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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 24
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Stahl, Fritz: Max Klinger's "Christus im Olymp"
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Fuchs, Georg: München: VII. Internat. Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0427

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Nr.

Die Run st-Palle

373

gemalten l^lrchitektur, die an der Decke ausläuft,
wollen diese Stimmungen der Tageszeiten nachklingen
und in ihnen Personifikationen der vierundzwanzig
Stunden sich bewegen. Für den Tag hat Klinger
den Kampf der guten und bösen Kräfte, für den
Abend das Blachfeld nach der Schlacht, für die Nacht
Kreuzigung und Pieta als Stoffe gewählt.
Zur Zeit beschäftigt ihn übrigens die Elastik
mehr. Zn demselben Treppenhause soll eine über-
lebensgroße weibliche Figur, eine Art Kluse, ihren
Matz finden. Zu gleicher Zeit mit diesen, die in:
Nackten fertig ist, hat er das Modell seines Beethoven
geschaffen. Beide Arbeiten, namentlich dies Modell
im vergleich zu dem alten Entwurf, zeigen einen
ungeheuren Fortschritt über die älteren hinaus, lieber
den Bethoven ist viel zu sagen, namentlich im pmblick
auf die landesübliche Denkmalmacherei, aber es wird
besser sein zu warten, bis man auf das fertige Merk
verweisen: kann.

Münek 6 n:
Vll. Dytery. I^ayskaasstellayA.
<Schlns;.>
Von Georg Fuchs.
wollen auch bei Betrachtung der vom
nicht-deutschen Auslande entsendeten Merke
den Grundsatz festhalten, daß nur das wirklich künst-
lerisch erscheinende zu beachten sei; und auch das
nur dann, wenn es zu besonderen Bemerkungen An-
laß giebt. Nichts scheint uns zweckloser, als einem
Stümper seine Stümperhaftigkeit zu bescheinigen,
denn er glaubt es ja doch nicht, nichts überflüssiger,
als das gewerbsmäßige Belobigen feststehender oder
doch allgemein angenommener Tüchtigkeit. Mie
wollte man von den längst bekannten belgischen
Naturalisten oder der rühmenswerthen schottischen
Schule, von einem Lavery, Guthrie, Lhristie,
Paterson rc. reden, ohne Gefahr zu laufen, die
kritischen Klische's des litterarischen Alltags zu be-
nutzen? Andere, wie die Italiener und Spanier,
sind von einer eigentlichen künstlerischen Produktion
so weit abgekommen, daß man die Erzeugnisse ihrer
Paus-Industrien unbeachtet lassen muß, wenn man
einigermaßen das Niveau in der pöhe halten will.
Die Guadratmeilen bemalter Leinwand endlich,
welche man sich aus Ungarn für denjenigen Theil
des Sonntags-Publikums verschrieben hat, der noch
keinen Unterschied zwischen Jahrmarkt und Kunst-
ausstellung machen kann, werden von de:: Lesern
dieser Zeitschrift gewiß nicht vermißt werden. Dar-
unter befinden sich allerdings auch fünf Werke des
unglücklichen Munkäcsy, natürlich älteren Datums.
Er hatte gewiß ein außerordentliches technisches
Können zur Verfügung, aber in einer Ausstellung
von sssp erscheint er wie eine Neminisoenz aus einer
rasch vergessenen Epoche. Den meisten Anekdoten-
malern geht es ähnlich wie den Schauspielern: die
Nachwelt flicht ihnen keine Kränze und schon die
Mitwelt wird sie schnell müde. Alles was „Pointe"

hat, ist nur für den Augenblick. Darüber hilft selbst
die gewandteste, solideste Technik nicht hinweg.
Mit geringschätzigen: Lächeln treten wir heute
schon vor das große Tableau des Ioso Ville gas,
welcher unter den Spaniern eine ähnliche Nolle
spielt, wie Munkäcsy unter den Magyaren. „Kon-
trast" betitelt es der Künstler, indem er ein Knäblein
auf dem Arme einer in Lumpen gekleideten, ab-
gezehrten jungen Mutter darstellt, das die Aermchen
nach dem feisten Baby aus reichen: Pause ausbreitet,
welches die üppige Amme im Kinderwagen durch
die Promenade fährt. Das Bild ist ganz vortrefflich
gemalt, und trotzdem verliert Ville gas seine domi-
nirende Stellung unter den malenden Spaniolen, so-
bald wir ihn mit Sorolla vergleichen. Sorolla's
„Segelflicken" hat keine „Pointe" und keine „Kon-
traste" äußerer Art, aber es behandelt ein un-
gewöhnlich schwieriges Freilicht-Problem, ein male-
risches Problem, an das Villegas niemals denken
konnte, mit staunenswerther Bravour. Allein auch
dieses Verdienst dünkt uns längst nicht mehr ab-
schließend: zu den malerischen Forderungen sind
wieder ästhetische getreten, die „Problemmalerei"
ist überwunden, ist „zweiten Nanges".
Daran liegt es, daß die stark bevölkerte
amerikanische Abtheilung keinen Neiz mehr auf
uns ausübt. Die Amerikaner halten sich —- insoweit
sie nicht auch als „Künstler" vorwiegend kommer-
ziellen Erwägungen folgen — fast durchaus an das
Technische. Ihre jungen Leute werden hinreichend
nut Geld ausgestattet, um allenthalben, wo etwas
zu holen ist, zu studiren. Sie gucken sich bei den
führenden Meistern aller Kunstnationen die Kniffe
und pfiffe ab: in Paris, in München, in Polland
und Groß-Britannien. Pier ein pankee, der ganz
Pariser geworden ist, hier einer — ganz Mhistler,
ein dritter — als ob er nie ans den holländischen
Dünen herausgekommen wäre u. s. w. Andere
wetteifern in der Vereinigung und Verschmelzung
der technischen Errungenschaften mehrerer, womöglich
aller Nationen und bringen dabei wirklich etwas
sehr Merkwürdiges zu Stande, nur daß man alles
andere davor empfindet, als man sonst vor Kunst
werken zu fühlen gewöhnt ist. Nicht bei allen —-
aber doch bei dem Durchschnitt. Ausgenommen
müssen z. B. solche hervorragende Künstler werden,
die ganz offenbar ihren: Wesen nach noch einen:
Volke der alten Welt angehören, die nur als „Bürger"
Amerikaner sind. So die beiden ausgezeichneten
Marine- und Landschaftsmaler Vail und van der
Weyden, namentlich aber Gari Melchers. Er
:st entschieden nicht ganz frei von Parisismen, sein
koloristisch äußerst delikat durchgeführter „Fecht-
meister" zeigt das deutlich, er übt jedoch einen
eigenen Neiz aus durch seine raffinirte Art — naiv,
primitiv zu erscheinen. Ein eleganter, internationaler
Weltmann, der nut so rührender Schuldlosigkeit aus
einer wahrhaft bäuerlichen Poesie der Seele heraus
zu schaffen vorgiebt und nut so undefinirbarer Ver-
feinerung harmlos, schlicht, kräftig wirkende Töne
und Akkorde vorspiegelt, die in: Grunde sehr raffi-
nirt und komplizirt sind, der über Alles eine deutsch-
wehmüthige, etwas katholisch anklingende weihe zu
breiten vermag — der ist gewiß nicht alltäglich.
Man höre nur seine Titel! „Pochzeit", „Der Mutter
Kuß", „Die Grange", „Das Dorf", „Der Bach",
„St. Gudula" — eine Mischung von frommen bre-
tonischen Volksliedern, bunter deutscher Bauern- und
Truhenkunst, niederländischer einfacher Meiflerlichkeit,
 
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