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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 18
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Stahl, Fritz: Glossen zur Berliner Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0323

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Nr. (8

D ie A u n st - H a l l e I-r^

28s

Freilich hatte es harter Kämpfe bedurft, um dieses Ziel
zu erreichen. Daß auch wir mit besten Kräften in diese
Kämpfe einzugreifen suchten, mag uns berechtigen, nun
auch an das entstandene Werk in der Folge bezüglich
seiner Details die kritische Sonde anzulegen.
Rud. Berger.
Nachwort der Redaktion: Außer diesen Stim-
mungsbildern vom Münchener Kunstschauplatze werden
wir schon in den nächsten Nummern, aus der Feder von
Georg Fuchs, kritische Besprechungen der Münchener
„Internationalen" bringen.
Glossen
Merline? AusskelluyK.
Ls war niemals so schwer, eine Ausstellung zu be-
sprechen, wie diese. Diese persönliche Erfahrung würde
ich für mich behalten können, wenn sie nicht zugleich die
allgemeine enthielte: es war niemals so schwer eine Aus-
stellung zu übersehen.
Auch das erste geht nicht nur die Kritiker an. von
den ersten Eindrücken, die sie erhalten und ehrlicher
Weise niederschreiben müssen, hängt, man kann das be-
klagen, das Schicksal der ganzen Veranstaltung ab. Ich
bin überzeugt, die meisten werden schließlich zu einem
günstigeren Urtheil gelangen, wie ich von der Dres-
dener Ausstellung behaupte, sie ist nicht so gut, so be-
haupte ich von der Berliner, sie ist besser als sie
aussieht. Aber was nützt es, wenn selbst alle das zu-
geben, nachdem sie geschlossen ist oder wenigstens, nachdem
die Besprechungen erschienen sind! Und die wenigsten
sind in der glücklichen Lage, warten zu können, bis sie
die ganze Ausstellung studirt haben.
Das zweite geht das Publikum und zwar das beste
an, das sich selbst eine Meinung bilden will. Es er-
müdet so, daß es die Aufnahmefähigkeit schnell verliert.
Auch der beste willen hat seine Grenze, und wer ein
paar Stunden sucht, ohne zu finden, der meint leicht, es
sei eben nichts da. wer aber diesmal nicht bis in die
dunkelsten Ecken geht, der lernt die Ausstellung über-
haupt nicht kennen.
Der Hauptfehler liegt in dem unerhörten Ausein-
ander z erre n der Sammlung. Und gerade diesmal, wo sie
deshalb nöthiger war als je, hat man die kaum einge-
führte Neuerung, die Saalnummern im Katalog anzu-
führen, wieder aufgegeben, warum? Ls ist so ganz
unmöglich, sich zu orientiren. Man hätte das in ge-
wissem Maße dadurch ausgleichen können, daß man ein
paar Elitesäle arrangirte oder die besten Bilder wenigstens
in die Reihe der Mittelsäle hängte, die doch nun einmal
zumeist aufgesucht werden. Gerade das Gegentheil ist
geschehen. In den Seitensälen zwischen den allerbösesten
Bildern sind kleine feineptrbeiten vollstä ndig verhängt.
Und für die Mittelsäle sind Werke ausgesucht, als habe
man geradezu die Besucher abschrecken wollen.
Gerade in diesem Jahre feiert die Ausstellungskunst
in München und Dresden Triumphe. Ist es Absicht, daß

man bei uns diese Kunst verschmäht? Oder giebt es in
Berlin keine Künstler, die sie auch nur kennen? Beides
ist doch unmöglich. Also bleibt nur das Dritte: Die
Kommission stand nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe. Ich
weiß sehr wohl, das trifft nicht auf jedes Mitglied zu,
aber die Minorität, die es besser versteht, sollte dann die
lammherzige Gelassenheit und die gemüthliche Kollegiali-
tät fahren lassen und mit etwas größerer Energie ihre
abweichende Ueberzeugung vertreten. Es sind Dinge
xassirt, die einfach unglaublich sind. Lin Beispiel! Ls
ist ein Bild da, das eine Art von Totentanzmotiv be-
handelt und in einer graublauen Harmonie gehalten ist.
Zu seinem nicht geringen Schreck findet der Maler zu
beiden Seiten Blumenstücke von feuerrothem Nohn. Auf
seine Reklamation sagt man ihm: der Arrangeur habe sich
gerade so gefreut über die sinnige Gruppirung. Ja, was
ist das für ein Standpunkt. Sicher doch nicht der eines
Malers. Etwas Aehnliches aus der Plastik! Da ist ein
entzückendes Kinderköpfchen, ein Meisterwerk in seiner
Art. Das ist so niedrig gestellt, daß man von oben da-
raus herabsieht. Das sind Einzelheiten Aber sie sind
so bezeichnend. In dieselbe Rubrik gehört auch, wenn
kleine Bildchen in den großen Sälen und noch dazu hoch
gehängt werden, wenn das Bischen Kleinplastik in einen
Raum gestellt wird, wo es verschwindet, während doch die
Kojen geradezu nach intimer Kunst schreien. Bei der
Plastik fällt es diesmal, da der Raum doch reichlich zur
Verfügung stand, besonders auf, daß die Werke trotzdem
an die wände geklebt sind und nur eine Ansicht bieten,
während es doch der Eharakter dieser Kunst erheischt,
daß sie rundum gezeigt werden. Warum also hier nicht?
In der ganzen Ausstellung ist nur ein Saal, der den
modernen Anforderungen entspricht: die K o l l e ktiv - Aus-
stellung Li ebermanns. Und es ist sehr hübsch, daß gerade
gegen diesen im Künstlerverein sich ein Entrüstungssturm
erhoben hat. Als Herr Lharles F. Ulrich, der die Deko-
ration dieses Raumes geleitet hat, vor Jahren im Mün-
chener Glasxalast in seiner geschmackvollen, echt künst-
lerischen Art die Säle der Amerikaner eingerichtet hatte,
da kam die Sezession und sagte: Du bist der Mann, der
das heute am besten versteht, mach' uns unsere Aus-
stellungen! Mir scheint, das war richtiger gedacht. Dazu
hätten sich auch die Berliner Künstler aufschwingen sollen.
Aber freilich ist der Schlendrian viel bequemer. Und das
Publikum wird noch oft zeigen müssen, daß es lange nicht
so dumm ist, wie den Herren lieb wäre, bevor sie sich ent-
schließen werden, diesen Schlendrian zu verlassen.
Immer dringender wird für alle diejenigen,
die ein blühendesKunstleben in Berlin wünschen,
die Noth wendigkeit sich zusammenzuschließen
und im Künstlerverein eine neue Aera herauf-
führen zu helfen. Die Majorität ist nicht mehr
groß, wenn die, die sich heute fern halten, zu
einer aktiven Politik sich entschließen würden,
wäre jene an demselben Tage zur Minorität
geworden.
Ls soll ja gar keine künstlerische Richtung zur ex-
klusiven Herrschaft gebracht werden. Ls ist nichts anderes
nöthig, als daß einmal energische Leute von Geschmack
und praktischem Sinn die Leitung der Geschäfte in die
Hand bekommen, nicht immer wieder solche, denen gerade
mit Fortwursteln am meisten gedient ist.
 
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