Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

DOI Heft:
No. 17
DOI Artikel:
Galland, Georg: Die Privat-Gallerien in Deutschland und Oesterreich-Ungarn: I. Die Gallerie Ravené in Berlin
DOI Artikel:
Stahl, Fritz: Internationale Kunstausstellung in Dresden
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0301

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. s7

Die A u n st - L) a l l e.

26s

Düsseldorfer Genres — sondern schon mit Lroyon's
Tbierstücken, Stevens' eroellentem Interieur, G. F.
Lessing's „westpbälischer Landschaft" u. a. gleich-
wertigen Stücken anfing— eine solche Sammlung war
damals und von vorn herein von ihrem Begründer
gleichsam auf deu linkeu Flügel des Auustgeschmacks
gestellt. Lr hat für die Gallerte damit eiue Direktive ge-
gebeu, die seiue Nachkommeu niemals gering achten
werden.

Dyterygtioyale
s^uysknnsskelluyHinVi-escley.
von Fritz Stahl.
I.
Die Dresdener Ausstellung ist ausgezeichnet arrangirt
und enthält sehr viel Gutes. Das ist der wahre Kern
der unglaublich übertriebenen Berichte, die von Dresden
aus geschrieben werden. Ich will das gleich voraus-
schicken, weil ich sonst allerlei Einwürfe recht schwer-
wiegender Art auf dein Herzen habe.
Bevor ich auf Einzelheiten eingehe, scheint es mir
nothwendig, prinzipielle Fragen zu erörtern. Da Dresden
mit dieser Neuausstattung sich gewissermaßen als Kunst-
stadt neu aufthut, ist es besonders wichtig, sich über den
Geist klar zu werden, der hier herrscht. Don diesem Geist
wird es abhängen, was die deutsche Kunst und die
deutschen Künstler hier zu erwarten haben. Und im be-
sonderen auch, was hier selbst werden will.
Lin wenig Statistik zuerst! Ich habe sie erst ausge-
stellt, als mir die Ausstellung selbst den Eindruck einer
ungesunden Bevorzugung des Auslands gegeben hatte.
Sie hat mich selbst überrascht. Unter 7(8 Gemälden von
H27 Malern befinden sich 270 von 209 ausländischen
gegen 2^8 von 2t8 deutschen. Unter 267 Skulpturen von
86 Bildhauern befinden sich t9l von fremden gegen 76
von H5 deutschen. Ich habe um so mehr Grund, gegen
dieses unerhörte Verhältnis mich auszusxrechen, da ich ein
Anhänger internationaler Ausstellungen bin, die nach
meiner Ansicht befruchtend aus die heimische Kunst wirken
müssen. Nie aber habe ich oder irgend einer unter den
Gleichgesinnten gemeint, daß nun die deutschen Künstler
an die wand gedrückt werden sollen, dem Publikum die
deutsche Kunst, man kann hier fast sagen, ver-
heimlicht werden soll.
Man geht kaum fehl, wenn man für diese Auffassung
der „Internationalen" Herrn Pros. Gotthardt Kühl verant-
wortlich macht. Er hat neben dein Guten eben, und nicht
nur in dieser Beziehung, auch das Schlechte der Münchener
Sezestionsausstellungen nach Dresden herübergetragen.
Die Sezessionisten waren wohl die Ersten, die aus einer
großen Zahl ausländischer Werke eine Attraktion für
ihre Ausstellungen zu machen suchten. Ich kann mich
aber nicht erinnern, daß sie jemals so weit gegangen sind.
Jedenfalls aber waren sie vorsichtiger in der Aus-

wahl. Das kommt doch sehr wesentlich in Betracht. An-
dersartiges, als bei uns geboten wird, oder in derselben
Art Besseres soll gezeigt werden. So wird niemand
gegen den großen Raum, der der belgischen Plastik zu-
gebilligt ist, etwas einwenden, denn diese ist herrlich und
unvergleichlich. Man wird nur vielleicht sagen, daß
die ((2 Werke nicht mehr geben, als etwa die Hälfte
geben würde. Ganz anders aber muß man sich dazu
stellen, wenn von berühmten Franzosen nur minder-
werthige Arbeiten da sind, oder wenn die Amerikaner Gari
Melchers und Mac Ewen je vier Bilder ausstellen dürfen,
während sonst, wie wir sehen werden, sehr sparsam mit dem
Platz umgegangen ist. Das Tollste aber ist wohl, daß man
dem Pariser Händler Bing fünf Räume zur Verfügung
stellte, um französische Zimmereinrichtungen zu zeigen, die
in dem sehr modernen englischen Stil gehalten, aber durch-
aus nicht überall geschmackvoll und noch weniger muster-
haft sind. Und das, ohne von den Keimen eines neuen
deutschen Kunstgewerbes, die so hoffnungsvoll sind, auch
nur eine Probe zu zeigen. Das Kabinet von Jos. Rösl
hätte den ganzen Kram totgeschlagen, wieviel Werke
deutscher Künstler sind znrückgewiesen worden, um diese
rein geschäftliche Schaustellung zu ermöglichen.
Auch der belgischen Plastik gegenüber hätten die
Deutschen wohl besser abschließen können, als cs der Fall
ist. Aber statt möglichst alles heranzuziehen, was dazu
geeignet war, hat man es geradezu geflissentlich fernge-
halten. Man hat von Berlin, das ja aus diesem Gebiet
zunächst in Betracht kommt, und von München ausdrück-
lich kleinere Arbeiten erbeten. Schilling und seine Schüler
können natürlich nicht würdig die deutsche Plastik ver-
treten. Aber ein Künstlerkomits wird doch wohl wissen,
daß es in Deutschland Bildhauer giebt, deren Werke sich
neben den belgischen sehen lassen können.
Auch die Abneigung gegen Berlin scheint Herr Kuehl
aus München importirt zu haben. Die Berliner Künstler, die
ersten, die der Dresd euer S ez essi0n Gelegenheit gaben,
als Gruppe auszustellen, sind einfach unerhört behandelt
worden, wieder ein wenig Statistik! Aus München hat
man ((0 Gemälde von 67 Malern, aus Berlin H5 von 22
Malern ausgesucht. Neben ein paar von den älteren sind
nur die Els berücksichtigt morden. Als ob es nun weiter
garnichts bei uns gäbe! Die Berliner werden gut thun,
sich das zu merken, wenn es in München Leute gab, ich
sage gab, die glaubten, Berlin entbehren zu können, so
läßt sich das begreifen. Die Dresdener Herren, die jetzt
natürlich voll großer Hoffnungen sind, werden sich noch
wundern, wenn die Berliner sich für dies freundliche Ent-
gegenkommen revanchiren. Der Kamm ist ihnen etwas
zu früh geschwollen.
Auch in Dresden selbst wird sich noch ein Sturm er-
heben. Bei der Nachahmung der Sezession hat man doch
gar zu sehr vergessen, daß diese eine erklärte Parteiaus-
stellung war, die einseitig sein durfte, weil die andere
Seite den Glaspalast hatte. In Dresden wird die Be-
nachteiligung derer, die nicht zu dem kleinen Kreise ge-
hören, gleich zur Lebensfrage, und bei solcher werden die
Menschen leicht unangenehm. Es wird einen mächtigen
Rückschlag geben, den man bei etwas Mäßigung sich und
der Sache wohl hätte ersparen können. Aus die Dauer
kann doch Dresden nicht zu einer bloßen Filiale der
Münchener Sezession gemacht werden.
 
Annotationen