Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

DOI Heft:
No. 18
DOI Artikel:
Stahl, Fritz: Internationale Kunstausstellung in Dresden
DOI Artikel:
Galland, Georg: Radirung und Heliographie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0318

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
276

Die K u n st - H a l l e

Nr. (8

Lugen Bracht. Von Liebermann sind Porträts
und ein paar kleinere Bilder da, von Stahl der
„Blumenkorso", der ihm hier eine Medaille eingetragen
hat, Leistikow, Skarbina, Frenzel haben gute
kleinere Arbeiten geschickt, Dettmann neben solchen
eine große, breit heruntergestrichene „Landung" mit wir-
kungsvoller Beleuchtung. L. v. Hofman n schlägt in
„Notturno" einen neuen Ton an. Lin schöner Mädchen-
kopf mit traurigen Augen blickt aus dem Rahmen, den
Hintergrund bildet eine Abendlandschaft, in der Licht und
Farben erstorben sind. Das ganze Bild geht in violett
und grün, in matten Nuancen, in einer klagen-
den Tonart. Man begreift vor diesem feintönigen Bilde
kaum, wie derselbe Künstler ein so schön gedachtes Werk
wie den „Frühling" durch eine grelle Buntheit verderben
kann. Ls hat an Form fraglos gewonnen, die Gestalt
der Frühlingsgöttin ist die beste Figur, die ich von ihm
kenne. Aber koloristisch bedeutet das Bild, und nicht nur
gegenüber seinem „Idyll", einen entschiedenen Rückschritt.
Hofmann ist ohne Zweifel doch von Haus aus gerade für
die Farbe begabt, und es wäre traurig, wenn er beim
Lernen dessen, was ihm nicht liegt, verlernen sollte, was er
von je hatte. Die Buntheit wirkt bei ihm beabsichtigt.
Den schönsten Lindruck als Gruppe machen die
Norddeutschen, deren Kerutruppe die Worps-
wede r bilden. Hätte man ihnen nicht allerlei unan-
genehme und höchst unpassende Nachbarschaft aufgedrängt,
ihr Saal wäre, auch wenn man die Ausländer mitzählt,
der beste geworden. Als ich zuerst hier von diesen
Künstlern erzählte, mußte ich allerlei Zweifel hören: ob
nicht die Ligenart der Motive nur so interessire, ob ihre
Bilder aus derselben Natur nicht allmälich einförmig
wirken würden, ob ein Fortschreiten denkbar sei Alle
diese Zweifel werden durch diese Ausstellung glänzend
widerlegt. Neben Modersohn und Mackensen,
die damals schon ausgesprochene Persönlichkeiten waren,
treten nun die anderen ebenbürtig auf. Hans an:
Lnd e's Bilder habe ich schon, als sie hier bei Schulte
ausgestellt waren, besprochen. Gverbeck steht in der
Anschauung dein etwas schweren Modersohn am nächsten.
Der junge Vogeler, der wie Hans am Lnde noch vor
zwei Jahren nur radierte, hat einen still melancholischen
Zug und eine eigene Wärme und Schönheit des Tons.
Lr ist am meisten von allen Artist, Ästhetiker, er will
mehr als den Naturausschnitt geben. Von allen Bildern
haben nicht zwei denselben Ton, dieselbe Stimmung, und
wenn man ihre Reihe ansieht, so scheint es eher unglaub-
lich, daß alle diese Motive aus demselben Stück Land-
schaft geholt sind. Mit den Worpswedern stellt Larl
Vinnen aus, der zuerst diese Art Landschaft malte und
dessen künstlerische Thätigkeit ein bedauerlicher Unfall
unterbrochen hat. Das kolossale Bild „Ruhe", ein Graben-
rand mit großen Bäumen, war einmal in Berlin ausge-
gestellt. Damals war seine Absicht zu fremdartig, um
recht verstanden zu werden: die lebensgroßen Bäume
wurden sogar ausgelacht. Jetzt begreift man kaum, wie
inan diese urwüchsige Kraft verkennen konnte. Heut ist
es so, daß man fast nach diesen Landschaften keine an-
deren mehr sehen kann. Mit wenigen Ausnahmen wirkt
alles schwächlich und blutarm dagegen. Das Beispiel der
Worpsweder hat hier und da Nachahmung gesunden.
Hier hängt zwischen ihnen ein Bild von Korwan

„Abend nach dem Sturm auf Sylt", das auch nur aus so
dauerndem Leben in der Landschaft erklärt werden kann.
HansGldes „Mann mit Stier", der im vorigen Jahr
bei uns durch das grelle Licht und den schlechten Platz
um jede Wirkung gebracht wurde, erweist sich hier unter
günstigeren Bedingungen als eine schöne, kraftvolle Arbeit.

uyö Ue1ioAi^pl)ie.
-ä^u der „D. Phot. Ztg. (Weimar)" nahm Prof.
Bruno Weyer unlängst Gelegenheit, die Aus-
führungen unseres Mitarbeiters Franz Hermann
Meißner, die unter obigem Titel in Nr. si der
„Kunst-Halle" (897 veröffentlicht waren, hinsichtlich
der Berechtigung des fog. klassischen Linienstiches
fürunser heutiges Kunstschaffen, zu ergänzen. Lr knüpfte
dabei an eine redaktionelle Bemerkung zu jenem
Meißner'schen Aufsatz, die auf Prof. Nud. Stangs
Abendmahl-Ltich nach Lionardo eremplifizirt und
die Ansicht des Verfassers, der den „alten Kupfer-
stich" all acta gelegt sehen will, einschränkt. Bruno
Meyer billigt allerdings diesen Linwand unserer
Redaktion, kommt aber dennoch schließlich nach
eingehenden Betrachtungen, bei denen er die zeich-
nerische Vorarbeit Stangs zum „Abendmahl",
als den künstlerischen Theil, von der ftecherischen Aus-
führung als einer nur mechanischen Arbeit trennt,
sogar noch über Meißner hinaus zu dem Lrgebniß, „daß
die Linienmanier des Kupferstiches ein kunstge-
schichtliches Fossil" geworden sei.
Wir schätzen den Schreiber des lesenswerthen
Artikels in jenem Weimarer Fachblatt als gediegenen
Kenner des vorliegenden Gegenstands und halten
auch letzteren an sich für wichtig genug, um ausführlich
auf diese interessante Lrgänzung unseres früheren
Aufsatzes: „Radirung und Heliographie" heute noch
zurückzukommen — ohne indeß die äußersten Kon-
sequenzen, die Bruno Meyer aus der Langsamkeit
der Grabstichelarbeiten für unsere schnelllebige Neu-
zeit zieht, generell zu billigen. Ls kann freilich sehr
bald so kommen, daß der Kupferstich, schon weil ihm
die nöthige Subvention entzogen wird, hoffnungslos
eingeht; aber gerade die Kunstgeschichte lehrt uns,
daß manche Kunsttechnik schon früher so abstarb, nicht
weil ihr die eigene Kraft und die künstlerische
Berechtigung fehlten, sondern weil sie der Laune,
der Mode, der Vernachlässigung durch mangelhafte
Schulung und dergleichen mehr zum Opfer fallen
mußte . . . Aber hören wir, wie sich Bruno Meyer
über diese Sache näher ausläßt.
Lr sagt bezüglich des Stang'schen Abendmahl-
Stiches: Ls ist richtig, der Photograph war gegen-
über dem zur Ruine gewordenen Original da Vincis
machtlos. Der Schwarz-Weiß Künstler hatte bei
Anfertigung seiner „Zeichnung" die photographische
Konkurrenz nicht zu befürchten. Denn er schuf ja
erst das Original für den Stich. „Aber danach hat
er sich in beiden Fällen eine Reihe von Zähren über-
feiner Kupferplatte gequält, um Das, was in seiner
Zeichnung als sein fertiges Zdeal vor ihm stand,
zum Zwecke der Vervielfältigung nachzubilden. Und
hier entspricht meines Lrachtens der Aufwand nicht
mehr dem Lrfolge. Ls lohnt nicht, daß ein Mann
 
Annotationen