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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 9
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Grünewald: Die Brücke zwischen hoher Kunst und Industrie
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Stahl, Fritz: Zur Frage des Kunststudiums
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0156

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132

D i e A u n st - H a l l e

Nr. 9

gediegenen, festen Material als Merk der Skulptur
oder Baukunst ausgesührt sein. Unter allen Um-
ständen aber darf das Kunstwerk, um diesen Tharakter
zu bewahren, nicht als Mittel eines, außerhalb seines
in sich geschlossenen Daseins liegenden, Zweckes ge-
schaffen sein.
Soll aber das Lrzeugniß durch die Neuheit und
Eigenthümlichkeit der Zeichnung, Farbengebung oder
plastischen Form den: materiellen Gebrauche
dienen, und zugleich die Empfindung der Kauflustigen
sür Schönheit und geläuterten Geschmack erwecken
oder befriedigen, dann haben wir es mit einein ge-
werblichen Geschmacksmuster zu thun, bei dem
es gleichgültig ist, ob die Form den: wahren Kunst-
sinne oder lediglich dem wechselnden Geschmacke der
Mode entspricht.
Ihäuffg gehen aber ästhetische und materielle
Zwecke des Gebildes derart in einander über, daß
es schwierig ist, die unterscheidende Grenze zwischen
dem Lrzeugniß der bildenden Kunst und dem der
Industrie, namentlich des Kunstgewerbes, festzustellen.
Es giebt viele Gebrauchsgegenstände, bei denen
Formengebung und Schmuck gleichzeitig auch auf
ästhetische Wirkung berechnet sind. Als Beispiele
hierfür verweisen wir auf Geschäftsplakate, Diplome,
Etiketten, Bilderbögen für Kinder zum Bemalen oder
Ausschneiden, Bilderbücher, Bilder zum Zusammen-
setzen, Aufsätze für Uhren, Neliefs an Basen und
Lampen u. dgl. In solchen Fällen ist zu untersuchen,
welche Zweckbestimmung, die ästhetische oder die des
Gebrauches, die vorwiegende ist und hiernach zu
entscheiden, ob das Merk als künstlerisches oder in-
dustrielles anzusehen ist. Trägt hiernach das, wenn
auch zu gewerblichen Zwecken bestimmte Original,
für sich allein betrachtet, die Natur eines Kunst-
werkes an sich, so hört es ungeachtet jenes Zweckes
nicht auf diese Natur zu betrachten, und genießt des-
halb das Erzeugnis; gleichwohl den Schutz des Kunst-
gesetzes.
Eine Nachbildung, also eine künstlerisch un-
selbstständige Verwendung eines solchen Merkes zur
Herstellung eines anderen, dein die Eigenschaft der
Neuheit fehlt, ist daher nur mit Erlaubniß des
Künsters zulässig (K ö Ziff. 3 des Kuustgesetzes), da-
gegen die freie Benutzung der darin niedergelegten
Ideen und Motive gestattet (K F a. a. O.).
Ist aber das Kunsterzeugniß einmal, wie gezeigt, im
Einverständniß des Urhebers mit dem industriellen
Merke verbunden, zum Gegenstand des bfandels und
Gebrauchs gemacht und dadurch seiner individuellen,
künstlerischen Existenz entkleidet, dann hört der Rechts-
schutz des Kunstgesetzes daran insofern auf, als von
nun an der Induftriezweck für den Schutz maßgebend
ist, und deßhalb darf das Merk von nun ab an den
Erzeugnissen der Industrie, Fabriken, kfandwerke oder
Manufakturen weiter nach gebildet werden. (A 14
a. a. O.), d. h. es steht die erste, vom Urheber ge-

stattete Nachbildung nicht mehr unter dem Schutze
des Kunstgesetzes, sondern allenfalls nur unter dem
des Muster- und Modellschutzgesetzes vom ff. Januar
1876, wenn dessen Voraussetzungen, nämlich der An-
meldung zum Musterregister und Niederlegung eines
Exemplars bei der Behörde, genügt ist. versagt auch
dieser Schutz, dann entbehrt das Werk überhaupt
jegliches Rechtsschutzes.
Aus alle dem ergiebt sich, daß die erste Nach-
bildung des Kunstwerkes an einem Industrieerzeugniß
unbedingt an die Genehmigung des Urhebers ge-
bunden und nur unter dieser Voraussetzung und, wenn
hierfür der Muster- uud Modellschutz nicht erlangt
ist, jede weitere Nachbildung an einem solchen
industriellen Lrzeugniß gestattet ist. Der Umstand,
daß der Künstler etwa davon Kenntniß hatte, daß
sein Merk auf gewerblichem Wege uachgebildet werden
soll, ist indessen nicht geeignet, den Mangel der Ge-
nehmigung zu ersetzen.
Ungeachtet der erlaubten ersten Nachbildung eines
Merkes der bildenden Kunst behufs Verbindung mit dem
gewerblichen Lrzeugniß bleibt der Schutz desselben
auf dem Gebiete der hohen Kunst als reines
Kunstwerk für die gesetzliche Dauer (ß si a a. O.)
ungeschmälert fortbestehen, (vgl. über diese Fragen
U.-R.-G. XIV, S. 34, XVIII, S. O7, XXI, S. 149,
XXll!, S. 117; R.-G.ch.-G. XXlV, S. 32; Beschl.
O.-L.-G. Köln vom 9-ck>ept. 1896. Rh. Arch. Bd. 9V
S. 66; Wächter U.-R., S. 67 und 74; Mandrv
U. R., S. 23I)

Tur Frage des Ikunststudiums.
von Fritz Stahl.

lE)»er Gegensatz gegen die Akademien ist viel älter
als die sogenannte moderne Richtung in der
Kunst. Ein Beweis dafür ist, daß ihn mit am
radikalsten bserman Grimm vertritt: er hat geradezu
für ihre Abschaffung plädirt. Mas ihn dazu führte
war sicher die historische Erfahrung, daß die Akademien
schon vom Tinquecento an verderblich auf die Ent-
wickelung der Kunst eingewirkt haben. Das ist ziemlich
theoretisch. Die Künstler, die für die Erneuerung der
Kunstschwärmtenund arbeiteten, wurden ausprakthchen
Gründen Feinde der Akademie: wie sie war, wie sie
ist, konnte sie nach ihrer Ansicht ihnen nichts geben.
Aber mit einen: logischen Fehler, den man Künstlern
ja wohl verzeihen darf, stimmten sie in den Kriegsruf
des bsistorikers ein: Fort mit den Akademien! während
sie eigentlich nur eine Reform hätten fordern dürfen.
Freilich lag ja dieser Irrthum überhaupt in der
Tendenz dieser Kunst, alles von der Persönlichkeit
 
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