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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 13
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Stahl, Fritz: Kunstproletariat
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Wirth, Albert: Ueber Tempera-Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0229

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Nr. s3

^-4 Die Au n st - L) a l l e. -


die „hohe Kunst" als Ziel festgesetzt und damit alle
Brücken abgebrochen wären.
Ls könnte der Linwurs erhoben werden: es
bleiben doch die Privatateliers mit ihrer massenhaften
Züchtung von Künstlern, von denen siebzig oder
achtzig Prozent zum Proletariat verurtheilt sind. Nun,
für diese trägt der Staat nicht die Verantwortung;
jedermann kann für sich malen lernen ebenso wie
Seil tanzen oder Feuer fressen. Oder es würden die
Schüler geradezu von der staatlichen Akademie abge-
schreckt werden.. Daran glaube ich nicht, denn et-
waigen Gelüsten der unüberlegten Zugend würde
die Autorität der Litern gegenüberstehen, die doch
wohl die Sicherung einer bescheideneren Existenz für
alle Fälle dem Va banqne vorziehen würden. Der
ganze Vergleich nut den Privatateliers trifft nicht zu,
den staatlichen Anstalten müßte das Odium, Leute
zu einem Berus heranzubilden, der einem kaum
nennenswerthen Bruchtheil von ihnen nur die Lri-
stenz sichert, abgenommen werden. Ls fragt sich
sogar sehr, ob nicht die ernsthaften Leiter privater
Anstalten den einleuchtenden Gedankengang aocep-
tiren würden.
Lin Linwand anderer Art könnte sein: würde
nicht durch diese Linrichtung der Neiche bevorzugt?
Za, ist er das heute nicht? Aber es würde das ge-
rade Gegentheil eintreten, das nahe an's Monopol
streifende Privileg der wohlhabenden würde ge-
brochen werden. Das erlernte Zandwerk würde auch
dem Mittellosen und nicht durch Stipendien Unter-
stützten die UUttel gewähren, hier und da eine rein
künstlerische Arbeit unabhängig auszusühren.
Von den Vortheilen, die das Kunstgewerbe haben
würde, will ich hier nicht ausführlich reden. Lines
ist klar: jeder Fortschritt des Künstlers würde irgend
eine Frucht für das Zandwerk tragen, von dem er
ausgegangen ist und das er beherrscht.
Und wie fehlt aus Schritt und Tritt unsern
Künstlern auch in der Kunst die handwerkliche
Schulung.
Kurz zu schließen: ich meine, die Maßgebenden
sollten einmal ernsthaft die Frage einer solchen Ne-
sorin unserer Akademien, die übrigens auch die kost-
spieligen Kunstgewerbeschulen überflüssig machen
würde, erwägen. Line „Fachklasse für ornamentales
Zeichnen" allein thut's freilich nicht.


Aeber Tempera - tDalerei.
Von Albert Wirth, Berlin.

Tempera-Malerei gehört in das Gebiet
Wassersarben-Malerei, weil die damit an-
gemachten Farben mit Wasser verdünnt werden resp.

in Wasser löslich sind im Gegensatz zur Oelmalerei.
Vor der Erfindung der Gelmalerei, das ganze
Mittelalter hindurch, wurden bekanntlich alle Bilder
und Tafeln in Tempera gemalt. Das Bindeinittel
setzte sich damals hauptsächlich aus Ligelb und Per-
gamentschnitzelleim zusammen. Zn Ztalien kam statt
des Leims Feigenmilch zur Anwendung. Nach und
nach wurden Fettstoffe beigemengt, doch genügten
diese nicht die Malerei gegen Wasser und Feuchtig-
keit zu schützen. Deshalb firnißte man die Malereien,
wie auch im Alterthum, mit Zarz und Wachslösung,
und dies brachte sie dem Gelbilde nahe; ja man
kann heutzutage selbst sehr schwer ein Temperabild
aus der präraphaelischen Zeit, welches gefirnißt ist,
von einein Gelbild unterscheiden.
Als endlich die Gelmalerei die Tempera-Malerei
verdrängte, wurde noch vielfach das Tempera
verfahren als Untermalung beibehalten, bis auch
dieses sich später verlor, als die Bildermaler von
der Zolztasel aus Leinwand und in große Verhält-
nisse übergingen.
Zn neuester Zeit sind aber wieder Systeme aus-
getaucht, welche in der Bildermalerei sich einsührten,
besonders das des Barons v. Pereira. Alles was
neu ist, reizt und ruft, wenn es Gutes schafft, immer
einen Grad von Enthusiasmus hervor. Zm Lause
der Zeit macht derselbe aber ernster Prüfung Platz
Vortheile und Nachtheile werden verglichen und
streng abgewogen, und Manches verläuft rasch wieder
im Sande. Nach drei Nichtungen hin pflegt man ge-
wöhnlich eine Neuerung zu Prokuren. Entweder muß
das Neue eine größere Bequemlichkeit in der Hand-
habung und Technik des Materials oder eine größere
koloristische Wirkung bieten oder endlich an eine
größere ^Haltbarkeit glauben lassen.
Was besonders das System Pereira betrifft,
so muß hier der erste Grund bequemer Technik weg-
sallen, denn eine bequemere Technik als die Oel-
malerei liegt hier nicht vor, im Gegentheil, dieses
Verfahren umfaßt eine Neihe von Bindemitteln u. a.
technische Dinge. Die größere Haltbarkeit muß erst
die Zukunft lehren, also bleibt nur der Vortheil des
koloristischen Effektes. Das System schreibt vor, mit
Tempera malen, firnissen, wieder mit Tempera malen
und wieder firnissen. Und da zeigt sich in der That
viel Neizvolles besonders in der Durchsichtigkeit der
tiefen Töne und in der Wiedergabe von Zalbtönen.
Die Schwäche liegt in den Hellen Tönen — die aber
dadurch, daß in Gel weiter gemalt werden kann,
ergänzbar sind. Somit lassen sich die Vortheile
beider Arten von Malerei an einen: Werke ver-
einigen. Dies geschieht auch von manchen Künstlern.
Nun kommt es aber ganz daraus an, was ge-
malt wird. Lin Landschafter, welcher pastös eine
Helle leuchtende Lust haben will, wird doch die Gel-
sarbentechnik vorziehen, und in der Landschastsmalerei
findet man daher auch seltener Tempera, weil nut
 
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