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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 20
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Nordensvan, Georg: Anders L. Zorn, [2]
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Fuchs, Georg: Internationale Kunst-Ausstellung in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0354

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308

»r-D Die Kun st-Palle

Nr. 20

Eigenschaften, welche hier dominiren. Manche seiner
persönlichen Eigenschaften find charakteristisch für den
alten schwedischen Volksstamm, dem er angehört.
Mer ihn beobachtet, findet bei ihm in der That eine
eigenthümliche Mischung von Ruhe und nervösen:
Vorwärtsstreben, von Sorglosigkeit und kluger Berech-
nung, von munterer Leichtlebigkeit und gesundem pumor.
Zu seinen sympathischen Lharakterzügen darf man
wohl endlich auch das Interesse für seine Landsleute,
für das Gedeihen der schwedischen Kunst auf fremden:
und heimischem Boden rechnen.

Mer wie Zorn mit einer Geschicklichkeit ohne
Gleichen die bunte Mannigfaltigkeit der Dinge zu
malen weiß, schlägt damit zugleich die Einwände
der Gegner. Ein deutscher Kritiker meinte von ihn:
ungefähr: er verstehe zwar Lebensfreude lebendig
zu schildern, aber sein Ausdruck der Freude lasse den
Beschauer kalt. Mir scheint jedenfalls dieser künst-
lerische Ausdruck ein Ergebniß seiner Natur zu sein.
Auch dünkt mich, kann Kälte der Empfindung nicht
als das wesentliche einer Kunstweise bezeichnet werden,
die durch rastloses Suchen geworden ist, die durch
kräftige persönliche Accente und eine Verachtung alles
Banalen, den: freilich die Menge Beifall spendet,
sich auszeichnet. Mas seine Leinwand auch schildert,
ob ein Stück frohen Lebens, einen kleinen Ausschnitt
irgend einer Begebenheit oder gewisse eigenthümlich
reizvolle Lichteffekte oder lediglich etwas, das den
Betrachter beweisen soll, daß er malen kann, was
er will — überall begegnet uns der charakteristische
Ausdruck seiner künstlerischen Persönlichkeit. Man
hat Zorn mit mehreren zeitgenössischen Pinselführern
verglichen, z. B. mit Sargent, Boldini, Besnard,
Eazin. Von Nachahmung kann aber bei ihn: nicht
die Rede sein. Zeigte sich seine Eigenart doch be-
reits in seinen frühesten Aquarell-Bildnissen und in
den akademischen Studien nach den: lebenden Modell.
Seitdem ist seine künstlerische Entwickelung konsequent
gewesen, stets unabhängig geblieben. Zorn hat auch
niemals von Seiten seiner Kunstgenossen und Rivalen
eine auf Neid beruhende Anfeindung erfahren.

AusskelluyA ii) Aäychey.
von Georg Fuchs, München.

II.
er ehrgeizige Kritiker — nicht ehrgeizig für sich,
sondern für die Kunst seines Volkes —
möchte auf seine:: Rundgängen gerne die Mittelmäßig-
keit übersehen. Denn nichts ist ihm so verhaßt wie


diese. Schund ist Schund; aber das Mittelmäßige,
wenn es in einer gewissen Tüchtigkeit und Trefflich-
keit erscheint und sich durch gewisse nun einmal nicht
abzuleugnende (Qualitäten anzubiedern versucht —
das ist ihm gefährlich, denn es drückt sachte, unwill-
kürlich und unwiderstehlich die Maßstäbe. Ganz
schrecklich aber ist es dem Kunstrichter, wenn ihn
plötzlich kalt und heiß die angstvolle Ahnung über-
läuft: ja ist denn das, was du da siehst und von
dem du so wichtig thust, am Ende nicht alles, alles nur
Mittelmäßigkeit" —? In keiner der Münchener-
Ausstellungen der jüngsten Zeit hat mich diese alp-
druckartige Ahnung so ost und so quälend überkommen
wir Heuer. Die tüchtigen Maler des Durchschnittes,
die „Trefflichen", „Braven", die „wackeren", die „Be-
währten" und wie sie sonst auf der Skala desZeitungs-
Kunft-Referenten stereotypisirt sein mögen, sie präsen-
tiren sich mit einer solchen Fülle von handwerks-
mäßigem Können, von Routine, Geschick und Sicherheit,
daß inan absolut nicht unhöflich gegen sie sein kann.
Andererseits versagen die „Genialen" aus Schritt und
Tritt. Junge Künstler, bei denen man eine ursprüng-
liche und überragende Begabung bereits als erwiesen
annahm, müssen mit den:, was sie dieses Mal aus-
stellen, so sehr ost hinter die „Mittelmäßigen" zurück-
treten. Sei es nun Mangel an Ideen, an Intelligenz,
Selbstkritik, poetischem Empfinden, sei es technische
Sorglosigkeit und Liederlichkeit, kurz und gut — sie
vertagen. So bleibt uns denn als Gesammteindruck
eine pebung des Mittelmaßes und eine Senkung des
Pervorragenden, und als Vermuthung für die Zukunft,
daß sich beide Tendenzen dereinst einigen werden aus
einen: relativ hohen Gesammtniveau, aus emem »juste
milieu« — aus dem nur sehr vereinzelte Gipfel hervor-
ragen. Allein das ist vielleicht gerade eine gesunde
Entwickelung. —
Einer der „Pervorragenden", welche schon ziem«
lieh tief in die „Senkung" herabgestiegen sind, ist
p ab ermann. Er gefällt sich, aber wenig an-
deren, wie gewöhnlich in verrückt posirten Frauen-
Köpfen und einen: lackigen^ gewichsten Tone, von
den Merken Albert Keller's, unter denen sich
auch keine monumentale Arbeit findet, scheint uns nur
die „Schlangenbeschwörung" seiner würdig. Als
Meister tritt diesmal nur peinrich Zügel aus den
plan. Drei große Thierstücke — Stier und Kuh
aus der Meide, Rinder im Stall und Schafherde mit
pund — lassen keinen Zweifel darüber bestehen,
wer der erste Thiermaler unserer Pemisphäre
ist. Ich habe nie etwas ähnliches von Roll gesehen.
Pier kann nur noch Einer mitreden — Segantini,
der neben einigen kleineren Arbeiten, darunter eine
Serie „Fantasia notturno" betitelt, zwei monumentale
Thierstücke gesandt hat: „Trinkendes Vieh", mit
genialer Ueberwindung des Zwielicht-Problems, und
eine seiner berühmten Pochgebirgs-Landschaften, in
deren Vordergründe eine Bäuerin ein müdes pserde-
Gespann zum Dorfe führt. — Auf Zuerkennen des
Meistertitels in: Thierstücke darf ferner pubert von
peyden begründeten Anspruch erheben. Seine
pühner und Truthähne halten den Vergleich mit
jedem alten Niederländer dieses Genres aus und
sind doch durchaus modern, in der Empfindung
wie in der Mache: eine solche Rivalität mit den
„alten Meistern" scheint uns würdiger als die, welche
Lenbach empfiehlt.
Von den Münchener Landschaftern werden
immer einige ausgezeichnete Leistungen dargeboten,
auch diesmal vermißt man sie nicht. lieber alle
 
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