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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 10
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Stahl, Fritz: Merkwürdiges von Konkurrenzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0174

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sfi8 --Die Kunst-Halle

Nr. sO

Merkwürdiges von Konkurrenzen.
von Fritz Stahl.

enn die Künstler einsichtiger wären und wüßten,
wieviel für sie und die Kunst von einer Be-
lehrung des Publikums abhängt, wieviel sogar schon
von einer Belehrung der Schaffenden, so würde die
Ueberschrift dieses Aufsatzes in den Blättern die Ueber-
schrift einer ständigen Rubrik werden. Da eine solche
Belehrung unterbleibt, muß feder Künstler den Kamps
gegen die . . . unglaublichen Ansprüche der Bestellen-
den für sich und immer wieder von neuem führen
oder still sich fügen, Ze nachdem er es für das
kleinere Uebel hält, die Nachtheile auf sich zu nehmen,
die in der Erfüllung der Zumuthungen, oder die in
der Durchführung des Streites liegen.
Mie weit es durch das laisssr aller gekommen
ist, zeigt in einen: geradezu klassischen Beispiel das
Ausschreiben der Bereinigung sür Errichtung eines
Kaiser Milhelm-Denkmals in Groß-Lichterfelde.
Es sind zwölf Künstler, darunter die angesehensten
Berliner Bildhauer, zu dem Mettbewerb ausgesordert
worden. Zn dem Rundschreiben steht wörtlich:
„Alit Rücksicht aus die vorhandenen geringen Rüttel
können Preise oder Entschädigungen leider nicht er-
theilt werden. Mir können vielmehr nur in Aussicht
stellen, einen der in Folge dieses Ausschreibens ein-
gehenden Entwürfe zur Ausführung bringen zu lassen,
ohne eine Verpflichtung hierfür zu übernehmen." Da-
gegen ist zu liefern: a. eine Skizze des Gesammt-
aufbaues im Maßstabe l : HO, d. die Darstellung des
Kaisers selbst im Rlaßstabe s : ö, ... e. schriftliche
Angabe des Honorars, für welches das nach dem
betreffenden Entwurf zu fertigende Rlodell mit allen
Rechten in den Besitz des Ausschusses übergeben
kann." Meiter wird kostenlose Einlieferung der
Entwürfe verlangt, ebenso kostenlose Abholung. Der
Ausschuß fungirt als Jury, er kam: Fachleute zu-
ziehen, nennt aber in den: Ausschreiben keine Namen.
Reber die Höhe des Honorars, das etwa verlangt
werden kann, mag man daraus einen Schluß zielen,
daß sür das ganze Rlonument einschließlich Fundirung
und Umwährung llö (AD Rlark zur Verfügung stehen.
Rlan mache sich einmal klar, was hier den
Künstlern zugemuthet wird! Zch lasse ganz außer
Acht, daß die Zeit gerade der aufgeforderten Künstler
sehr theuer ist und berechne den Aufwand für die
Betheiligung nur mit s000 Rlark. Für diesen Auf-
wand Habei: ss voi: den sch unter Umständen alle
sch rein gar nichts als Aequivalent zu erwarte,:. Zm
besten Falle wird einer de:: Auftrag erhalte:: uud
vielleicht für das endgiltige Rlodell ein paar tausend
Rlark, voi: denen noch die tausend für den Entwurf
und die Selbstkostei: der Arbeit in Abzug zu bringe::
sind. Dieses unglaubliche Rlißverhältniß zwischen
Ansprüchen und Aussichten hat dazu geführt, daß die

voi: der Ehre der Aufforderung Betroffenei: mehr
oder minder deutlich abgelehnt oder das interessante
Hapier zu den Akten gelegt habe::, Mahrscheinlich
aber werde:: ffch die Lichterfelder Herren sehr darüber
wundern, die Gründe nicht begreife::, ihre Zirkulare
an andere Adressen senden und-vielleicht
schließlich doch naive, rechnungsunfähige Künstler
finden, die es nicht scheuen, das travaillsr po::r le
konnte äe löiellterkeläe.
Ls wäre trotz dieser Möglichkeit nicht nöthig ge-
wesen, über diese Konkurrenz ausführlich zu spreche::,
wein: sie vereinzelt dastände. Aber zugegeben, daß
das Ansschreiben eine Karrikatur der übliche:: ist, so
zeigt doch gerade die Verzerrung sehr deutlich die
lächerlichen Auswüchse des ganzen landesüblichen
Konkurrenzenwesens. Namentlich einen, Hier wie
in hundert ähnlichen Fällen ist eine Konkurrenz durch-
aus unnöthig, die überhaupt einen Sinn nur bei
großen Rlonumenten- oder ungewöhnlichen Beding-
ungen des Terrains u. s. w. hat. Solche Aufgaben,
wie sie von kleinen Gemeinden, oft sogar von großen
gestellt werden, kann einfach feder „gelernte" Bild-
hauer lösen, und lösen von zehnen neun oder mehr
in so gleicher Meise, daß nur für den Beauftragten
es nicht gleichgiltig ist, wer sie löst. Reinhold Begas
hat das hübsche Mort gefunden: „Zn ein paar Zahr-
hunderten werden sich die Forscher von den heutigen
Denkmälern sehr wnndern, wie ein Bildhauer all
diese Dinger fertig kriegen konnte." Man kann
unsre Dutzendmonumente wahrhaftig nicht treffender
charakterisiren. Und da ist es doch geradezu grotesk,
daß jedesmal, um solch ein großes Merk zu vollenden,
ein großer Aufwand verthan wird, den noch dazu
zum größten Theil die Künstler bezahlen müssen. Be-
sonders da die Erfahrung lehrt, daß an: letzten Ende
doch der den Auftrag erhält, der durch seine Herkunft
aus den: Mrt oder der Landschaft oder durch sonstige
Verbindungen von: ersten Anfang an in Aussicht ge-
nommen war.
Aber auch noch ein anderer Hassus jenes Aus-
schreibens deckt eiuen allgemeinen Uebelstand auf.
Das Konnte ist nicht verpflichtet, einen der Entwürfe,
nicht einmal, einen der Künstler zu wählen. Es kann
also, ich sage nicht: es wird oder: es möchte, es kann
also nachher einen beliebigen Anderen beauftragen,
der in dein Entwurf, der am besten gefallen hat,
einen bequemen Anhaltspunkt findet, und dein lchließ-
lich die zwölf Künstler durch ihren Aufwand von
Arbeit und Geld freundlichst Vorstudien erspart Habei:.
Das ist vielleicht der wundeste jMnkt des ganzen
Unwesens, daß die Entwürfe nicht gesetzlich, kaum
moralisch geschützt sind. Zwei andere Fälle, bei denen
das in Betracht kommt, sind gerade im Augenblick auf
der Tagesordnung. Zum Völkerschlachtdenkmal
bei Leipzig wird eine dritte Konkurrenz ausgeschrieben.
Bei der ersten siegte der Berliner Architekt Schaede,
dessen Entwurf einen thurmartigen Aufbau zeigte.
 
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