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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 16
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Stahl, Fritz: Eugen Bracht
DOI Artikel:
Rücklin, R.: Plastische Pflanzenstudien, [2] (Schluss)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0280

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Nr. (6

Die Kunst-Palle

dem festzuhalten, was er selbst erreicht hat, er stellt
sich, auch wo er Rath giebt, immer aus ihren
Standpunkt. Ich kann den Mann nicht besser
charakterisiren als durch eine eigene Aeußerung. Ich
war kurz nach einer Reise nach Worpswede bei ihm
und erwähnte in meiner Erzählung, daß ja Otto
Modersohn sein Schüler gewesen sei. „Das kann
man nicht sagen", antwortete er lebhaft, „Modersohn
konnte von niemandem lernen, und hat auch von mir
nichts gelernt. Aber ich und meine Schüler haben
von ihm viele Anregungen empfangen." welch vor-
nehmer, echt künstlerischer Geist spricht aus diesen
Worten!
Eugen Bracht ist in der Lüneburger peide zum
Künstler geworden. Es ist gleich wie ein Programm,
daß er in der Zeit der „interessanten Veduten" und
der „pittoresken Landschaft" die melancholischen Reize
dieses viel verspotteten Landstrichs empfand und malte.
Stärker ließ sich der Kontrast nicht betonen als durch
die Wahl einer Natur, in der das Aeußerliche, Stoff-
liche gewissermaßen eine ganz geringe Rolle spielt.
Rnd noch einer anderen verkannten Landschaft wurde
er der Entdecker: unserer Mark. Neben der Lüne-
burger kleide galt des heiligeu Römischen Reiches
Streusandbüchse für die reizloseste Gegend Deutsch-
lands. Wieviel hohe und wieviel idyllische Schön-
heit darin steckt, beginnt inan auch heute erst zu
ahnen. Der Erste, der es sagte, war freilich nicht
ein Maler, sondern der Dichter Theodor Fontane.
Aber gerade hier spricht das Bild ungleich eindring-
licher als das Wort. Und Bracht hat nicht nur
selbst Motive aus der Mark geholt, sondern auch
seine Schüler auf die eigenthümliche Schönheit dieser
Landschaft hingewiesen, wenn die Anregung der
„Kunst-Palle", einmal eine Ausstellung märkischer
Landschaften zu veranstalten, ausgeführt werden wird,
hoffentlich bald, so wird die Sammlung auch dem,
der aus den vereinzelten Werken es nicht erkannt
hat, die Früchte dieser Thätigkeit klar vor Augen
stellen, was allein fehlt, ist das Publikum, das
diese Kunst sympathisch aufnimmt.
Der diese ganz eigentlich norddeutschen Land-
schaften zu Ehren brachte, ist an den Ufern des
Genfer Sees geboren und hat in jener reichen und
sonnigen Natur seine Iugendjahre verlebt. Als
Fünfzehnjähriger kam er nach Darmstadt und studirte
dann in Karlsruhe unter Schirmer und in Düssel-
dorf unter Gude. Eiu Mißerfolg ließ den jungen
Künstler an seinem Talent verzweifeln. Er ging als
Kaufmann nach Belgien, im Kriegsjahre (870 nach
Berlin. Erst nach zehnjähriger Pause kehrte er zur
Kunst zurück. Er siedelte nach Karlsruhe über und
errang mit seinen Bildern aus der Lüueburger peide,
die ihm Jahre laug allein sein Motivenschatz war,
Erfolg auf Erfolg. Line Reise nach dem Orient
erst führte ihn auf ein ganz anderes Gebiet. Aber
auch hier wie auf seinen späteren Reisen sah er die

fremde Natur so schlicht und intim, so ganz auf die
Stimmung und garnicht auf die Kuriosität an wie
er es in der heimischen gelernt hatte.
Im Jahre (882 kam er als Lehrer der Land-
schaftsmalerei an die Berliner Akademie. Es ist
bei seiner wohlwollenden und ganz und gar fort-
schrittsfreudigen Art natürlich, daß sich alle Schüler,
die von modernem Empfinden beseelt sind, ihm gern
und eng anschließen. Er fördert durch sein unbe-
fangenes Eingehen auf die Individualität Jeden
und freut sich des späteren Fortschreitens seiner
Schüler in wärmster weise. Gemeinsame ganz freie
Diskussionen über die Arbeiten der Woche, die er
wohl zuerst eingeführt hat, bringen Lehrer und
Schüler einander auch persönlich nahe.
Lugen Brach t's Werke zeichnen sich durch
poetische Empfindung, durch feine Beobachtung und
vornehmen Ton aus. Seinen größten Erfolg brachte
ihm das „Gestade der Vergessenen", in dem Ein-
drücke einer Nordlandsfahrt zu einer freien Kom-
position verwerthet sind. Eine stille Bucht zwischen
ragenden Felsen. Schnee bedeckt die Erde. Die
scheidende Sonne beleuchet nur noch die pöhen: unten
ist Dämmerung. Am Strande bleichen die Knochen
derer, die hier eindrangen und fern von der be-
wohnten Welt starben. Das Bild ist im Besitz des
Kaisers. In der Nationalgalerie hängt eine „Abend-
stimmung am Rothen Meere". Der Künstler ist
wohl in allen großen Galerien vertreten. Zu der
Ausschmückung des Reichshauses ist er gleichfalls
herangezogen.
Daß der heute Fünfundfünfzigjährige die üblichen
äußerlichen Ehren erhalten hat, ist selbstverständlich.
Sein Amt als Juror, zu dem ihm oft die Wahl be-
rief, hat er immer in: Iuteresse der Modernen aus-
geübt. Ein Verdienst möchte ich hier hervorheben,
das wenig bekannt ist, und das ich sehr hoch an-
rechne: Bracht hat den besten Saal gehängt, der
jemals in einer Berliner Ausstellung zu sehen war,
es war der Saal, in dem im letzten Jahre L. v. pof-
mann's Idylle hing.

plastische Manzenstudien.
von R. R ü ck l i n, Pforzheim.
(Schluß.)

zweite Grund für ein vorzugsweises Studium
der jungen Pflanzenform ist ein künstlerischer.
Rnsere Absicht ist zunächst ja nicht, die Pflanze
möglichst getreu nachzuahmen, sondern einen zu
irgend einein Zwecke brauchbaren Gegenstand her-
zustellen, den wir im Sinne des pflanzenwachsthums
mit organischem Leben zu erfüllen und künstlerisch
 
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