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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 23
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Stahl, Fritz: Berlin: Grosse Kunstausstellung, [5]
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Wolff, Franz: Wien: Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0414

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362

Die A u n st - a l I e

Nr. 23

„Laubengang" von Otto Feld verdienen Aufmerk-
samkeit, eine afrikanische Landschaft mit Llepbanten
an der Tränke von IO. Kuhnert überragt die ge-
wöhnlichen exotischen Schilderungen erheblich. Das
Doppelporträt zweier Frauen von Seydewitz ist
ein tieses Stück Aienschenmalerei.
Im Saal 37 fällt vor allem ein Damenbildniß
von Julie Wolf-Thorn auf. Die junge Künst-
lerin, auf die ich schon bei Besprechung der vorigen
Ausstellung hinwies, zeigt darin eine Feinheit der
Tharakteristik und eine Sicherheit des Könnens, die
ihr einen hohen Rang in der Porträtmalers: sichern.
Das Bild zeigt eine junge Dame von Geist und
Temperament in etwas exzentrischem Ballftaat.
Künstliches Licht fällt von oben herein und giebt auf
dein glänzenden Stoff interessante Reflexe. Wein:
man auf den ersten Blick an Dannat erinnert wird,
so ist mehr der Typus des Kopfes und sein Schmuck,
der aus zwei großen rothen Blumen besteht, daran
Schuld. In Wirklichkeit ist die Aufgabe ganz selbst-
ständig gelöst. In der ganzen Art freilich ist die
pariser Schule, in guten: Sinne, nicht zu verkennen.
Rian darf gespannt sein, wie Frl. Wolf andersartigen
Aufgaben gegenüber sich bewähren wird. Zwei
Landschaften, die Riax Rth ausgestellt hat und die
beide Abendstimmungen aus der Mark behandeln,
bedeuten für den Künstler einen großen Fortschritt.
Namentlich der „Abend" mit dem wundervoll ge-
malten Wasser ist ein bedeutendes Stück Landschafts-
malerei. Ferner ist der Belgier Tarpentier hier
mit einen: feinen Werke „Frühlingsblumen" ver-
treten; es zeigt ein junges Rkädchen, das zur Firme-
lung geführt wird. Txters „Pimmelfahrt" berührt
peinlich, trotzdem es als Farbenfleck interessant ist:
es scheint doch nicht möglich, die großen Dinge der
Rkenschheit nur als dekorativen Tffekt zu behandeln
und mit ein paar mehr brutalen als breiten Pinsel-
strichen abzuthun. Rkodersohn und Frenzel sind
noch hier vertreten, außerdem Le istikow mit den:
schönen „versponnenen Wald", und Trust Haus-
mann mit älteren Arbeiten.

>v j 6 n:
Wciystlwiek.
Kunst ist zu sehr Eache des Temperaments, als daß
nicht ihre Jünger leidenschaftlich handeln sollten. Kaum
wird inan irgendwo mehr Leidenschaft und Starrsinn finden,
als unter ihnen und stets war jede ihrer Neuerungen von
heftigsten Erregungen begleitet. Durch die Gegenstellung
des xrivilegirten Künstlers ,„mit Vergangenheit" und des
jungen „ohne Zukunft" entstand naturgemäß Kliguen- und
Protektionswesen, das in seinen verschiedenen Mitteln:
Zurückweisung von Bildern bei Ausstellungen, schlecht-
hängen derselben, vertheilung von Preisen und Medaillen
einen gradezu naiven Eigennutz bekundet. Manch auf-
strebender junger Künstler ist in: vergeblichen Kampfe gegen
alle diese heimtückischen Mafien ins Lager der wohlbe-
hüteten Tradition über und leider darin auch untergegangen.
Ist einmal in einer Verbindung, wie unsere Künstler-
genossen schäft sie vorstellen sollte, ein Etaat in: Etaate ent-
standen, so geht allmälig der ursprüngliche Zweck derselben,

„objektive Wahrung der Interessen aller nach außen",
immer mehr verloren, es entsteht blinder Autoritätsglaube,
der jedem individuell Schaffenden die Thüre verschließt, und
eine Geschäftsgebahrung, die nur Aufmerksamkeit und Zeit
für die Mitglieder der Klique hat. Der Einsichtsvolle wird
nicht verkennen, daß auch unser modernes Ausstellungs-
wesen die Sache erschwert, es ist bei diesen künstlerischen
Mafienabfütterungen nicht zu verwundern, daß die Juroren,
müde und abgespannt, nicht jedes Bild nach seinem wirk-
lichen Werth beurtheilen können oder auch mal ein minder-
werthiges „in Gottesnamen" zulassen — aber andererseits
kann Jeder, der mühevoll arbeitet, Gerechtigkeit und Raun:
für sein Werk beanspruchen.
Die Sezession in Wien hat wohl dieselben Ursachen
wie in allen übrigen Städten und hat nur das eine be-
sondere Merkmal, daß sie später als alle anderen entstanden
ist. Der Grund liegt nahe genug. Die Päupter der
wiener Genossenschaft haben es verstanden, um den Palast
in der Lothringerstraße eine undurchdringliche chinesische
Mauer zu ziehen und jeden Zuzug frischer, kräftiger Luft
so lange als möglich abzuhalten, ebenso nur wohl teinpe-
rirte hinaus zu lassen. Wiewohl kurzsichtig geuug, ganz
unbegreiflich erscheint es freilich nicht, wenn inan bedenkt,
daß die Anhänger der letzte:: großen Kunstperiode, die in
Wien unter Makart zu ihrer Höchstei: Vollendung gelangte,
noch heute daran zehren und eine der ihren diametral
gegenüberstehende Kunstrichtung mit allen Mittel:: be-
kämpfen müssen.
Zur Theilnahme an ausländischen Ausstellungen
wurden allerdings sämmtliche Mitglieder der Genossenschaft
eingeladen. Aber daß z. B. in einem Falle die Anmelde-
zettel den Künstlern zu spät zugingen, um die allerdiugs
retrospektive Ausstellung mit Namen einer vergangenen
Kunstperiode füllen zu können, oder ein andermal: wie trotz
rechtzeitiger Anmeldung und Einsendung eines Werkes und
sogar Annahme desselben dieses einfach zurückblieb, um
einige:: Ausschußlieblingen Platz zu machen — ist traurig und
bedauerlich, da es nicht allein unrecht gegen Einzelne war,
sondern dem Auslände ein falsches Bild der modernen,
österreichischen Kunst vorgeführt hat. Begreiflicherweile
war man dort von ihr auch nicht sehr erbaut. Ueberall
war ein kräftiger Zug bemerkbar, nur bei uns wars beim
Alten geblieben. Zu wundern ist's also wahrhaftig nicht,
wenn gewisse namhafte ausländische Künstler gar keine
Neigung empfinden, ihre Werke nach Wien zu schicken, wo
für sie wenig Verständnis; zu hoffen ist.
Durch die planmäßige Abschließung dauerte es natur-
gemäß bei uns länger als anderwärts, bis die Jungen sich
regten, und harte Kämpfe hatte es gekostet, bis sie es
endlich doch durchsetzten, daß die Eezessionisten anderer
Etädte offiziell eingeladen wurden, in Wien auszustellcn.
Man mag über die moderne Richtung denken, wie man
will — in jedem Falle hat sie doch ein Recht, gesehen zu
werden. Und um dieses Recht zu ermöglichen, kau: es zu
bedauerlichen Vorgängen, sogar zur Ausschließung eines
Mitgliedes aus der Genossenschaft, einem Fall, der in deren
Annalen noch nicht dagewesen ist! — Der Ausgeschlossene
hat sicher nicht Unrecht gehabt; die Form, in der er sein
Recht vertrat, war allerdings seiner nicht ganz würdig.
Doch spricht sichs wohl in Momenten der Aufregung nicht so
abgerundet und wohlgestaltet, als in ruhigen — und die
Abwehr war gewiß nicht weniger brüsk als der Angriff.
 
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