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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 18
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Gensel, Otto Walther: Die beiden Pariser Salons, [2]
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Wolff, Franz: Wiener Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0321

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Die A u n st - H a l l e

Nr. s8

279

Auf dem Gebiete der Skulptur besitzt Frauk-
reich eiue sehr große Reihe Künstler, die eiueu
Menscheuleib anstäudig zu modellireu oder eine tüch-
tige Porträtbüste zu schaffen vermögen. Besonders
im Skulpturengarten der Tbamps blly8ee8 finden wir
treffliche Proben der beiden Gattungen. Was da-
über hinausgeht, ist meist von Rebel. So sind unter
den ausgestellten Denkmälern nur sehr wenige er-
freulich. Es ist seit einiger Zeit Mode -— siehe den
Augier vorm Odüon, den Delacroix und den Watteau
im Luxembourg-Garten — die Büste des zu verherr-
lichenden Mannes auf eine Säule oder dergl. zu
setzen und am Sockel eine oder mehrere allegorische
Figuren anzubringen. Das erträglichste Denkmal
dieser Art ist das des Grafen Lambrecht von Breitel,
das unangenehmste dasjenige Maupassants von
Verlet (E.). Das weit überlebensgroße Dämchen mit
dem dirnenhaften Ausdruck, das sich da, den Bel
Ami in der bsand, zu Füßen ihres Lieblingsdichters
räkelt, wirkt einfach abscheulich. Sehr viel Auf-
hebens wird von dem Victor bsugo Rodins (M.)
gemacht. Allerdings liegt etwas Gewaltiges in der
Bewegung des nackten Dichters, der am Meere
sitzend den linken Arm majestätisch ausstreckt, während
er die rechte bsand an's Ohr legt, um dem Flüstern
des Genius zu lauschen. Allein das Werk ist kaum
halb fertig, und die Genien erwecken so wie sie jetzt
sind fast mehr Bedenken als Hoffnung. Bartholemy's
Grabdenkmal (M.) ist von einfacher schlichter Größe;
nur mit dem Rinde kann ich mich nicht ganz be-
freunden, das ausgestreckt auf den Lenden der Litern
liegt. Schlichtundgut ist auch der Millet von Zacques
(M.), der ohne jede Pose auf einem epheuum-
rankten Felsblock sitzt.
Von den iVlewdre8 cle 1'In8titut hat Falguiore
diesmal wieder das Beste geschickt, einen Dichter auf
dem Pegasus und eine sehr ausdrucksvolle Damen-
büste. Fremiets Mensch im Steinalter wirkt keines-
wegs so kraftvoll, wie es der Künstler beabsichtigt
hat, Merciü's Grab der Frau Larvalko hat etwas
Süßliches. Die Großen des vorigen Salons, Gustave
Rttchel und Gardet, haben dieses Jahr nichts be-
sonders bservorragendes ausgestellt. Auf dem Mors-
felde fehlt von den großen Namen Heuer Desbois.
Dalou's Bronzegruppe: „Der Triumph des Silen"
ist ein treffliches Stück Arbeit. Und doch fehlt dem
Riesenwerke die wirkliche Größe; man betrachte da-
neben das kleine Relies: „Bergarbeiter" von Meunier!
Während in der Malerei das literarische Ele-
ment immer mehr zurücktritt, macht es sich hier noch
entsetzlich breit. Pierre Louys hat mit seinen: Roman
Aphrodite mindestens ein halbes Dutzend Darstellungen
auf dem Gewissen. Daneben finden wir ein „Schick-
sal", einen „Geiz", einen „Spleen", einen „Ehebruch",
ein „Wahnsinniges Gretchen" u. s. w. Man sollte
einmal alle die langen an den Sockeln befestigten
Erklärungen wegnehmen und dann die hülflosen
Mienen der Beschauer sehen! Das non pln8 ultra,
dieser Art Kunst leistet Ringel d'Zllzach (M.) mit
seinen die neun Symphonien Beethovens darstellenden
wächsernen Frauenköpfen.
Liner sehr merkwürdigen Künstlerin sei noch ge-
dacht, des Fräulein Tamille Tlandel (M.). Sie hat
eine Gruppe von drei Frauenfigürchen, die sich im
Bade vor einer herankommenden Riesenwelle ducken,
und eine andere von vier Klatschbasen modellirt.
Die Berechtigung dieser Art Plastik ist zweifelhaft,
aber die Bewegung der Figuren ist von einer ge-
radezu verblüffenden Naturwahrheit.

Zn den letzten zwei Zähren war ein erfreulicher
Aufschwung des Kunstgewerbes zu begrüßen. Dies-
mal ist im Allgemeinen ein Stillstand festzustellen, der
nut einem Rückschritt fast gleichbedeutend ist. Zn der
Keramik stehen noch immer Massier, Delaherche,
Dalpayrat, Bigot obenan, in der G las macher
kunst Tiffany, von dem soeben in Bings Krt lülou-
veuu eine höchst interessante Sonderausstellung er-
öffnet worden ist, und in einem gewissen Abstande
Koepping und der wunderliche Gallo, in der Ooi-
8onnö8 Kbo8war. Neues hat eigentlich keiner von
ihnen gebracht. Doch wird sich darüber Näheres erst-
nach der in diesen Tagen zu eröffnenden Keramik-
Ausstellung feststellen lassen. Auch in der Zinnkunst
ist nichts Neues zu bemerken; immer noch herrscht
hier die unglückliche Vorliebe, den weiblichen Körper
in den grausamsten Verrenkungen zu Griffen und
bsenkeln zu verwenden. Marius Michel hat einige
Büchereinbände ausgestellt, die sich durch stilvolle
Einfachheit von denen Prouvö's, der Madame Vall-
gren u. A. auszeichnen. Die Plakettenkunst ist
schon seit längerer Zeit im Niedergange. Thaplain
und Roty haben keine ebenbürtigen Schüler gefunden.
Einer der talentvollsten unter den Züngeren ist Leon
Deschamps, von dem u. A. ein paar wundervolle
Greisenköpfe zu sehen sind. Bourgeois, Gibault
(Kinderköpfe), Legastelois, Vernon seien noch genannt.
Rnd wo sind die kleinen Bronzen hin, die früher das
Entzücken der ganzen Welt bildeten! Nur Tarabins
Tänzerinnen sind wirklich bemerkenswert!:. Bei den
Kunjstmöbeln macht sich nach den einfachen schön
geschwungenen Linien der früheren Zahre — ich
denke z. B. an van der Veldes Eßzimmer, das jetzt
in Dresden ausgestellt ist — ein merkwürdiges
Schnörkelwerk, das an den Stil Louis-Ouinze entfernt
gemahnt, unangenehm bemerkbar. Kaum ein er-
freuliches Stück ist zu sehen. Allerdings ist der Salon
auch nicht der Ort, um sich über die Manifestationen
des modernen Kunstgewerbes auf dem Laufenden zu
erhalten. Bings Krt Rouveau, die Möbelhandlungen
von Zansen und Maple, das Bronzengeschäft von
Decauville u. s. w. sind dafür weit mehr geeignet.

Miener Ikunswriek.
An dem neuen Burgthor auf dem Michaelerplatze ist
der Brunnen von Prof, pellmer enthüllt worden. Er
;st als Gegenstück zu dem Merke lVeyrs gedacht, doch
könnte ich nicht sagen, wie weit die sichtliche Ueberein-
stimmung der beiden Gruppen vom Anfang in Absicht
und Uebereinkunst beider Künstler gelegen hat. Tat-
sächlich zeigt der zweite Brunnen, welcher die Macht
des Menschen zu Lande, so wie jener erste die Macht
zur See zur Anschauung bringen soll, eine dein bereits
Vorhandenen ganz ähnliche Anordnung: auf einem
Gewirre von Felsstücken sind die Marmorgestalten in Zahl,
Gruppirung und Vertheilung mit diesem übereinstimmend
angebracht. Die besiegten Naturkräfte werden durch drei
Giganten versinnbildlicht, von denen der eine den Aufbau
trägt, der zweite kopfüber an dem Felsen hinabgestürzt
ist und der dritte heimtückisch gegen seinen Ueberwinder
empordroht. Lin Reptil ist ihnen als Begleiter gegeben.
 
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