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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 7
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Stahl, Fritz: Berliner Kunstschau
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Kunstchronik
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Nr. 7

D i e A u n st - L) a l l e I-rch

H07

In der neuen Ausstellung des Salon Schulte finden
wir eine große Anzahl von Bildern und Zeichnungen des
Italieners Giovanni Segantini. Die Merke sind in
verschiedene Räume vertheilt, einige sogar in dem dunklen
Mittelsaal untergebracht worden, so daß ein unmittelbarer
Gesaminteindruck sich nicht ergiebt. wer nichts von
Segantini weiß und ungesührt durch den Salon schlendert,
und das sind doch die vielen, wird vielleicht überhaupt
keinen Eindruck mitnehmen. And das ist recht bedauerlich,
denn seine einfache, große und nrgefunde Kunst, die dem
Einsamen in einem stillen Leben in der Natur erwachsen
ist, verdient tief gekannt zu werden. Seine Zeichnungen,
denen er gerne schon einen Schimmer von Farbe hinzu-
fügt, zeigen ein eminentes Können. Gleich den alten
Meistern der mehr zeichnerischen Richtung sucht er nie,
läßt er nie etwas unentschieden, ist er nie geistreich. Fest
und sicher sieht jeder Strich, jeder Umriß, knapp bezeichnend,
von vornherein vereinfacht. Und diese Gegenständlichkeit,
die an Mantegna erinnert, würde noch schroffer, schärfer
hervortreten, wenn nicht die Farbe sie etwas milderte.
Die dünne Lust auf den Bergen läßt die Dinge sich klar
absetzen, aber sie läßt auch die Farben schimmern. Aus
ihr sind beide Elemente der Kunst Segantini's zu erklären.
Um die Wirkung dieser Luft auf die Farben zu treffen,
hat er seine eigenartige Technik erfunden, dies Neben-
einandersetzen von Flecken und Streifen, dies Auflösen der
Farben in ihre Theile. Die Nonetschule hat etwas Aehn-
liches, aber sie hat darüber die Form aufgegeben. Der
einzige Gegenstand von Segantini's Kunst ist das Leben
der Bauern oben in dem einsamen hohen Gebirgsdörfchen,
in das er sich zurückgezogen hat. Er ist völlig frei von
Tendenz, die doch bei Millet und unserm Liebermann
nicht fehlt, er giebt gar keine Sentiments, preist diese
Leute nicht glücklich und bemitleidet sie nicht. Er ist
objektiv, episch, nur mit den Augen interessirt. Er ist
vielleicht der Klassiker des Naturalismus. Neben» Segan-
tini ist der Norweger Otto Sinding mit einer Reihe
von Aquarellen vertreten. Diesmal hat er seine Notive
aus dem heimischen Bergland geholt, und man sieht nach-
träglich, wie viel von dein überraschenden Eindruck seiner
früheren Werke der phantastischen Wirklichkeit der Eis-
region zuzuschreiben ist. von einer annähernd ähnlichen
Wirkung ist hier nicht die Rede, so starkes Empfinden
und Können übrigens auch aus diesen Blättern spricht.
Er steht mit den Besten seines Landes zusammen, aber
er steht nicht über den andern. — Unter den übrigen
Werken interessiren einige Bildnisse am meisten. Der
Pole Axentowitsch, der Schule nach pariser, hat ein
Damenporträt geschickt, das durch Lebendigkeit des Aus-
druckes und feine Mache ausgezeichnet ist. Nur ist die
kapriziöse Haltung, die etwas an Boldini erinnern soll,
nicht recht durchgeführt, und dadurch erscheint, was unge-
zwungen wirken sollte, recht absichtlich. Sehr anmuthig
und frisch ist das Bild eines jungen Mädchens zwischen
Blumen. Des Berliners Earl Ziegler's Bildniß einer
jungen Dame zeigt wieder seine koloristischen Vorzüge,
zarte, Harinonische Farbe, weniger interessant ist die Zeich-
nung, die etwas Schwerfälliges hineinbringt. Die Männer-
porträts der Münchner Böninger und Otto H. Engel
ragen weit über das liebliche hinaus. Böninger scheint
ein Schüler Herterichs zu sein, der grüne Ton, den er
dem weiß der Wäsche giebt, ist manicrirt. Das weiß-
bärtige energische Gesicht, die klugen Augen hinter der
goldenen Brille sind zu vortrefflicher Wirkung gebracht,
das Porträt als Bild einheitlich gestimmt. Otto H.
Engel war in dem Bildniß der aristokratischen Herren
gewiß nicht ganz frei, sonst hätte er es in der Farbe wohl
origineller behandelt. So ist die wundervolle Hand das
beste Stück geworden. Ein paar Landschaften aus dein
Pariser Weichbild giebt RenoBillotte, hübscheInterieurs
M. A. Stremel, holländische Motive der Schotte Lame-
ron. Ismael Gentz' Studien aus Hall zeigen hübsche,
malerische Winkel, leider stört eine gewisse Härte eine
volle Wirkung. Bendix passig scheint auch aus seiner
schweren Art nicht herauszukommen. — Neben den
plastischen Arbeiten fällt ein brillantes Porträt Segan-
tini's von dem Fürsten Troubetzkoy auf, dessen
kleinere Bronzen ich neulich hier besprach. - Er zeigt

wieder seine große Begabung, ist aber auch über die
Skizze nicht herausgekommen. Diese Frische und Kraft
ist bewundernswerth, aber ein Kunstwerk entsteht erst,
wenn sie auch in der durchgeführten Arbeit erhalten
bleibt. Ls wäre schade, wenn dieses Talent sich nur in
Skizzen ausgeben sollte. Bemerkenswerth ist eine
Marmorbüste von Max Kruse. Sie ist meisterhaft
durchgeführt, bleibt dem Modell kein Fältchen schuldig,
ohne irgendwie kleinlich zu werden. Namentlich die Be-
handlung des Materials, die Verwandlung des Steines in
Fleisch, Haar und Stoff, ist bewunderungswürdig.
Die Gurlitt'sche Ausstellung ist durch keramische
Arbeiten des Schweden Alf wallander nachträglich
bereichert worden. Da sie beim Erscheinen dieses Heftes
doch nicht mehr zu sehen sind, so behalte ich mir vor, auf
diese reizvollen Werke ausführlicher zurückzukommen, als
es heute der Raum gestatten würde.
L
Iknnstclircmil!.
Berlin. Dein Elfirurgen Professor von Bergmann,
der kürzlich feilten so. Geburtstag feierte, wurde fein von
Franz von Lenbach gemaltes portrait überreicht. Dasselbe
ist iin Auftrage der früheren und jetzigen Assistenten Berg-
mann's gemalt, und stellt den berühmten Kliniker in
Dreiviertel-Profil dar.
* Berlin. Auf ein Loos der Berliner Gewerbe-
Ausstellung 1896" hat die Malerin Frau Gronen die
Bronzefigur der „Schwerttänzerin" von Ad. Brütt-Berlin,
die wir in der ersten Nummer dieser Zeitschrift im Bilde
brachten, gewonnen.
* Berlin. Kurz vor Weihnachten wurde am Na-
tionaldenkmal Kaiser Wilhelms I. mit der Aufstellung
des Reiterstandbildes, zunächst des Sockels, begonnen.
* Berlin. Kaiser Friedri ch-Gedächtnißkirche.
An der linken wand des Kirchenraumes wurde, in einer
Nische mit Inschrift, eine Broncebüste des Kaisers, von
Uphues geschaffen, aufgestellt. Die Kaiserin Friedrich,
die das Werk der Kirche schenkte, soll an der Ausführung
betheiligt gewesen fein.
"' Anklam. Für ein Kaiser Wilhelms-Denkmal
arbeitet Ludwig Menzel-Berlin ein ca. 3 w hohes Stand-
bild, das auf einen Granitsockel stehen soll.
* Köln. Das Kaiser Wilhelms-Denkmal vom
Bildhauer Anders - Berlin geht in der Gießerei von
Martin u. piltzing seiner Vollendung entgegen Das
Postament wächst aus einem Naturfelsen von Granit
heraus, vorn wird die Kolonia stehen, hinten der Vater
Rhein. Links und rechts werden unter den Reichsinsignien
große wasserspeiende Löwenköpfe angebracht.
Dresden. Am n. Januar veranstaltet die
„Kunstgenossenschaft" eine mit lebenden Bildern ver-
einigte Lallfestlichkeit im Ausfiellungspalast an der Leniw-
straße.
"" Elberfeld. Für den Museums-Verein hat das
Stadtverordneten - Kollegium einen Iahreszuschuß von
töoo Mk., zum Ankauf von Kunstwerken, bewilligt.
* Brilon swestphalen). Dem Juristen Eduard Pa p e
sott hier, in seiner Heimath, ein D enkm al gesetzt werden.
* Karlsruhe, vor der Kaserne des Leibgrenadier-
Regiments wurde am Z8. Dezember ein den Gefallenen
von >870 geweihtes, Regiments-Denkmal enthüllt. Ls ist
ein in Wertheimer rothein Sandstein ausgeführter Obelisk,
in dessen Mittelftllck sich das vom Prof. O. Lessing-Berlin
modellirte Reliefbild des Obersten v. Wechmar befindet,
der Z870 das Regiment führte. Das Denkmal ist von
Prof. Direktor Götz entworfen und von Bildhauer Nuß-
berger ausgeführt. Prof. Goetz hielt die Lnthüllungsrede.
* Wien. Man beabsichtigt hier ein Bruckner-
Denkmal zu errichten. Aus der Platzfrage macht man
einen Gegenstand komplicirter Erörterungen. Die Einen
schlagen die Außenseite der Ferstel'schen votiokirche die
 
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