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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 8
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Nordensvan, Georg: Bruno Liljefors, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0137

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Die Kunst-Halle

Nr. 8

^5

Kruno Liljekors.
Von Georg Nordensvan-Storkholm.
II.
nser Meister zog sich immer mehr von dem
Stadtleben und von der Künstlerwelt zurück,
blieb oft das ganze Jahr draußen aus dem Lande,
umgeben von seinen Hausthieren und von Thieren
des Waldes, die er gesungen und gezähmt hatte.
Er kannte ihre Gemüthsart und ihre Gewohnheiten,
sie regten ihn beständig zu Studien an, und sein Blick
sür die Sonderbarkeiten ihres Wesens war ebenso
scharf, wie ein photographischer Momentapparat. Er-
lebte das ganze Jahr in der Natur, um sie bei
wind und Wetter und Sonnenschein zu feder Tages-
zeit zu studiren. Das durch und durch Frische, das
Schlichte, Uumittelbare, welches seine Kunff aus-
zeichnet, hat seine Wurzel eben in den: vertraulichen
Zusammenleben mit der Natur, die er zu seiuem
künstlerischen Ligeuthum gemacht. Soin Naturgefühl
ist so persönlich innerlich, wie mau es nur bei einem
Menschen finden kann, der stets allein mit der Natur-
gelebt, ihre Geheimnisse in sich ausgenommen und
sie so wie sie ist zu lieben gelernt hat. Das Flüstern
der Fichten, der Gesang der Vögel, die Sprache der
Vierfüßler sind für ihn verständliche Laute. Ob-
gleich er immer seine Eigenart bewahrt, hat er doch
immer neues Terrain und das alte zu erweitern gejucht.
Die letzten Zahre haben für ihn eine bedeutende,
wahrhaft großartige Entwickelung zur Folge gehabt.
Ebenso wie die schwedische Thierwelt in ihm ihren
vornehmsten Schilderer besitzt, ebenso hat die schwe-
dische Natur in ihm ihren besten Dolmetscher ge-
funden. Die Thiere sind nunmehr meist nur Staffage
in seinen Gemälden, die Landschaft wird immer mehr
die Hauptsache. Er hat diese Landschaft in großen
Zügen aufzufaffeu, das Geheimuißvolle des Waldes,
die Oede der Haide, die Einsamkeit, das Schweigen
in der beseelten Natur auszudrückeu gelernt. Wüster-
haft hat er dies alles mit tiefem weihevollen Ge-
fühle, bald in intensiver gesättigter Stimmung, bald
mit monumentaler Größe dargestellt. Zn großen
einfachen Tougemälden schildert er die Hellen, zau-
berischen Sommernächte, die trübe Winterdämmerung
des Nordens: Herbftuacht in des Fichtenwaldes
Tiefe, die klare Frische des Gktobermorgens.
Seine Leier hat allmählich mehrere Saiten be-
kommen. Er schildert jetzt nut ungleich größerer
Kraft gegen früher die Wildheit der Natur. Seine
Palette zeigt fetzt neue Töne für die Leere, die Ein-
samkeit und das Heimweh. Seine Stimmungen
können zuweilen eine Leidenschaft verrathen, die seiner-
früheren Sicherheit, Ruho und seinem Gleichgewicht
fremd waren. Und gegenwärtig zeichnet er keine
Humoresken mehr, weder aus dem Zäger- noch aus
dem Thierlebeu.

Hier einige Motive aus den letzten Zähren:
„Tief im Walde*)." Auf einer Felseuspitze
hoch oben in der Fichtenkroue sitzt in stürmischer
Herbstnacht ein gewaltiger Khu. Zn einsamer Ma-
jestät breitet er seine struppige Federtracht aus und
seine brennenden, schwefelgelben Augen blicken mit
Herrscherbewußtsein und hungriger Raubgier über
den Wald hinaus, wo er allein wacht. Das Ge-
mälde ist in einer kargen und eintönigen Farbe ge-
halten, das Ganze in breiten Zügen skizzirt, einfach
dekorativ.
Das Balzeu der Auerhähne: Eine Sommer-
nacht im Walde. Hoch oben in einer Fichte balzend
ein Auerhahn, während weiter hinunter neben dem
Baumstamme eine Auerhenne seinen Tönen lauscht.
Zm Hintergründe breitet sich der Wald und der blau-
graue, halbklare Himmel aus. Es ist nach Sonnen-
untergang, und das Licht dämmert am fernen Hori-
zont, wo die Sonne schwindet. Zu Komposition und
Farbe wirkt das Bild monumental**).
Nach Hause: Stürmischer Herbstabeud, nach
Sonnenuntergang, gelbgrüner Himmel mit blei-
schweren, blauen wolkeumassen, blutroth gegen den
Horizont hin, überall mit rothen zerfetzten Wölkchen
bedeckt. Aus diesem Farbeumeer senken sich Kra-
niche auf See, Wald und Ebene herab. Die Erde
liegt graubraun, dunkel und armselig unter dem
sprühenden Farbenreichthum des Himmels. Ein
Freiluftbild von intensivem Tharakter und Natur-
gefühl, von wahrhaft impouireudem Effekt. Das
Motiv — aber nicht die Stimmung dieses Bildes —
hat Aehnlichkeit mit der „Frühlingsnacht", die
letzten Sommer auf der Berliner Ausstellung erschien:
drei wilde Schwäne, die in den spiegelklaren See
hinuutersiuken. Der Frühliugshimmel ist hier kalt
und grau, die Sonne noch nicht sichtbar, die Natur
schläft gleichsam. . .
Zu den letzten Zähren hat Liljefors seine Auf-
merksamkeit besonders der Meeresküste zugewandt.
Man muß aber sagen, daß der Künstler solche Mo-
tive wie z. B. „Sounenausgang auf dem Meere" auf
der Berliner Ausstellung) noch nicht immer ganz zu
beherrschen vermag. Die Seevögel auf den Steinen
im Vordergrund zeigen allerdings seine eigenthüm-
liche Fähigkeit, aber das Sonnenlicht am Himmel
und die Wellen bieten mehr Eindruck von Oelfarbe
als von Sonne.
Mit dem kleinen Bilde einer zahlreichen Eider-
familie, die sich im freien Meere auf eiuer majestä-
tisch rolleudeu woge schaukelt, hat er ein herrliches
Gedicht von Meeresluft uud Farbenpracht geschaffen.
*) Besitz der Fürftenberg'fchen Gallerie in Gothenburg.
**) Ein in der Behandlung ähnliches, aber in Kom-
position und Lhatakter völlig verschiedenes Sujet stellte
Liljefors t8y2 aus und verkaufte es an das Museum in
Gothenburg.
 
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