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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 6
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Berliner Kunstschau
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Kunstchronik
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Nr. 6

Die Kunst-Palle.

9^

trefflich ausgenutzt hat. Der „Feierabend" gehört zu dein
Besten, was ihm gelungen ist. Lin Dorf am Strand. Die
Straße liegt schon in kalten, abendlichen Schatten, aber auf
den rothen Dächern, in den Kronen der Bäume und am
heiteren Pimmel leuchtet noch warn: und goldig das Tages-
gestirn. Man ahnt da hinten weiten Ausblick und strah-
lende pelle. Ans der Belle her kommt ein Engel in's
Dorf, wo bei Beginn der Ruhezeit die Großen mit den
Kindern sich freuen. In den stillen Frieden bringt er einen
freudigeren Ton, wie in die sonntägliche Ruhe der Natur
ferner Glockenklang. Ts ist, als ob die Stimmung auch
auf die Technik Dettmann's gewirkt hat, die zarter und
weicher ist als sonst. Tin Verwandter unseres Künstlers
ist der Belgier Jacques Diercks, der die Motive zu
seinen beiden Bildern aus einem „Kinderhort" hergenommen
hat. Mit sinniger Liebe hat er sich in das Leben dieser
heimlosen Kleinen versenkt, und ohne süßlich und rührsam
zu werden, hübsche und zärtliche Szenen gezeigt. Die sichere,
etwas feste Mache zeigt keine besondere Tigenart, steht
aber hoch innerhalb der Schule. Max von Seydewitz
kommt von der älteren Richtung her, sein Realismus hat
mehr mit Leibl und Menzel, als mit den Neueren zu thun,
er erstreckt sich nicht auf die Farbe. Seine Porträts, von
denen das Doppelbildniß vor Jahren ausgestellt war, sind
in ihrer Derbheit vortrefflich, er ist aber nie zu rechter Frei-
heit gelangt, es ist etwas Mühsames und Schweres in seiner
Art. In der „Drachenschlucht" geht er die Wege der Phan-
tasten. Aber ohne Veränderung giebt so ein Grund in der
Sächsischen Schweiz doch nicht die rechte Märchenstimmung,
und die bunten Püppchen machen's auch nicht. Aber auch
hier zeigt sich der Künstler als ausgezeichneter Techniker.
Pc rin. Linde, der Lübecker, der als kraftvoller Orient-
maler bekannt ist, hat in seiner „Iiegenheerde im Walde"
sich nun auch als stimmungsvoller eingeführt. Das kleinere
Bild ist so zart und geschmackvoll, wie inan es den: etwas
handfesten Talent dieses Künstlers kaum zugetraut hatte.
Der durchsonnte Birkenwald ist mehr, als die erotische Ma-
lerei zu geben pflegt: ein liebes und traumhaftes Stück
Natur. Pier kann man einmal mit Fug von nationaler
Kunst sprechen: dies konnte nur ein Deutscher vom Orient
Heimbringen. Frl. Fanny Levy, die in Paris malt, zeigt
in Porträts und Studienköpfen natürlichen, in der französischen
Schule weiter entwickelten Sinn für Farbe. Aber gerade was
sie will, Feinheit und „Thic" der Form fehlt ihr noch.
Es scheint, als ob sie garnicht oder wenig Akt gemalt hat.
Bevor sie nicht frei die Form beherrscht, werden ihre un-
bestreitbaren Vorzüge nie zu erfreulicher Geltung kommen.
— Ludwig von Pofmann hat aus Rom drei kleinere
Bilder geschickt, die wohl vor dem „Idyll" entstanden sind,
jedenfalls nach ihm für die Entwicklung des Künstlers
nichts bedeuten. Die stark ornamentirten Umrahmungen
schädigen mehr als sie nützen: sie schlagen manche Farben
todt und machen den einfachen polzrahmen nicht überflüssig.
„Sonne" ist schön gedacht, aber wie die anderen sehr flüchtig
gemacht, und die knochenlosen Figuren wollen von allen
nicht verschwinden. — Tine Sammlung von Radirnngen
stellt pugo Struck aus. Das beste Blatt ist das uach
Adolph Menzel's „peinrich VIII.", das mit wunder-
barer Liebe und Kunst der Art des Meisters sich anschmiegt,
und bei aller Treue doch groß und unabhängig wirkt. Der
Kritiker dai f hier eigentlich schweigen, denn Menzel, der
seit Jahren Niemandern mehr erlaubte, nach einem seiner
Werke zu radiren, hat das Blatt mitunterzeichnet, und an
seiner Strenge wird Niemand zweifeln, pugo Struck wird
im Auftrage der Firma Fritz Gur litt nunmehr Menzel's
„Bcmsoir, messienrZ!" radiren, die Dauer der Arbeit ist auf
drei Jahre bemessen. Das Werk nut seinen starken Licht-
effekten, giebt sehr viel für die Uebertragung irr Schwarz
und weiß her. K. 8t.
Ts steht mit der Kunst wie mit jeder arideren schöp-
ferischen Thätigkeit: nämlich daß sie danach trachten muß,
durch neue oder wenigstens veränderte Erscheinungsformen
das sich abstumpfende Interesse des Publikums immer wieder
zu beleben. Da auf dem Felde der Radirung kaum noch
größere malerische Verfeinerungen möglich sind, so haben
sich neuerdings nicht wenige Künstler von Ruf (man darf

sagen — abermals) auf die Ste i n z e i chuung geworfen
z. B- p. Thoma, Steinhaufen, O. Greiner, pirzl, panns
Fechner, die Dresdner Sezessionisten. Das „Korn" des
Steines ist iir der That vorzüglich geeignet, mancherlei
Effekte zu ermöglichen, die selbst anspruchsvolle Maler stark
reizen können; uird außerdem bietet die Technik an sich, das
Arbeiten mit Fettkreide und Tusche, bei einiger Gewandtheit
nur unbedeutende Schwierigkeiten. Darum dürfte diese
Maler-Lithographie demnächst eine ähnliche Bedeutung
für unsere Pinselführer gewinnen, wie sie die Maler-
Radirung längst errungen hat. Für die frische, farbentiefe,
glückliche, manchmal geradezu an den jüngern Polbein er-
innernde Bildnißbehandlung von Prof, panns Fechner
giebt es wohl kann: ein geeigneteres Verfahren als das der
Steinzeichnnng. Tine Reihe herrlicher Portraits und weib-
licher Studienköpfe hat der Meister nach und nach vollendet;
diese Steinzeichnungen, besonders die männlichen Eharakter-
köpfe von Fontane, Wildenbruch, Sudermauu, L. pietsch,
Prof, von Bergmann u. a., die ungemein scharf erfaßt und
fein durchgearbeitet sind, erregten bei denen, die sie bisher
zu sehen Gelegenheit hatten, rückhaltlose Bewunderung.
Manche der Lithographien sind zweifarbig gedruckt, alle
aber geben jeden flotten Strich oder Farbenfleck, die sog.
künstlerische pandschrift des Urhebers, in voller Eigenart
wieder, gewähren also vielfach den frischen Reiz der un-
mittelbar vor der Natur entstandenen Skizze. Die Fechnerschen
Originale, die von Th. wendisch vollendet gedruckt
worden, sind nur für einen ganz kleinen Kreis von Lieb-
habern bestimmt; für die größere Gemeinde der Kunst-
freunde bereitet der Verlag R. Bong in Berlin eine wohl-
feile Ausgabe von Nachbildungen vor. —ä.


Run sichrenik.
* Berlin. In der Pochschule für die bildenden Künste
ist der Lehrplan dadurch erweitert, daß die früher versuchs-
weise eingeführte vorbereitungsinalklasse wieder eingerichtet
wurde. Mit der Leitung ist der Genremaler Maximilian
Schäfer bctrant, der schon bisher als pilfslehrer an der
Pochschule thätig war. — Professor pubert perkomer
hat dem Berliner Kupferstichkabinet l6 Blatt seiner sogen.
Perkomer-Gravuren zum Geschenk gemacht. Die Blätter,
Abdrücke von einer Kupferplatte, sind nach dem von dein
Meister neu eingeführten technischen Verfahren hergestellt.
* München. Ain 5. Dezember fand die feierliche Er-
öffnung des neuen Gebäudes der Kgl. Technischen Poch-
schule statt.
* Darmstadt. Der Museums-Neubau soll gegenüber
dem Poftheater, nach Professor Messel's Entwurf, errichtet
werden.
* Würzburg. Freiherr von Siebold, der Sohn des
Iapanforschers, hat der Stadt eine reichhaltige Sammlung
japanischer und chinesischer Kunstobjekte, darunter 800jährige
Buddha-Bilder, Gemälde, Porzellane, Emaillen, Musik-
instrumente u. dgl., geschenkt.
* Krakau. In einer kürzlichen Verhandlung im
Oesterreichischen Abgeordnetenhause wurde die in Fachkreisen
sehr geschätzte hiesige Ezartoryski'sche Gallerie alter
Meister, als Bestandtheil eines zu errichtenden Fidei-
kommisses jener Familie, in ihrem jetzigen Bestand für die
Dauer festgelegt, also als Ganzes für absehbare Zeiten
gesichert. Die Sammlung enthält u. a.: das Porträt eines
perzogs von Ilrbino von Raffael, ferner Werke von Lio-
nardo, Tizian, Giorgione, del Sarto, Polbein d. I., Rem-
brandt, van Dyck u. a. erster Meister.
* Zürich. Nach dem Entwurf von Prof. Bluntschli
beabsichtigt die hiesige Kunstgesellschaft einen neuen Museums-
bau, neben dem Theater, zu errichten.
* Ehristiania. Die Nationalgallerie erwarb das
jüngste, herrlich gelungene Ibsen-Porträt des Malers
werenskjölds für die Summe von ooo Kronen.
* Paris. Aus dem Museum des Louvre. Folgende
Ankäufe wurden im verflossenen Jahre gemacht: Die goldene
 
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