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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 22
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Fuchs, Georg: München: Das Kunstgewerbe a. d. Internat. Kunstausstellung, [1]
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Rust, Agnes: München: Atelier-Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0391

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Nr. 22

Oie Aunst - Halle —

zu erwerben. Man könne nicht damit leben, weil
dieser Kunst kein Leben inne wohne, weil sie ohne
Tradition willkürlich vom Zaune gebrochen sei.
Mir sind weit entfernt von dem Glauben, daß
sich diese Bedenken schon auf Grund des bis fetzt Vor-
liegenden zerstreuen lassen. Allein wir halten es für
die Pflicht der Kritik auch einmal die Thatsachen
hervorzukehren, welche für die junge kunstgewerbliche
Richtung und die sie am besten repräsentirenden
Künstler sprechen.
Mir unterscheiden unter den Münchenern drei
Richtungen: eine streng stilisirende, welche von
Gbrist ausging, eine naturalistisch-malerische,
als deren führende Geister Eckmann und Berlepsch
gelten können, und endlich eine historische, deren
Fürsprecher namentlich die Architekten Martin Dülfer
und Theodor Fischer sind. Diese letztgenannten
vertreten nut Eifer die Theorie, daß ohne Tradition
keine lebensfähige Kunst, an: wenigsten aber ein
lebendiges Kunstgewerbe zu denken sei: Rian müsse
darum da wieder anknüpfen, wo der Faden der Ent-
wiekelung durch den Klassizismus und die Leuchter-
weibchen-Romantik abgerissen worden sei: beim
Empire, als der letzten Etilform innerhalb der
Tradition. Man dürfe jedoch nicht bei einer erfindungs-
losen Nachahmung des Empire stehen bleiben, sondern
müsse fortschreiten, nachdem inan das Empire
vollkommen in sich ausgenommen. — Die von
Dülfer erbauten bsäuser, z. B. der bekannte Bern-
heimer'sche Geschäftspalast an: Marimiliansplatze, der
Kaim-Eaal nut seinen zahlreichen großen und
kleinen Räumen, niedliche Nutzbauten für Verwal-
tungszwecke u. s. w. lassen in der That die Erbschaft
des „Empire" deutlich erkennen, das von Dülfer im
Glaspalast arrangirte Kabinet („Vorraun:") ist sogar
absichtlich ganz im Tharakter des Empire gehalten.
Dülfer tastet noch, aber er ist muthig und überdies
als Münchener Mode-Architekt so reichlich beschäftigt,
daß es ihm an Gelegenheit, reiche Ideen durch-
zusetzen, nicht mangelt. — Von Fischer finden wir
auf der Ausstellung einen gelb getönten Kachelofen,
der ebenfalls noch stark an den Empire-Geschmack
erinnert. Natürlich haben sich gerade diese Künstler
an: schnellsten beim Publikum eingeführt, denn ihre
Mirksamkeit ruht auf einen: Kompromiß mit dem
geheiligten Alten.
Die Naturalisten dagegen kümmern sich gar
nicht mehr um die Vergangenheit. Eie wollen die
Verzierungen der Gebrauchsgegenstände aus der Natur
gewinnen, die Naturmotive jedoch nicht zu Orna-
menten ausbilden, wie Obrist und die um ihn, sondern
in malerischer Etilisirung, ohne ihnen den Tharakter
als „Abbildung" ganz zu nehmen, verwenden. Eie
find in der erdrückenden Überzahl, denn der Natura-
lismus ist ja auch in den andern Künsten herrschend,
er ist auch die bequemste Manier. Otto Eckman::
ist der bekannteste und am meisten beschäftigte unter
den Führern dieser Gruppe. Eeine an den Mebstühlen
zu Echerrebeck in Holstein ausgeführten Mand-
behänge charakterisiren die ganze Richtung. Der
größte dieser „modernen Gobelins" zeigt einen „Teich",
umgeben von Echilf, in dem sich die Mondsichel und
die Eterne spiegeln. Der Bild-Lharakter ist vollständig
erhalten, die Dinge sind abgeblldet, die Rücksicht auf
Naturtreue weit größer, als die auf das Material, denn
wolle kann nicht „spiegeln". Eckman:: fühlt nun aller-
dings, daß es ohne ornamentale Bildungen doch nicht
gehn will, und so legt er quer unter das bsauptbild einen
Fries aus Fröschen, darüber einen solchen nut fliegenden

Eulen — beide Thier-Arten sind vortrefflich beobachtet
und für die Mebetechnik vereinfacht aber durchaus
nicht so kräftig stilisirt, daß wir von Ornamenten
sprechen könnten. Ungleichen zeigen die beiden kleineren
Mandbehänge („Echwäne" und „Möven") und eine
Tischdecke („Grangenzweig") zwar die Tendenz, sich
zu einer dem Ornamente ähnlichen Vereinfachung zu
erheben ohne diese jedoch zu erreichen. Fast will es
scheinen, als ob Eckmann nur kaut cle mieux am
Naturalismen festhält. —
Ganz anders Ls. E. v. Berlepsch. Diesem ist
der kunstgewerbliche Naturalismus zum Evangelium
geworden, Das „Einzig Mahre". Er kam von der
impressionistischen Malerei, und so ist es zu verstehn.
Von ihn: sehen wir einen mächtigen Echreibtisch aus
Buchen- und Zirbelholz und drei Bibliothekschränke
aus demselben Material, wie kostbar sind diese Hölzer!
Berlepsch aber weiß nichts von ihrem Merthe, jede
Fläche, jedes Eckchen, jeder Zwickel wird mit natura-
listischen Pflanzen, Thieren und Fratzen beschnitzt und
beinalt. Echo:: die Konstruktion seiner Möbel ist
derart verzwickt, unruhig und willkürlich, daß die
Material-Wirkung dabei umkommt, die Bemalungen
aber empfindet man fast als Echändung des köstlichen
bsolzes. Der Ein::, die Liebe für das Material und
die demselben von Natur aus innewohnende Echönheit
und konstruktive Tendenz, diese wird bei Berlepsch
noch allzusehr vermißt. Er denkt zu sehr als Maler.
Eo auch s) an kok, der einen Epiegelrahmen so ver-
schnörkelt und bemalt, daß man gar nicht hineinzu-
blicken wagt, so auch Erler, dessen wand- und Glas-
gemälde unmöglich sind. Man erreicht keinen Etil,
indem man nur schrullenhaft darstellt. Besser ist sein
Fries; aber auch seine Buch-Einbände leiden unter
geschmacklosen, räthselhaften Willkürlichkeiten. Erler
will offenbar „tief" erscheinen.
(Liu zweiter Artikel folgt).

/w ü n c k en:
Akelier-WIu allere,.
Von Agnes Rust, Aschaffenburg.

II. Josef Engelhard.
icht allzuweit von der Linprunnstraße 8s>, wo der
Zeichner der Vignetten wohnt, zieht sich zum
Zentralbahnhof die Etraße, die nach Dachau führt.
Die Gegend mag hie und da noch ein Etück Alt-
münchen repräsentiren. Eo hübsche Namen wie
Linprunnstraße (Lindbrünnlein?) giebt's in den mo-
dernisirten Etadttheilen freilich nicht. — Eedanstraße,
Balan-Gccamstraße muthen wenig an. Mit „Dachau"
indessen lassen sich interessante Vorstellungen ver-
knüpfen. Künstlerkolonie, malerische bunte Trachten,
reizvolle landschaftliche Etimmungen. Und in der
Dachauerstraße selbst ist so manches Atelier zu finden,
das einen Besuch lohnt.
Ich denke an eins besonders, ein Bildhauer-
atelier. Es ist nicht groß, auch nicht anspruchsvoll;
 
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