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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 15
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Seidl, Arthur: I. Kunstausstellung in Liegnitz
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Stahl, Fritz: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0269

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Nr. f5

—Die A u n st - H a l l e

233

Dresdener Ikunstbriek.
Wahrlich, unser Dresden ist ein gar eigener Boden
und „Dresdner Luft" eine ganz besondere Nummer!
„wir" haben z. B. hier von Robert Diezen's Meister-
hand geschaffen, zwei der herrlichsten, genialsten Monu-
mentalbrunnen von ganz Deutschland, die wir aber nur
alle heiligen Zeiten — und diese nicht einmal! —
mit Wasser tränken, obwohl all' das phantastische Gethier
einer grotesken Realistik, das sich um sie herum wild
tummelt, zur charakteristischen Wirkung doch erst dieses
lebenden Elementes bedarf, um die volle Absicht des
Künstlers auch klar und deutlich in Erscheinung treten zu
lassen! „wir" halten zwar durch das Sprachrohr des Herrn
vr. Voldemar v. Seidlitz im „Sächsischen Kunst-
verein" mehrere aufklärende Dorträge über „moderne
Malerei", stellen aber, nach wie vor an diesem Grte, hübsch
zahm und bequem all' das liebe Mittelgut alter Laden-
hüter, einer sattsam bekannten Verloosungs- und Kitsch-
waare aus. „wir" bewilligen Prof. Wallot 200 000 Mk.
Baugelder für die „Internationale Kunstausstellung
; 89 7", errichten uns mit dieser Summe aber nicht gleich einen
neuen, für den konkreten Lall durchaus zweckentsprechenden
Sonder-Ausstellungsraum — nein, bewahre, verbauen das
lieber mit Glanz für bloße Noth-Einbauten in ein von
Grund aus schon architektonisch verpfuschtes Ausstellungs-
Gebäude. „wir" gehen auch in unsrer Kgl. Gemälde-
Gallerie achtlos und stolz ohne jeden Ankauf an einer
Segantini-Kollektion vorüber, legen aber 80 000 Mk.
allein für die Handzeichnungen aus dem Nachlaß
Alfred Rethel's an.
was soll man nun von diesem Dresden aus der
letzten Zeit wohl berichten? Daß die „Lhristus-
Ansstellung des unternehmenden Münchner Kunsthänd-
lers auch hier zulande, bei Ernst Arnold, mehrere
Wochen hindurch zu sehen war, und daß zur Zeit eine
T h oma - Trüb n er-Kollektion Anziehungskraft ausübt?
Daß unsere Straßenplakate — dank der neuen Kunstdruck-
firma w. Hoffmann hier — jetzt endlich besser und im
modernen Zug geschickter zu werden beginnen? Mder
aber, daß im Kgl. ethnographisch-anthropologischen Museum
eine Zeit über aus der großen Prof. Friedr. Hirth'schen
Sammlung eine instruktive Bilder-Ausstellung chinesischer
Kunst zu studiren war, die mit einem Male auch entdecken
ließ, daß Raffaöli, Valloton, Kirchner und Heine genau
besehen, so einigermaßen als ,,Chinesen" aufzufassen
wären? Ach ja, man merkt es nachgrade an diesen natürlichen
Stockungen der Berichterstattung, daß es mit Riesenschritten
nunmehr auf die Eröffnung der großen Internationalen
„Elite-Ausstellung" losgeht, die schon am Mai in feier-
licher weise eröffnet werden soll — vorausgesetzt, daß bis
dahin das für die Einbauten verwendete Holz trockener
geworden ist und die Kartons der edlen Schwarzweiß-
Kunst sich nicht wieder von Neuem „geworfen" haben!
OiMeils, saUrum non seridors, und darum auch
lieber noch ein ganz ernstes Kapitel über das eigentlich
künstlerische Lrgebniß der letzten Wochen: eine Sonder-
Ausstellung von Studien Paul Baums, die durch
ihren beredten Fleiß und die eklatanten Fortschritte im
Eigenste dieses Künstlers alles baß überrascht hat, je
weniger man vor ihrer Aufstellung die Nothwendigkeit
einer solchen „Persönlichkeits-Reklame" schon jetzt wieder,
nach einem Jahre erst, recht einzusehen vermocht hatte.

Baum macht in der engumgrenzten Beschränkung seiner ein-
fachen Motivwelt nach wie vor noch immer seinem speziellen
Namen alle Ehre, aber seine zeichnerische und malerische
Technik hat sich mittlerweile doch zu einer sehr interessanten
Steigerung, und zwar neuerdings zu einer ungemein
zielbewußten harmonischen Verbindung von punktir-,
Strichel- und Fasermanier, entwickelt, bei der zwar letztere
zunächst noch etwas vorwiegt, aber oft durch eine
meisterliche Gesammtabstimmung des Grundtones, bei
stimmungsvollen Spiegelungen zumal, eine Wirkung
von intensivster Liudrucksfähigkeit des Einfach-Wesentlichen
erzielt wird, die — gehoben noch von einer feinfühlig
ausgewählten Umrahmung — bei solch' simplem Material
geradezu verblüffen muß... Indem ich schließlich nur noch gern
des bedeutendenEindrucks gedenke, den die letztevierteljahres«
ausftellung unseres „Kgl. Kupferstich-Kabinets" mit Aus-
legung ihrer reichen Schätze aus dem werthvollen Tage-
werke eines erstaunlich vielseitig veranlagten Meisters
wie William Unger, des virtuosen Vaters der modernen
Radirung, bei allen ihren Besuchern hinterlassen hat, so-
wie dazu noch berichte, wie ein dankenswerth fördersames
„Preisausschreiben" des „Dresd. Ruder-Klubs" zum
Entwürfe eines Klubhauses in Blasewitz an der Elbe
unsere heimischen Architekten tüchtig aus dem Schlafe
gerüttelt und durch einander geschüttelt hat, will ich mit
einem „Auf Wiedersehen zur großen Ausstellung!" für
heute vom Leser wieder Abschied nehmen.
Vr. Arthur Seidl.
Berliner Ikunstsedau.
Im Salon Gurlitt debutirt, mit einem Lyklus in
achzehn Bildern: „Der Tod", ein junger Berliner, Franz
Stassen. Ich möchte mein Urtheil über ihn gleich am
Anfang zusammenfaffen: er hat eine starke Phantasie und
Talent genug, um die Hoffnung zu erwecken, daß er ein-
mal ein schöpferischer Künstler werden wird. Ich schicke
das voraus, um zu rechtfertigen, daß ich mich mit ihm
eingehender befasse, als er diesen Arbeiten nach verdient.
— Ihr Hauptfehler scheint mir zu sein, daß er gedanklich
nicht aus seinem Erlebten, künstlerisch nicht aus seiner
Beobachtung schöpft. Alle Anregung kommt ihm von
außen. Man merkt die Absicht, gedankenvoll zu sein wie
Max Klinger und zu zeichnen wie Sascha Schneider, wo
beide Muster für den Ausdruck nicht ausreichen, müssen
andere heran: für eine Szene aus der proletariersxhäre
z. B. Hans Baluschek. In den kleinen Entwürfen zu
Radirungen sind, neben Klinger, Franz Stuck und Fidus
nachgeahmt. Nun würde das so sehr nicht abschrecken,
denn auch Klinger's Art in seiner ersten Zeit war Kunst
aus zweiter Hand. Aber der große Unterschied ist, daß
Klinger immer die verschiedenen Elemente zu einem
einheitlichen Stil zusammenzwang, während hier bei der
Nachahmung von Fall zu Fall das persönliche Band fehlt.
Mit dieser Unselbstständigkeit hängt dann zusammen, daß
die Gedanken und das Bild nicht zusammen entstehn.
Da ist es denn natürliche Folge, daß mitunter der Gedanke
schlechterdings nicht durch ein Bild ausgedrückt werden
kann oder im besseren Falle mindestens nicht durchaus
verständlich. Daher denn ein Katalog den Beschauer erst
 
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