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Die Run st-Halle,
Nr. st
und Dresden, die „Jugend", den „Simplicissimus" (u. a. publi-
kationen des Verlags Langen) ist bis jetzt wenigstens von
deutscher Plakatindustie noch recht wenig zu sehen. Da-
gegen prangen die bekannten Asstchen der Pariser Etablisse-
ments mit all ihren: prickelnden Reiz an den Wänden. Zu
der Moulin Rouge, dem Eldorado, den Ehamps Elifoes,
dem Lispalais, den Sälen der verschiedenen Kunstaus-
stellungen der Seinestadt, wird hier eingeladen. Dann sind
wieder in anderen Sälen Plakate vertreten, die der Zeit-
schristen- und Buchreklame, dem Gewerbe und Handel
dienen sollen. Im Stile unterscheiden sich sranzösische und
englische Asstchen mit bekannter Schärfe. Puvis de Eha-
vannes, Detaille, Steinlen, Eheret, Grasset, Hynais, W.
Erane, Bradley, Dudley, Hasenplug, pensteld, Hardy,
Greiffenhagen, Gibson, Gould, Bied, Rhead sind in der
Sammlung vertreten. Der aparte Geschmack, der aus ein-
zelnen Entwürfen spricht, wird sicherlich das Interesse des
Publikums nicht nur vorübergehend finden.
Rud. Berger.
Melchior Lechter-Kusstellung
bei Gurlikk.
evor von persönlichen Eindrücken die Rede ist, kann
man als sachliches Urtheil dies hinstellen: der mo-
derne Symbolismus, der uns in den Werken seiner bis-
herigen Anhänger nach seinen Absichten schon als unmög-
lich, als unkünstlerisch erschien, tritt uns bei Melchior Lechter
in unanfechtbaren Kunstwerken entgegen. Jeder für sich
kann diese Kunst ablehnen, Niemand kann behaupten, daß
es keine Kunst ist. Darin liegt die Tragweite des künst-
lerischen Ereignisses, daß mit ihm dieser Symbolismus zuerst
— wenigstens, wenn man nur die deutsche Kunst in Be-
tracht zieht — in die Kunstgeschichte eintritt. Ich spreche
hier nicht von Unsterblichkeit; wer will wagen, darüber ein
Urtheil zu fällen. Aber wer in absehbarer Zeit die Kunst
dieser Epoche erzählen will, der kann eher ganze Rich-
tungen übergehen, als diese einsam ragende Persönlich-
keit. —
Melchior Lechter tritt uns nicht als Suchender entgegen,
ja, seine Werke lassen es fast zweifelhaft erscheinen, ob er
je ein Suchender war, so selbstverständlich, so ihm natürlich
wirken sie in all ihrer seltsamen „Unnatur". Er hat, ganz
entgegen der Sitte der Zeit, viele, viele Jahre im Stillen
gearbeitet, bevor er überhaupt an die Meffentlichkeit trat,
aber ich weiß nicht, ob er, immer von der Absicht aus be-
trachtet, wesentlich anders gearbeitet hat. Nur die Mittel
hat er offenbar vermehrt und vermehrt, bis er voll und rein
sein Tiefstes sagen konnte.
Es brauchte nicht der einigen seiner Werke hinzuge-
setzten Motive, um zu sagen, daß Lechters Kunst in der
Musik wurzelt: seine Bilder klingen, von Meister Böck-
lins schönsten Werken kann man dasselbe sagen, nur klingen
sie anders, da er, als seine Kunst geboren wurde, Wagner
und Ehopin nicht kannte. Das wesentlich unterscheidet
Lechter von ihm, der neue, ungeahnte, märchenhafte Weisen
träumt. Das ist auch der Grund, weshalb in seinen Bil-
dern das Wirklichkeitselement eine geringere Rolle spielt wie
bei Böcklin. Böcklin kann bei den Farben der Natur blei-
ben: er giebt sie strahlender, glühender, als irgend wo die
Welt sie bietet, aber er giebt sie. Lechter sucht den neuen
Tönen neue, unerhörte Farben, andere Farben, als die der
Wirklichkeit. Sogar neue Blumen erfindet er und Bäume.
Auf goldgelben Rasen werfen Bäume grüne Schatten;
schwarze Blumen mit goldenen Staubfäden blühen im
Walde; zwischen silbernen Stämmen leuchtet violett der
Himmel.
Man begreift nach diesem sofort, daß in solchen
Werken ein Höchstes erreicht sein muß, wenn sie nicht zum
Lachen reizen; über Ludwig von Hofmanns rothe Bäume
und blaues Laub haben selbst die Verehrer des jungen
Künstlers lachen müssen. Hier hilft die Schönheit des
Klanges, die unmittelbar, die auf den ersten Blick wirkt.
And noch ein anderes: so sehr sich Lechter in Widerspruch
zur Natur fetzt, so sehr ist er von Naturgefühl durchtränkt.
Seine Welt ist in sich so organisch und überzeugend, ist so
wahr wie die Wirklichkeit, wie Böcklins Kentauren und
Nymphen, so nehmen wir Lechters fabelhafte Landschaften
hin. Es ist unmöglich, sie zu verneinen, da sie leben.
Wurzelt seine Kunst in der Musik, so ist sie doch durchaus
Malerei: es ist keine Kluft zwischen den beiden Elementen.
Sehr stark treten ja auch in Lechters werken dekora-
tive Absichten hervor. Mir scheint, dies Dekorative und das
Visionäre seiner Bilder wird man zwanglos damit erklären
können, daß er von der Glasmalerei herkommt. In Münster
soll er seine Jugend verlebt haben, und vielleicht hat reli-
giöse Mystik ihn zu der künstlerischen Wagners und der
philosophischen Zarathustras geführt. Da man fast nichts
von ihm weiß, darf man sein Milieu und seine Eindrücke
vielleicht so vorstellen, wie sie in Zolas „Röve" die kleine
Stickerin Angelique erfährt. Jedenfalls ist kein Zweifel,
daß gerade in den Glasmalereien, die er übrigens auch
technisch mit eigener vand herstellt (?), sein Eigentlichstes
den vollkommensten Ausdruck findet. So wunderbar klar
auch m den Bildern seine Farbe ist, so sehr sie aus der
Tiefe leuchtet, mit der an sich schon traumhaften Gluth
des gefärbten Glases kann sie den Wettstreit nicht wagen.
Wie sehr Lechter, was auch immer seine Empfindung
anregen mag, als Schaffender Zeichner und Maler ist, deß
wird man bei tieferem Eindringen ins Einzelne immer mehr
und mehr gewahr. Es giebt keinen toten Fleck, keine todte
Linie in feinem Werk. Die Buchstaben sogar, mit denen
er es zeichnet, bilden in der Form und in der Farbe einen
integrirenden Bestandtheil des Ganzen. — —
Linundsiebenzig Nummern zählt der Katalog. Seit
wenigen Tagen erst ist uns der eigenartige Künstler be-
kannt, und wir bleiben ihm als Persönlichkeit mit diefer
ersten Besprechung gewiß noch Alle viel schuldig. Auf
jedes Werk einzugehen, ist nach so kurzer Zeit eine absolute
Unmöglichkeit. Ein kurzer Ueberblick muß genügen.
Ich stelle voran die beiden ausgesührten Glasfenster,
die mit anderen, deren Entwürfe wir sehen, das romanische
Haus gegenüber der Kaiser Wilhelm - Gedächtnißkirche
schmücken werden. Es soll das Leidens - Sehnfuchtsmotiv
aus dem Vorspiel zu Tristan und Ifolde versinnlichen.
Mehr als aus den Gestalten spricht die Stimmung aus den
Farben: aus den tiefvioletten, aus den blutrothen Blumen,
aus dem brünstigen Grün des Rasens, auf dem sie wachfen,
aus dem süßen, schmachtenden Fliederton des Himmels.
Man muß das Ganze dieser Farben ruhig auf sich wir-
ken lassen, um intensiv ihren Sinn zu empfinden. Auch das
Die Run st-Halle,
Nr. st
und Dresden, die „Jugend", den „Simplicissimus" (u. a. publi-
kationen des Verlags Langen) ist bis jetzt wenigstens von
deutscher Plakatindustie noch recht wenig zu sehen. Da-
gegen prangen die bekannten Asstchen der Pariser Etablisse-
ments mit all ihren: prickelnden Reiz an den Wänden. Zu
der Moulin Rouge, dem Eldorado, den Ehamps Elifoes,
dem Lispalais, den Sälen der verschiedenen Kunstaus-
stellungen der Seinestadt, wird hier eingeladen. Dann sind
wieder in anderen Sälen Plakate vertreten, die der Zeit-
schristen- und Buchreklame, dem Gewerbe und Handel
dienen sollen. Im Stile unterscheiden sich sranzösische und
englische Asstchen mit bekannter Schärfe. Puvis de Eha-
vannes, Detaille, Steinlen, Eheret, Grasset, Hynais, W.
Erane, Bradley, Dudley, Hasenplug, pensteld, Hardy,
Greiffenhagen, Gibson, Gould, Bied, Rhead sind in der
Sammlung vertreten. Der aparte Geschmack, der aus ein-
zelnen Entwürfen spricht, wird sicherlich das Interesse des
Publikums nicht nur vorübergehend finden.
Rud. Berger.
Melchior Lechter-Kusstellung
bei Gurlikk.
evor von persönlichen Eindrücken die Rede ist, kann
man als sachliches Urtheil dies hinstellen: der mo-
derne Symbolismus, der uns in den Werken seiner bis-
herigen Anhänger nach seinen Absichten schon als unmög-
lich, als unkünstlerisch erschien, tritt uns bei Melchior Lechter
in unanfechtbaren Kunstwerken entgegen. Jeder für sich
kann diese Kunst ablehnen, Niemand kann behaupten, daß
es keine Kunst ist. Darin liegt die Tragweite des künst-
lerischen Ereignisses, daß mit ihm dieser Symbolismus zuerst
— wenigstens, wenn man nur die deutsche Kunst in Be-
tracht zieht — in die Kunstgeschichte eintritt. Ich spreche
hier nicht von Unsterblichkeit; wer will wagen, darüber ein
Urtheil zu fällen. Aber wer in absehbarer Zeit die Kunst
dieser Epoche erzählen will, der kann eher ganze Rich-
tungen übergehen, als diese einsam ragende Persönlich-
keit. —
Melchior Lechter tritt uns nicht als Suchender entgegen,
ja, seine Werke lassen es fast zweifelhaft erscheinen, ob er
je ein Suchender war, so selbstverständlich, so ihm natürlich
wirken sie in all ihrer seltsamen „Unnatur". Er hat, ganz
entgegen der Sitte der Zeit, viele, viele Jahre im Stillen
gearbeitet, bevor er überhaupt an die Meffentlichkeit trat,
aber ich weiß nicht, ob er, immer von der Absicht aus be-
trachtet, wesentlich anders gearbeitet hat. Nur die Mittel
hat er offenbar vermehrt und vermehrt, bis er voll und rein
sein Tiefstes sagen konnte.
Es brauchte nicht der einigen seiner Werke hinzuge-
setzten Motive, um zu sagen, daß Lechters Kunst in der
Musik wurzelt: seine Bilder klingen, von Meister Böck-
lins schönsten Werken kann man dasselbe sagen, nur klingen
sie anders, da er, als seine Kunst geboren wurde, Wagner
und Ehopin nicht kannte. Das wesentlich unterscheidet
Lechter von ihm, der neue, ungeahnte, märchenhafte Weisen
träumt. Das ist auch der Grund, weshalb in seinen Bil-
dern das Wirklichkeitselement eine geringere Rolle spielt wie
bei Böcklin. Böcklin kann bei den Farben der Natur blei-
ben: er giebt sie strahlender, glühender, als irgend wo die
Welt sie bietet, aber er giebt sie. Lechter sucht den neuen
Tönen neue, unerhörte Farben, andere Farben, als die der
Wirklichkeit. Sogar neue Blumen erfindet er und Bäume.
Auf goldgelben Rasen werfen Bäume grüne Schatten;
schwarze Blumen mit goldenen Staubfäden blühen im
Walde; zwischen silbernen Stämmen leuchtet violett der
Himmel.
Man begreift nach diesem sofort, daß in solchen
Werken ein Höchstes erreicht sein muß, wenn sie nicht zum
Lachen reizen; über Ludwig von Hofmanns rothe Bäume
und blaues Laub haben selbst die Verehrer des jungen
Künstlers lachen müssen. Hier hilft die Schönheit des
Klanges, die unmittelbar, die auf den ersten Blick wirkt.
And noch ein anderes: so sehr sich Lechter in Widerspruch
zur Natur fetzt, so sehr ist er von Naturgefühl durchtränkt.
Seine Welt ist in sich so organisch und überzeugend, ist so
wahr wie die Wirklichkeit, wie Böcklins Kentauren und
Nymphen, so nehmen wir Lechters fabelhafte Landschaften
hin. Es ist unmöglich, sie zu verneinen, da sie leben.
Wurzelt seine Kunst in der Musik, so ist sie doch durchaus
Malerei: es ist keine Kluft zwischen den beiden Elementen.
Sehr stark treten ja auch in Lechters werken dekora-
tive Absichten hervor. Mir scheint, dies Dekorative und das
Visionäre seiner Bilder wird man zwanglos damit erklären
können, daß er von der Glasmalerei herkommt. In Münster
soll er seine Jugend verlebt haben, und vielleicht hat reli-
giöse Mystik ihn zu der künstlerischen Wagners und der
philosophischen Zarathustras geführt. Da man fast nichts
von ihm weiß, darf man sein Milieu und seine Eindrücke
vielleicht so vorstellen, wie sie in Zolas „Röve" die kleine
Stickerin Angelique erfährt. Jedenfalls ist kein Zweifel,
daß gerade in den Glasmalereien, die er übrigens auch
technisch mit eigener vand herstellt (?), sein Eigentlichstes
den vollkommensten Ausdruck findet. So wunderbar klar
auch m den Bildern seine Farbe ist, so sehr sie aus der
Tiefe leuchtet, mit der an sich schon traumhaften Gluth
des gefärbten Glases kann sie den Wettstreit nicht wagen.
Wie sehr Lechter, was auch immer seine Empfindung
anregen mag, als Schaffender Zeichner und Maler ist, deß
wird man bei tieferem Eindringen ins Einzelne immer mehr
und mehr gewahr. Es giebt keinen toten Fleck, keine todte
Linie in feinem Werk. Die Buchstaben sogar, mit denen
er es zeichnet, bilden in der Form und in der Farbe einen
integrirenden Bestandtheil des Ganzen. — —
Linundsiebenzig Nummern zählt der Katalog. Seit
wenigen Tagen erst ist uns der eigenartige Künstler be-
kannt, und wir bleiben ihm als Persönlichkeit mit diefer
ersten Besprechung gewiß noch Alle viel schuldig. Auf
jedes Werk einzugehen, ist nach so kurzer Zeit eine absolute
Unmöglichkeit. Ein kurzer Ueberblick muß genügen.
Ich stelle voran die beiden ausgesührten Glasfenster,
die mit anderen, deren Entwürfe wir sehen, das romanische
Haus gegenüber der Kaiser Wilhelm - Gedächtnißkirche
schmücken werden. Es soll das Leidens - Sehnfuchtsmotiv
aus dem Vorspiel zu Tristan und Ifolde versinnlichen.
Mehr als aus den Gestalten spricht die Stimmung aus den
Farben: aus den tiefvioletten, aus den blutrothen Blumen,
aus dem brünstigen Grün des Rasens, auf dem sie wachfen,
aus dem süßen, schmachtenden Fliederton des Himmels.
Man muß das Ganze dieser Farben ruhig auf sich wir-
ken lassen, um intensiv ihren Sinn zu empfinden. Auch das