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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 17
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Gensel, Otto Walther: Die beiden Pariser Salons, [1]
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Dix, Arthur: Leipziger Ausstellungsbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0304

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D ie K u ii st -Halle —

Nr. s7

26H

strebenden Talenten ist Piet, den wir als Zeichner
für den Tourrier Franqais schon kannten, zu signali-
siren (M.).
Die Gebiete, aus deneu die moderne Kunst, wenn
nicht das Hervorragendste, so doch durchschnittlich das
Beste leistet, sind das Porträt und die Landschaft.
Zn der Porträtmalerei geben in den Ommp.8
luly8öo8 noch immer die kckemdre8 cle 1'Iv8titut den
Ton an: Bonnat, Lefebvre, Moehard, Humbert. Ls
ist die Schule, die treu und objektiv das Modell
wiedergiebt, wie es vor uns sitzt, eine Auffassung,
die dm Besteller fast stets befriedigen wird. Hand-
werk ohne viel Kunst, aber ein Handwerk, das auf
einer erstaunlichen Höhe steht. Benjamin-Tonstant,
dessen im vorigen Jahre mit dein Lhrenpreise ge-
kröntes Bildnis seines Sohnes über dem Durchschnitts-
maße stand, ist diesmal nicht gut vertreten. Lr
hat zwei der größten französischen Kunstsammler ge-
malt, den Herzog von Aumale und den Kaufmann
Thauchard. Besonders der erstere befriedigt uns
nicht. Aus dem ritterlichen Herrn von königlichem
Blut, der als Feldherr, Schriftsteller und Kunstfreund
gleich interessant ist, ließ sich mehr machen als der
alte Mann, der 'da im Harke von Thantilly müde
auf der Bank sitzt. Auf dem Marsfelde lenkeu Zoru,
Boldini und de la Gandara die Aufmerksamkeit am
meisten auf sich. Sie vertreten das Virtuosentum
der Porträtmalerei. Liue charakteristische Haltung,
eine eigenthümliche Bewegung wird im Fluge erhascht
und mit fabelhaftem Geschick auf der Leinwand fest-
gehalten. Solche Porträts erscheinen dem, der die
Personen kennt, oft frappant ähnlich; wer sie nicht
kennt, bewundert nur das technische Können des
Malers, vom Seelenleben des Modells erfährt er
aus ihnen nichts. Das Kapriziöse Lächeln, das
schwarze Seidenkleid, die seidenen Strümpfe der fast
diabolisch schönen Frau v. p. macht Niemaud so
leicht dein Meister Boldini nach. Aber wohin diese
Art führt, zeigt desselben Graf von Montesquiou.
Der Graf, der ein nicht talentloser Schriftsteller und
zugleich ein leidenschaftlicher Sammler ist, hatte bei
der Gonoourt'schen Versteigerung einen kostbaren
Spazierstock erworben. Boldini stellt ihn nun dar,
wie er im elegantesten grauen Gehrock, die grauen
Handschuhe uud den grauen Tvlinderhut in der Hand,
lässig in den Sessel zurückgeworfen, den Porzellan-
knauf dieses Stockes betrachtet, wir fürchten, daß
eine spätere Zeit, verständnißlos für die Bibelotmanie
unserer heutigen Aristokratie, in Herrn von Montes-
quiou nur einen der schlimmsten Gecken sehen wird.
Zorn's vorzüglich gemaltes Bildniß der Frau B.,
die iu Hellem Gesellschaftskleide in ihrem Boudoir
sitzend den schönen Arm um den Hals einer mächtigen
Dogge legt, erweckt ähnliche Bedenken; sein Herren -
bildniß ist etwas intimer. Bei de la Gandaras
überlebensgroßen aristokratischen Frauengestalten sind
die wundervoll gemalten Kleider das Beste. Besnard
ist diesmal recht schlecht vertreten; sein großes Damen-
porträt wirkt nur als Farbeneffekt. Alexander
zieht hieraus nur die Konsequenz, wenn er —
übrigens nach whistler'schem Vorgänge — seine
Frauen: Das gelbe Kleid, das schwarze Kleid u. s. w.
nennt. Line Vereinigung moderner Technik und in-
timer Wirkung streben die Schotten an. Guthrie's
Brustbildniß eines alten Herrn ist die beste ihrer dies-
jährigen Sendungen. Das Damenbildniß des ihnen
verwandten Amerikaners Humphreys Iohnston steht
nicht ganz auf der Höhe seines vorjährigen. Linen
sehr feinen Reiz übt des Franzosen Jaques Blanche

„Familie in einer Stube" aus. Ganz schlicht sind
endlich die Porträts Dagnan-Bouveret's — be-
sonders Frau T. N. und ein junges Mädchen —
und Mönard's — „Meine Mutter" und der Ge-
lehrte G. D. Schon auf den ersten Blick wirken die
sanft abgestimmten Farbenwerthe stimmungsvoll,
weder ist hier das Modell einfach abgepinselt, noch
ein einzelner Zug aufdringlich hervorgehoben; das
ganze Seelenleben der Personen spiegelt sich in den
Zügen wieder. Die Sachen sind keine allerersten
Meisterwerke, aber hier haben wir Künstler vor uns,
in denen der Geist eines Bellini, eines Holbein
lebendig ist. — Die Bildnisse des Fräulein Roeder-
stein, die an Thoma erinnern, sind wohl in Deutsch-
land bekannt. Genannt seien noch Kate Tarls
Five o'olock — das liebenswürdige Bildniß einer
alten Danre — und die Arbeiten von Hubert Vos.
Damit sind indeß die guten Porträts noch lange nicht
erschöpft.
(Lin 2. Artikel folgt.)


Leipziger Ausstellungsbriek.
Die „sächsisch-thüringische Industrie- und
Gewerbeausstellung", die in diesem Sommer zur
Feier des vierhundertjährigen Jubiläums der Leipziger
Messe veranstaltet ist, zeichnet sich vor den anderen deutschen
Gewerbeausstellungen, mit denen die letzten Jahre uns
so reichlich bedacht haben, durch eminentes künstlerisches
Interesse aus. Die eine Thatsache, daß Max Klinger
seiner Vaterstadt bei dieser Gelegenheit sein neuestes,
nach siebenjähriger Arbeit glücklich vollendetes Kolossal-
gemälde „Christus im Glymp" zur Ausstellung übergeben
hat, genügt vollkommen, um Leipzig trotz Dresden in den
Brennpunkt der kunstkritischen Betrachtung zu rücken.
Tief bedauerlich ist es nur, daß der weite Rahmen einer
Industrieausstellung mit obligatem Kneipenviertel und
Vergnügungspark eine peinliche Verquickung der ver-
schiedensten Clemente umschließt; wenn das Publikum sich
für billiges Geld schon an einem Cismeerpanorama, einem
Alpen- und einem Ierusalempanorama ergötzt hat, was
fragt es dann noch nach einem vierten „Kolossalgemälde"
für defsen Besichtigung es eine ganze bare Mark bezahlen
soll! Nein, es ist eine ganz grobe Geschmacklosigkeit, eine
Wasserrutschbahn und einen Max Klinger mit einem und
demselben Zaun zu umfangen. Beide haben mit einer
Gewcrbeausstellung absolut nichts zu thun; verweise man
die Wasserrutschbahn doch hübsch zwischen die Jahrmarkts-
buden der alten Leipziger Messe, und die Kunstausstellung
an einen stillen, weihevollen Grt. Wozu hatte man denn
die schönen Parks in der Nähe der Ausstellung?
Doch nun zur eigentlichen Gewerbeausstellung. Da
wir aber gerade bei der Kunst waren, beginne ich füglich
mit der kürxstlerischen Einladung zur Ausstellung: Dem
Plakat, das mindestens ebenso viel umwitzelt ist, wie
unlängst das Berliner. Jedenfalls hat Carl Schmidt
(Dresden) mehr Geschmack entwickelt, als der sonst so
treffliche Melchior Lechter mit dem unglücklichen blauen
Lngel der diesjährigen Berliner Kunstausstellung, und
ich stehe nicht an, mich dem Urtheil derer anzuschließen,
 
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