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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 11
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Hauck, Guido: Über innere Anschauung und bildliches Denken
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Zimmern, Helen: Telemaco Signorini
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0192

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D i e A u n st - p a l l e

Nr. ff


Reibe interessanter Beispiele zu verzeichnen, Ls ge-
nüge an die Zeichnungen von Mar Klinger zu
Brahms Symphonie zu erinneru. — Ueberhaupt
bildet die nähere Verfolgung der Wechselbeziehungen
zwischen musikalischen und bildlichen Vorstellungen
eine der interessantesten psychologischen Studien.
Gehen wir weiter zu dem Lall, daß Gedanken-
auregungen die künstlerische Phantasie in Thätigkeit
setzen! Die Gedankenmale r e i mit ihren Allegori-
sirungen und Synrbolisirungen hat schon sehr ver-
schiedene Beurteilungen erfahren. Um über ihre
Berechtigung Klarheit zu gewinnen, scheint es mir
nöthig, die zwei Lalle auseinander zu halten: f) ob
ein abstrakter Gedanke fertig vorliegt und nun erst
nachträglich in das Leihhauskosiüm allegorischer
Personifikationen künstlich eingekleidet wird, oder ob
ll) der Gedanke bereits in der inneren Anschauung
durch Kombination bildlicher Vorstellungen zu Stande
kam, so daß die Lmpsängniß des Gedankens und
seine Verbildlichung einen gemeinsamen, gleichzeitigen
Akt der Phantasiethätigkeit vorstellt. Bur in diesem
letzteren Lall hat das Bild als Schöpfung der
Phantasie Anspruch auf die Bezeichnung Kunstwerk,
und nur in diesem Lall wird es auch wieder die
Phantasie des Beschauers auregen und seinen Ge-
dankeninhalt auf Jeden übertragen, der es mit em-
pfänglichem Gemüthe auf sich wirken läßt. . . .

Telemaco Signorini.
von Polen Zimmern, Llorenz.

/-Mimen so bedeutenden und allen toskanischen
Dialern an Kraft überlegenen Künstler, wie
Telemaoo Signorini, einigermaßen gebührend
zu schildern, ist nicht gut anders, als in einem be-
sonderen Artikel möglich. Und das nicht nur
wegen seines außerordentlichen Könnens und seiner
Schaffensweise. Auch sein künstlerischer Bildungs-
gang ist ein durchaus ungewöhnlicher gewesen.
Was seine Ausbildung betrifft, so hat er sich ganz
auf eigene pand zum Range eines der Lrsten unter
seinen Kunstgenossen herausgearbeitetz ohne an einer
Akademie oder sonstigen Realschule regulär studirt
zu haben. Denn abgesehen von einigem Unterricht,
den er als Knabe bei seinem Vater genossen, und
dem kurzen Besuch einer öffentlichen Schule sür
Aktzeichnen ist Signorini ganz und gar sein eigner
Lehrer gewesen, von der Natur allein, so wie er
sie sah, hat er sich leiten lassen, und in seinem Be-
streben, die am besten geeigneten Wittel zur richtigen
Wiedergabe der Natureffekte zu fiuden, hat er jene
praktische Erfahrung nud Lrkenntniß gewonnen,
deren Besitz die akademische Schulung entbehren

läßt. Seine künstlerischen Lrsolge sind um so be-
merkenswerter, als er sich der Malerei anfänglich
nicht aus eigenem Antrieb, sondern aus Wuusch
seines Vaters gewidmet hat, während er selber mehr
zum litterarischen Beruf ueigte.
Telemaoo Signorini ist f8öö in Llorenz geboren.
Sein Vater war Waler — ausnahmsweise ein
Künstler, der wünschte, daß auch sein Sohn sich der
Kunst widme. Der Sohn that dies, jedoch in seiner
eigenen Weise, denn kaum hatte er beim Vater die
ersten Studien gemacht, als er schon eine selbst-
ständige Richtung einschlug und farbenprächtige,
dramatisch wirksame Bilder uralte, über welche viele
ältere Künstler sich entsetzten, in denen aber die
Jüngeren und liberal Denkenden Erzeugnisse eines
großen und eigenartigen Talentes erkannten. Um
diese Zeit ging Signorini nach Venedig, wo er mit
Lrnst und Liser arbeitete, bis es ihm gelang, einige
wirklich vortreffliche Bilder zu malen. Seine Wotive
entnahm er zumeist dem alltäglichen Leben der La-
gunenstadt, und diese venetianischen Gemälde gehören
zu seiueu bestem Als er f8.öö wieder nach Llorenz
kam, sand er den Impressionismus von Paris aus
durch Serafino Tivoli importirt, und Signorini war
so davon hingerissen, daß er sich nach Paris begab,
um dort die Schöpfungen dieser Schule kennen zu
lernen. Die Lolge war, daß er als ihr geschworener
Anhänger zurückkehrte. Lr wurde der kühuste der
italienischen Impressionisten, und die jungen Leute,
welche au der Akademie der schönen Künste studirt
hatteu und von deren konventionellen Lehren durch-
drungen waren, geißelte er mit so scharsen Sarkasmus,
daß gar Waucher, wenigsteus anscheiuend, zu Signo-
rini überging, um uicht seinem und der Seinen Spott
zur Zielscheibe zu dieneu.
von s8.öö bis s862 hatte Signorini ein Atelier
in der via della Pergola inne, wo er Gemälde nach
einen Theorien schuf. Lines derselben bezeichnete
er mit den: römischen Titel: „Selig seid Zhr, die
Zhr nicht in die Schule gehet." Zwei Kinder, die
einträchtig unter einem Schirm zusammen eine
sonnige Landstraße entlang gehen, blicken mit roth-
geweinten Augen sehnsüchtig auf zwei pühner, die
im Schatteu eines Dickichts wilder Pflaumenbüsche
nach einander picken. Lin beredtes Zeichen dafür,
was Signorini von den Schulen hielt! Zm Zahre
s86s stellte er in Turin eines seiner venetianischen
Gemälde „Das Ghetto von Venedig" aus, womit
er dem ganzen akademischen Formalismus den
Fehdehandschuh hinwars und den Anstoß zu der Re-
belliou gab, die er iu der Künstlerschaft bewirkt hat.
Doch ich greise vor und muß erst berichten, daß
Signorini sich s859 als Freiwilliger zu dem nationalen
Besreiungskrieg stellte. Seine künstlerischen Ziele
aber ließ er trotzdem nicht außer Acht und skizzirte
was immer sich ihm an werthvollen Wotiven bot.
vom Feldzug Hemmekehrt, widmete er sich der
 
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