ein Worpsweder, „wo man
jedem Baum einen Namen geben möchte." Von diesem
Bilde wird man das verstehen. Die Birken sind wie
Porträts, so individuell, so nicht zu verwechseln. Von allen
Landschaften, die man jetzt in beiden Salons sieht, zeigt
nicht eine ein ähnliches verhältniß zur Natur. Ueberall
hat nach der Ueberwindung des Naturalismus ein Nach-
lassen in der Beobachtung stattgefunden, eine Allgemein-
heit, die beinah an die bösen Zeiten des Baumschlags
erinnert. Worpswede wird das Gewissen der deutschen
Landschafter wecken. Lin kleineres Bild führt den Namen
„perbstsonne". Ein paar Birkeustämme. Pinter ihnen
eine Gruppe von kleineren Bäumchen mit braunen: Laub.
Vorn ein rother Busch auf dem herbstgelben Boden. Rosig
leuchten die Wölkchen. Lin sanftes blaues Licht ist über
die Natur ausgegossen. Die Radirungen sind, ebenso wie
die Overbecks, wundervoll. Die Natur mit ihrer schimmern-
den Luft und dem intensiven Licht giebt auch der schwarzen
Kunst ungewöhnlich dankbare Motive. Aber das eigent-
liche Ausdrucksmittel für diese Landschaft ist doch die
Farbe. Die Bilder wirken fast Böcklinifch. Aber das
Kolorit ist nicht künstlich hereingebracht, die Natur ist
dort so. In: scharfen Gegensatz zu den Bildern am Ende's
stehen die des Holländers ten Late, die einen ganzen
Saal füllen. Statt der andächtigen Vertiefung in die
Natur finden wir ein schnelles Peraussehen hübscher
Effekte. Das Können, das der Künstler in den Dienst
seiner Kapricen stellt, ist allerdings enorm. Blicke über
vernebelte Wasserflächen oder auf abenddunkle Plätze malt