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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 7
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Die Ausbildung des Musterzeichners
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Dworaczek, Wilhelm: Wiener Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0124

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D i e A u n st - H a l l e


Nr. 7

zu bedarf es einer Menge Kenntnisse über cherstellungs-
techniken n. s. w, die als das nothwendige wissen des
Musterzeichners zu bezeichnen sind, verwerthet aber solche
Kenntnisse der Kunsthandwerker oder der Textilarbeiter
rein praktisch, so sind sie für den Musterzeichner wohl
wichtig, aber nur von theoretischer Bedeutung. Denn
welcber Musterzeichner webt, druckt oder stickt selbst? Um
sich diese theoretische Kenntnis; auzueignen, bedarf es jedoch
für den zukünftigen Musterzeichner keiner dreijährigen
Lehrzeit, ja die Atelierlehre kann sie ihm meist nur unge-
nügend und einseitig übermitteln!
„Ich will nun in Folgendem kurz berichten, wie sich
Leute, die darin Erfahrung haben, die Ausbildung zum
Musterzeichner gedacht haben.
„Eine nothwendige Ausbildungszeit von H —5 Jahren
ist bekanntlich nicht zu hoch gegriffen. Im ersten Jahre:
Elementares Freihandzeichnen, neben Fächern allgemeiner
Bildung im Rechnen, Deutsch u. s. w. Gründliche Kennt-
niß der Elemente der Weberei und Stickerei. Erläuterungen
über textile Maschinen. Zweites Jahr: Freihandzeichnen
nach guten Flachornamenten mit Stillehre verbunden.
Zeichnen nach Natur-, hauptsächlich Pflanzenformen unter
Beobachtung ihrer mehr typischen als individuellen Eigen-
thümlichkeiten. Unterricht in IDeberei und Stickerei an
den Maschinen bez. Stühlen, patroniren und Musterver-
größern, Kolorirübuugen in Gouachefarben.
Drittes Jahr (Fachklasse',: ornamentales und freies
Zeichnen, bez. Malen nach Natnrformen. Zeichnen und
Malen von (Ornamenten. Skizziren von historischen Stil-
formen, verbunden mit systematisch ertheiltem vergleichen-
dem Unterrichte über Tektonik der Natur- und Kunstformen.
Anfänge im Entwerfen. Nebenbei weben, Sticken u. f. w.
an den Maschinen, patroniren und vergrößern.
viertes und letztes Jahr (obere Fachklasse): Entwerfen
für die verschiedenen Techniken der Textilindustrie nach
angefertigten Pflanzen udien oder mustergültigen Erzeug-
nissen. Freies Zeichnen und Malen von (Ornamenten,
Pflanzen, Thieren und Figürlichem, ergänzend Stil- und
Knustformenlehre, verbunden mit Skizziren. —
Diese allgemein künstlerischen und technischen Grund-
lagen, die also hier dem Jünglinge übermittelt werden,
kann kein Besitzer eines Ateliers bieten und mancher von
ihnen wird vielleicht denken, das Alles bietet auch keine
Schule! Nun, ich verweise sie auf die Königlich Sächsische
Industrieschule in Plauen, die den staatlich verliehenen
Lharakter einer Kunstgewerbeschule besitzt und die all das
oben Angeführte nicht nur zu erfüllen bestrebt ist, sondern
auch im wesentlichen bereits erreicht hat." -
wir schließen uns den obigen Ansichten der „Ztschft.
f. Mstzr." vollständig an.
X
Miener Ikunstbriek.
Wien, Dezember (89s.
Die gegenwärtige Ausstellung im wiener Künstler-
hause steht unter dem Zeichen eines theuren Todten.
Der Nachlaß Viktor Tilg ner's, des im April d. I.
so jäh dahingeschiedenen Meisters, ist von der Künstler-
genossenschaft mit liebevoller Pietät zur Ausstellung ge-

sammelt worden. Und tatsächlich bietet diese 222 Nummern
umfassende Exposition ein überwältigendes Bild von der
Fruchtbarkeit und der künstlerischen Bedeutung des großen
Plastikers, wir haben dessen Eigenart schon vor Monaten
in diesen Blättern eingehend gewürdigt, der knapp be-
messene Raum verwehrt es uns, auf die einzelnen Stücke
der Ausstellung näher einzugehen. Ls sei nur betont,
daß auch diesmal den tiefsten und nachhaltigsten Eindruck
die Büsten des Meisters erzielten. Sie erreichen eine
Künstlerschaft, hinter welche seine monumentaleren Ent-
würfe einigermaßen zurücktreten. Seine puttis und Kinder-
gestalten allerdings wetteifern mit den portraits. Alles
in Allem ein großer und subjectivcr Künstler, dessen Name
für alle Zeiten in der deutschen Kunstgeschichte einen
Ehrenplatz behaupten wird.
Im anstoßenden Saale steht Brozik's großes Deko
rationsbild „In telix Austria nubs," die Doppelhochzeit
zwischen dein jungen König Ludwig von Böhmen und
Ungarn und der habsburgischen Prinzessin Maria dar-
stellend. Ls ist unglaublich nüchtern und theatralisch an-
gelegt, Kostümmalerei im großen Stile, ohne lebendige
Bewegung der Vorgänge. Jede der dargestellten Personen
sieht anderswo hin. Das Bild hat keinen Mittelpunkt,
keine Konzentration; ebenso zerstreuend wirken die Farben.
Die akademische Langweile feiert hier einen großen
Triumph! Da fühlt man es wie eine künstlerische Er-
lösung in die Seele ziehen, wenn man in den Saal hin-
übereilt, wo Ludwig Dettmann eine ganze Kollektion
von Bildern ausgestellt hat. Freilich glaubt man auch
hier iu der Gleichheit der matten abgetönten Farben für
den Anfang einige Einförmigkeit zu empfinden, bis sie
sich Bild für Bild vor dem Auge beleben. Da ist das
mystische farbenwirkfame „Seilige Nacht", eine Umge-
staltung des Mittelftückes des bekannten Tryptichons, dann
die „Enten im Winter", ein Meisterstück kühnster Art, das
die seltsamen Strahlenbrechungen in Eis und Wasser mit
unglaublicher Virtuosität verwerthet, dann das farbighelle
sonnige „Kirschbäume im Frühling", „Spielendes Kind"
und so vieles Andere, das dieser so warm und doch so
keusch empfindende Künstler geschaffen. Es ist liebevolle
Naturbetrachtung vereint mit einer burschikosen, leichten
Schaffensart, die dieses echte Künstlertemperament kenn-
zeichne;.
Etwas enger begrenzt, sowohl in technischer Fertig-
keit, als auch in der Mannigfaltigkeit der Naturbeobachtung
erscheint Karlcheffner, der gleichfalls eine ganze Kollektion
zur Ausstellung brachte. Seine blassen, leicht dunkelnden
Stimmungen wirken im Einzelnen stärker als in der Ge-
sammtheit, da wirkt manches eintönig durch die häufige
Wiederholung. Seine Vorliebe für virtuos gemalte
Wolkenbildungen und eigenartige Lichttöne erscheint durch
diese Kollektion beinahe zur Manier geworden, was wir
nach den einzelnen Werken des trefflichen Künstlers indeß
niemals empfanden.
Um bei den Kollektivausstellungen zu verweilen,
müssen mir noch zweier hervorragender Künstler gedenken,
Ls ermann Vogel's und des belgischen Bildhauers van
der Stapp en. Der Letztere hat bei uns schon auf mehreren
Ausstellungen Aufsehen erregt. Diesmal ist ein eingehen-
deres Urtheil über ihn möglich. Seine Kunst ist ein
plastischer Präraphaelismus. Seine Formen sind nicht von
der geschmeidigen milden Schönheit und der widerspruchs-
losen Anmuth unserer Meister, sie sind herber und fremd-
artiger. Manchmal möchte man sogar an Formfehler
denken, wenn das Ganze nicht so ernst und würdig zu-
sammengestimmt wäre. Der Künstler erinnert wieder
daran, daß es auch eine Subjektivität der Formen giebt,
daß die Eigenart fremder Völker sich sogar darin äußert,
wie sie Linien sehen und wie sie Formen empfinden. Man
kann vieles an van der Stappen lernen. Man betrachte
nur einmal die Bischofsbüste „Vax vobiscmm". Das ist
eine großzügige und herbe verschlossene Kunst, deren wir
Deutsche, selbst in der Kunst redselig, nur schwer fähig
wären.
wie allerliebst, wie herzberückend plaudert dagegen
Ls er mann Vogel seine entzückenden Märchen. Gedicht
an Gedicht quillt aus seiner nie versiegenden Feder, und
 
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