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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 9
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Stahl, Fritz: Zur Frage des Kunststudiums
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J., F.: Gustav Freytag über plastische Kunst
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Die Run st-Halle


Nr. 9

ist ein ganzes Kapital für sich. Die neue Bewegung
hätte unrühmliche Blätter in ihrer Geschichte
nicht gehabt, wenn die jungen stümper die alten
Meister — die wirklichen — recht gekannt Be-
scheidenen Mut giebt die Vertiefung in die alte
Kunst, die nur durch die Unterweisung eines künst-
lerisch und modern empfindenden Fachmannes möglich
ist. Und neben anderen: auch Aufklärung über das,
worauf es ankommt. Die Verachtung kleinlicher
Triks, den Zug zum Großen, die der Verfasser
predigt, wo können sie dem jungen Künstler tiefer
eingeprägt werden als von den Werken der Alten.
Auch die Kenntniß von den Bedingungen, unter denen
die Meister arbeiteten, ist wichtig und die Erkenntniß
von der Entwickelung der Kunst.
Das ist, sehr kurz gefaßt, ein Kommentar zu
dem Aber —, das ich dem Lob des Buches anfügen
mußte. Die Frage des Kunststudiums wird befriedigend
erst gelöst sein, wenn die Praxis, neben den Zdeen
des Verfassers, auch die hier angedeuteten berück-
sichtigt.
X

Gustav Freitag

über plastische Ikunst.


enn ein großer Dichter und echt deutscher
Mann wie Gustav Freytag in manchen

seiner Briefe auch künstlerische Bekenntnisse hinterließ,

so glauben wir die Pflicht zu haben, unsere Leser mit

deren Znhalt vertrautzu machen. Die N. Fr. Pr. durfte
die an einen jungen Wiener Bildhauer zwischen s888
und f8s)H gerichteten Briefe Frevtags veröffentlichen.
Sie sind zwar im väterlichen Tone nur an eine be-
stimmte Persönlichkeit, die durch das edle Marmor-
werk einer „Märtyrerin", einer am Kreuz gebundenen,
ihren Säugling stillenden jungen Mutter, auch uns
längst nicht mehr fremd ist, gerichtet. Aber diese
Schriftstücke eines so fein, so künstlerisch empfindenden
Poeten enthalten Gedanken, die werth sind, weiten
Kreisen des schaffenden und kunstgenießenden Publi-
kums mitgetheilt zu werden, Hat man es hier auch
nur mit rasch hingeworfenen Sätzen des Dichters zu
thun, so bürgt uns doch nicht allein die Fähigkeit des
Schreibers, sondern auch die tiefe Theilnahme, die
Liebe und Freundschaft, die jener von dem Vater des
jungen Bildhauers warmherzig auf den Sohn über-
trug, daß er sein Bestes und Echtestes, was er für
dessen Kunst fühlte, seiner Korrespondenz anvertraute:
„Weil Du, guter Zunge, mir als Mitglied Deiner
Familie lieb geworden bist, auch deshalb, weil Du
als Künstler meinem Reiche angehörst und weil
ich Deinem lieben Vater gegenüber für Deine Lauf-
bahn als Bildhauer eingetreten bin."

wir wollen auch nur Fragmente aus diesen
Briefen mittheilen, die abwechselnd aus Wiesbaden
und aus dem idyllischen Wohnorte des Dichters,
Siebleben, an die Adresse des Bildhauers gelangten,
der seine künstlerische Ausbildung in Wien unter
Tilgner begann, um sie darauf in Berlin, Paris
und — dank dem Michael Beer Preis, der ihm
zu Theil wurde — in Nom zu vollenden.
Das erste Schreiben (Wiesbaden, f888) will den
Anfänger auf die Schwierigkeiten der ersten Lehrzeit
ausmerksam machen. Ls empfiehlt dem zumal in
realistischer Porträtkunst begabten Bildnereibeflissenen
dringend im Atelier Tilgner's anszuharren. Die
interessanteste Stelle dieser Ausführungen lautet:
„. . . wie es mit deiner Kraft, Zdeales zu ge-
stalten, steht, kannst weder du noch irgend Jemand
jetzt schon beurtheilen. Zn jedem Falle ist dir zu
dieser glänzenden natürlichen Anlage noch zweierlei
nöthig, was du nur durch angestrengten Fleiß und
mit dauernder Hingabe an die Arbeit erreichen kannst:
Erstens eine feste und sichere technische Schule des
Auges, der Hand, der Phantasie. Also das Hand-
werk. Dafür mußt du die Resignation und die Ge-
fügigkeit eines Lernenden in dem Atelier eines an-
erkannten Meisters bewähren. Zweitens eine Bil-
dung, namentlich Erwerb von Anschauungen und
kunsthistorischen Kenntnissen in der Antike und Re-
naissance. Für beide Bildungselemente, die prak-
tische und theoretische Schulung, bedarfst du eine
Lehrzeit von mehreren, will sagen, von drei Zähren,
während dieser Lehrzeit darf dir das porträtiren
Bekannter und Solcher, denen deine Fähigkeit, zu
treffen, imponirt, nur Nebensache deiner Freistunden
sein, denn alle Erfolge und alles Lob, das du da-
durch gewinnen kannst, sichern dir noch nicht die
künstlerische Tüchtigkeit. Du würdest dabei ein Di-
lettant und Halbkünstler bleiben und in späteren
Zähren ein Mann, „der eine große Zukunft hinter
sich hat".
. . . Mb Tilgner bei deiner Persönlichkeit der
möglichst beste Lehrer war, ist jetzt außer Frage. Du
kannst in jedem Falle viel von dem, was dir zunächst
nöthig ist, durch ihn lernen. Zch nehme an, daß
du deine Arbeiten in seinem Atelier bereits wieder
hast aufnehmen können. Denn dies ist jetzt für dich
die Hauptsache, und ich bitte dich herzlich, lass' dich
auch durch Manches, was dir vielleicht an ihn: nicht
behagt, in deinen: Eifer als Schüler nicht stören.
Und darf ich dir in die nächste Zukunft Deinen
Lauf vorzeichnen, so wäre meine Ansicht folgende:
Du suchst den Verlust zweier Monate durch ununter-
brochene eifrige Arbeit in Tilgner's Atelier bis
zum Sommer einzuholen. Zn: Sommer, etwa in:
August, kommst du zu mir, wahrscheinlich nach Sieb-
leben. Dort ruhst du dich aus. Von da gehst Du
nach Dresden zu Schilling. Für diesen glaube ich
Dir Empfehlungen mitgeben zu können, welche dir
 
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