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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 3
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Fischbach, Friedrich: Finnische Ornamente
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Seidl, Arthur: Eine Ausstellung von Handzeichnungen deutscher Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0050

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38

-Die K u n st - p a l l e. - Nr. 3

stützen werden. Ist die Grammatik der großen Sprach-
gruppen genügend festgestellt, so schöpfen die Gelehrten
das Gold der Ideen aus dem Born der Weltsprachen.
Nach und nach erkennt man, daß auch die Orna-
mentik ein solcher Born ist, der aus fernster Dorzeit
Goldkörner enthält.


Eine Ausstellung von Handzeichnliugen
deutscher Künstler.
von Dr. Arthur Seidl, Dresden.
(s^^as ist doch hoffentlich selbst für Berlin noch nichts ganz
Alltägliches, so daß diese Ueberschrift für unseren
heutigen „Dresdner Kunstbrief" an sich wohl schon gerecht-
fertigt erscheint! Die Ernst Arn old'sche pofkunsthand-
lung Hierselbst, sie „hat's gewagt mit Sinnen", dieses heikle
Experiment nämlich mit der Gunst des launischen I'. ll'.
Publikums, und der gefällige Katalog ihrer seit p Oktober
eröffneten, sich keineswegs etwa nur auf die Dresdner Kunst
allein beschränkenden Ausstellung zählt nicht weniger als
400 Nummern direkt aus der pand hervorragendster zeit-
genössischer Meister, wie sie nur selten mit solcher An-
mittelbarkeit und Ursprünglichkeit, vom Bauch des persön-
lichen umgeben, in ihrer geistigen Werkstatt sich belauschen
lassen und nicht allzu häufig in solch mannigfaltiger Ein-
helligkeit gleichzeitig an ein ein Mrte beisammen sich ver-
einigt finden dürften, wobei dann überdies noch gar nicht
einmal die Rede ist von dem regen Interesse, das solch be-
herztes vorgehen, dieser konsequente Schritt im Ausstellungs-
wesen von den Schwarz-Weiß-Kollektionen zur Auslegung
eigenhändiger Mriginalstudien hin, in unseren Zeiten des
Karben-Raffinements bei den weitesten Kunstkrcisen ganz
ohne allen Zweifel für sich in Anspruch nehmen darf. Nicht
ohne Grund betont der umsichtige Veranstalter in dem kurzen
Vorwort zu seinem Katalog, wie „gerade die Zeichnung in
oer neuesten Bewegung der deutschen Kunst ost unbeachtet
geblieben oder unterschätzt worden ist", ohne daß sich wohl
mit Erfolg nachweisen ließe, daß sie in der modernen Kunst
etwa nicht „die gleiche wichtige Rolle, wie seit Jahr-
hunderten in der deutschen Kunst, spiele." Und da er bei
Auswahl der Künstler vor Allein daraus bedacht gewesen,
„in erster Linie die für die Entwicklung der modernen Kunst
bezeichnenden, oder durch kraftvolle Eigenart sich besonders
hervorthnenden Künstler heranzuziehen", so ist diese Aus-
stellung in der That sehr wohl dazu angethan, auch über
die Stadtmauern der sächsischen Residenz hinaus gerechtes
Aussehen zu erregen.
wie ganz anders doch die Stimmung in einem solchen
Raunte mit seinen ruhigen Zeichenblättern, gegenüber der-
jenigen in den zerstreuenden Sälen unserer vielbesuchten
großartigen, sarbenschreienden Ausstellungen und Gemäldc-
gallcrien! Es ist, wie wenn das Goethe'sche „Bilde Künstler,
rede nicht!" den Zeichner bei seinem natürlichen Verzicht aus
das wechselvolle Farbenspiel der freien Natur noch stärker,
als den Bildner sonst, nach innen geführt hätte und dieser
Vorgang sich nun hier, beiin Besehen der Bilder, für den
Besucher wieder in ein energisches: „Schau'und schweige!"

nmsetzte. Etwas von der aparten Stimmung vornehmer,
gediegener Kammermusik überträgt sich uns beim Anblick
dieser schlicht und wahr, mit den einfachsten, anspruchs-
losesten Mitteln wirkenden versuche und Schöpfungen.
Die verschiedensten Seiten — je nach dem Standpunkte,
den inan dazu einnehmen will — lassen sich übrigens einer
solchen umfassenden und reichhaltigen Sammlung abge-
winnen. Das eine Mal ist es das Gefühl tröstlicher Zu-
versicht, das sich in uns belebt, wenn wir wahrnehmen, daß
unsere modernen Künstler über ihrem anhaltenden Farben-
studium und ihrer: impressionistisch-gewissenhaften Freilicht-
uud Freiluft-Aufnahmen eines sensitiven Kolorismus doch
auch das zuverlässige Gerippe sicherer und bestimmter Kon-
turen zu sehen, ihr Auge nicht entwöhnt, das schulgemäße
Zeichnen nicht ganz verlernt und die strengen anatomischen
Gesetze nicht vergessen haben — was wir z. B. beiA.Kamps,
Volz, Mackensen, sowie unserem heimischen Iungmeister
Pietschmann mit Genugthuung konstatiren dürfen. Lin
ander Mal erwächst uns die unverholenste, lebhafteste Be-
wunderung umgekehrt gerade darüber, wie eine zielbewusst
schaffende und zeitgemäß fortschreitende Technik auch aus
diesem Gebiete das gegebene, bescheidene Material von Blei,
Kohle. Röthel, Kreide, Tusche und Tinte (unter Zuhilfe-
nahme höchstens leicht abgetönter Papiersorten) zur nahezu
schon malerischen Wiedergabe von Beleuchtungsproblemen
und Naturmomenten, Luftperspektiven und Landschafts-
stimmungen, selbst bis in die poetischen Feinheiten zartester
Ucbcrgänge und Weitenuancen hinein, zu steigern verstanden
hat — ein spezifisch pittoreskes Auffassungs- und Darstellungs-
vermögen zum Durchbruch gelangte, welches mit den ebenso
primitiven wie spröden Mitteln der Zeichnung allein ost die
verblüffendsten Wirkungen, z. B. von Reflexen oder Licht-
flecken durchschimmernder Sonnenstrahlen, deren sich die
malerische Technik noch kaum recht bemächtigte, mit vollem
Erfolge zu erzielen weiß. Es sind namentlich der in Paris
gereiste Dresdner Eonrad Starke und Cornelia Paczka
geb. Wagner, aus die ich neben Max Liebermann, F. von
Uhde und Kampmann in diesen: Zusammenhänge gern
besonders aufmerksam machen möchte.
Bald ist es die reine Freude an der später nie wieder
erreichten Intimität und klaren Prägnanz, was wir bei
charakteristischen, nach lebendigsten:, rasch vorüberhuschendem
Augenblickseindruck, in glücklicher Stunde frisch und flüchtig
hingeworsenen Skizzen empfinden (Sterl, Mrlik). Bald
erwacht unser persönliches, sozusagen biographisches und
historisches Interesse an dem Werdeprozeß eines uns längst
als Ganzes bekannten, langsam herangereiften größeren
Kunstwerkes in Gel, das uns die hier aufgelegten, dem
Gewollten zusehends näher kommenden zeichnerischen Vor-
studien und sorgfältigen Gedächtnißnotirungen des Künst-
lers mit aller Aufmerksamkeit verfolgen läßt. (vgl. nament-
lich paug's werthvolle Vorarbeiten zu seinen Historien-
bildern). Und dann wieder ergreift die rein ästhetische Be-
friedigung von uns Besitz an der künstlerischen Vollendung
einer in durchaus individueller — um nicht zu sagen: eigen-
sinniger — Mcisterhandschrist bis zum abgerundeten, voll-
ständigen Bild genau durchgesührten und fertigen Zeich-
nung — ich verweise hier u. v. A. nur aus Keller-
Reutlingen's „Am Abend", S t einhausen's „Selbst-
bildniß", Stausser-Bern's „Schäfer", Pans v. volck-
mann's oder wilh. Ritte r's Landschaftsdarstellungen.
Pier finden wir geniale, geborene Griffelmenschen,
 
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