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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 22
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Meissner, Franz Hermann: Berlin: Die Museumsfrage, [1]
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Fuchs, Georg: München: Das Kunstgewerbe a. d. Internat. Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0390

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ZHO

»r-Z Die Au n st-Palle

solche Genies wachsen nicht wild, es giebt aber in
jedem Zeitpunkt solche, nur daß aus rein äußeren
Umständen dieselben meist nicht aufkommen und sich
nicht entwickeln können. Die heutigen Konkurrenzen
bringen selten einen davon zu Tage, weil die Be-
dingungen nicht lohnend sind. Ls müßten sehr große
Preise, je nach Umfang, Schwierigkeit, Entfernung
ausgesetzt werden, — so daß der Erfolg ein wirklich
-lockender Gewinn und gewissermaßen Lebenser-
eigniß ist, — und etwa bis 5 Zahre Frist namentlich
bei ausländischen Konkurrenzen gegeben werden, so
daß jeder die Mittel zur Ausführung voraussichtlich
beschaffen kann. U)er sich der Sache gewachsen
fühlt, weiß auch die Wege dazu zu finden. Es
müßten außer dem ersten Preis von sO—30000 Ulk.
etwa und ev. mehr aber noch lohnende Nebenpreise
— 5 bis sO Stück und mehr — ausgesetzt werden.
Sollte ein Kartell nut den deutschen Provinzial- und
Stadtmuseen als Abnehmern dieser Nebenpreise nicht
zu Stande zu bringen sein? Die Bewerbung würde
massenhaft unter solchen Bedingen stattfinden und in
jedem Fall mehrere vollendet gute Kopien sich dabei
ergeben. Für einen großen Theil der nicht prämiirten
Arbeiten aber finden sich ganz sicher Abnehmer. Es
giebt viele Leute von Geschmack, die nicht reich genug
für den Erwerb großer Kunst sind und mindere ver-
schmähen, — sie würden sich sicher erschwingbare
Kopien nach den großen Meisterwerkeu aufhängen.
Welch eine glänzende Perspektive eröffnet die
Vorstellung von einem solchen Museum, in dem durch
Meisterkopien von der vollen Schönheit der Originale
die große Kunst aller Epochen vertreten ist! Kunst-
sinn und Geschmack müssen einen wunderbaren Auf-
schwung nehmen in jenen weiten Kreisen, deren
Sinn für die bildende Kunst bei den heutigen Ver-
hältnissen sehr fraglich entwickelt ist. Nebenbei aber
würde namentlich der jüngeren Künstlerschaft durch
solche Koukurrenz mit dem Ansporn aller Kräfte und
zwangsweiser Vertiefung in die Alten eine Erziehung
zu Theil, die sonst durch nichts zu ersetzen ist.
Von welcher Seite man das System der Kopien-
Museen auch betrachten mag, bietet es so ge-
winnende Ausblicke und ganz unleugbare Vorteile, daß
es als eine wirkliche Verbesserung und natürliche
Fortbildung der heutigen Sammelgrundsätze zu gelten
hat. Ob sich freilich der thatkräftige Wann bei uns
findet, der diesem System, weil es gut und volks-
thümlich ist, näher tritt, ist eine andere Sache. Aber
einmal kommt es doch dazu, und derjenige, welcher
diese Neugestaltung in die pand nimmt, wird den
Nuhn: davontragen.
(Lin zweiter Artikel folgt.)


üncken;
Vas
a. d. Znteraat. Kunstausstellung.
von Georg Fuchs, München.

tiHum ersten Wale erscheint das deutsche Kunst-
Ep gewerbe auf einer internat. Kunstausstelluna
selbständig, zum ersten Wale mit dem deutlichen
Verlangen, als neue Lntwickelungsphase innerhalb
des künstlerischen Lebens der Nation zu gelten.
Nicht ohne Bosheit faßt der offizielle Katalog die
beiden kleinen Stuben, welche man mitleidig gerade
noch für diese Sorte von Kunst übrig hatte, unter
dem Namen „Kleinkunst" zusammen. Vorher aber
sind alle die schönen, alten, theuren Gobelins, von
welchen wir bereits mit den nötlfigen ehrfürchtigen
Schauern erzählt haben, unter der Aufschrift: „ Deko-
rative Kunst" rangirt. will sagen: was vor
hundert und aberhundert Zähren zur Ausschmückung
des Znnenraumes erfunden worden, das rechnen die
Wünchener offiziellen „Kunst-Oberen", wie Sigl
sagen würde, als die wirkliche, wahre, einzige und
allein seelig machende, von Gott und dem Gesetze
ein für alle Wale und für ewige Zeiten zu steter
Nachahmung unveränderlich festgelegte „Dekorative
Kunst". Vor allem die „Renaissance", die deutsche
und die italienische, die frühe und späte — die im-
ponirt dem etwas philiströsen Wünchener Kunst-
Professor aus der guten alten Zeit ganz über die
Waßen: wenn es in der Stammkneipe einmal keine
Leuchterweibchen und Nautilus-Pumpen, und in den
Ateliers keine alten Gobelins mehr gäbe, dann würde
er lieber sterben. Und wer heut zu Tage Kunst-
gewerbe treiben will, der hat das „gute Alte" nach-
zuahmen, anderenfalls bringt er eben nur „Klein-
kunst" zu Wege. Wan hätte diese tempelschände-
rischen „Künstler" vielleicht gar nicht herein gelassen,
wenn sie nicht schon Ansehen bei den Kunstfreunden
des Zn- und Auslandes erlangt hätten. Daß dies
so ist, das hat vorzugsweise das Auftreten zweier
hochbedeutender Künstler bewirkt: Permann Gbrist
in München und Melchior Lech ter in Berlin. An
diese, dann auch an Otto Eckmann, p. E. von
Berlepsch u. A., schlossen sich mehr und mehr junge
Talente an, unsere ersten Kritiker redeten ihnen das
Wort — man durfte sie nicht mehr übersehen,
ohne dem Fluche der Lächerlichkeit zu verfallen.
Freilich scheinen zwei Thatsachen den Gegnern
dieser neuen, schöpferischen Art von Kunstgewerbe
Recht zu geben: Einmal der Wnstand, daß die Künstler,
welche als die Träger desselben gelten, unter sich
uneins sind, daß Zeder von sich behauptet: „Zch bin
das deutsche Kunstgewerbe"; daß ferner ihre Arbeit
als Gesammtheit betrachtet — und dazu haben wir
hier zum ersten Riale Gelegenheit — durchaus keine
Tendenz erkennen läßt, welche auf das Entstehen
eines neuen, allumfassenden Stiles hindeute. Die
Werke des Eineu sind stark stilisirt, die des anderen
durchaus naturalistisch: sie scheinen gänzlich divergierend.
— Zum Anderen wird hervorgehoben, daß sich
ihre Thätigkeit kaum oder gar nicht in unsere Woh-
nungen Zutritt verschafft hat, daß sich auch diejenigen
reichen Leute, welche das lebhafte Znteresse am
Fortschritte bekunden, nur äußerst selten und schwer
entschließen, Stücke aus den Ateliers dieser Künstler
 
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