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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 24
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Rücklin, R.: Botanik und dekorative Kunst
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Stahl, Fritz: Max Klinger's "Christus im Olymp"
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0425

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Nr 2^ -Die R u n st - H a I l e - 37s

die das Pflanzenbild enthält, in der Regel nicht
gerecht zn werden vermögen. — Aus Büchern und
Vorlagewerken also wird der Künstler reichliche An-
regung und die Grundlage des für ihn nothwendigen
botanischen Wissens wohl schöpfen können, — mehr
aber nicht. Und das kann nicht genügen. Was
noch fehlt, muß die Natur uus selbst bieten. Der
Künstler muß praktische Botanik treiben, das heißt
nun nicht, daß er mit Botanisirtrommel und Pflanzen-
presse hantiren soll; er soll nur soviel als möglich
mit seiuen Pflauzen leben. Ulan beachte nur, wie
der japanische Künstler, dieser Meister des Pflanzen-
studiums, sich immer und überall, sozusagen auf
Schritt und Tritt, mit Pflanzen umgiebt; wie dort
das Binden von Blumen- und Pflanzenarrangements
zu einem förmlichen Sport geworden ist, dem sich
Alt und Gung, poch und Nieder mit gleichem Eifer
ergiebt, — zu einem Sport, der es schon zur Aus-
bildung einer ganzen Anzahl Schulen und Richtungen
gebracht hat. Pflanzen sind der Pauptschmuck der
japanischen Wohnung, sie spielen eine wichtige Rolle
in Geschichte und peraldik, kurz, das ganze Leben
des japanischen Künstlers ist gleichsam durchtränkt
von dieser Vorliebe für die Pflanzen. Rechnen wir
noch dazu, daß sein Klima den Aufenthalt im Freien
in viel umfänglicherem Maße gestattet als uns, so
wird uns klar, warum uns in unsern großen Städten
und bei dem hastenden Erwerbsleben die Vertraut-
heit mit der Pflanze so völlig abhanden kommen
konnte. Englische und französische Künstler habep
in vielen Fällen sich eigene Gärten erworben, oder
sind auf's Land hinausgezogen, um nut ihren ge-
liebten Pflanzer: näher verkehren zu können. Das
kann sich nicht jeder leisten; aber ein paar charakte-
ristische Topfpflanzen kann sich jeder halten und
pflegen und in öffentlichen und privaten Gärten, in
Parks und bei festlichen Veranstaltungen kann auch
der Großstädter viel Pflanzenschönheit sehen und
studiren, an der er sonst achtlos vorbeiging. Mit
wachsender Kenntniß der einzelnen Typen wird sich
das Interesse vertiefen und stärken, und dabei wird
denn auch die dauernde Freude an diesen: Studium
nicht ausbleiben. Damit kommen wir zu dem wich-
tigsten Punkte eines künstlerischen Studiums der
Pflanzenkunde: Ls muß eii: dauerndes sein, nicht ein
einmaliges. Denn die Erscheinungswelt, die wir
darin kennen zu lernen suchen, besteht nicht aus
fertig nebeu einander stehenden Linzelformen, — die
zu studiren, könnte mit der Zeit wohl langweilig
werden, — sondern aus werdenden lebendigen Ge-
bilden, deren jedes an seinem Ort und in allen
seinen Theilen seinen bestimmten Zweck zu erfüllen
hat, der äußerlich in einer stets wechselnden, unüber-
trefflich knappen und unermeßlich reichen Formen-
sprache seinen Ausdruck findet. Vom sprossenden
Keim zur prangenden Blüthe und Frucht die Pflanze
beobachten, heißt, sie für unsere Zwecke erst recht

kennen lernen. Und noch besser ist es, sie draußen
in: Freien aufzusuchen und von ihr zu lernen, wie
sich jede in den ihr zugewiesenen Platz fügt und
schickt, sich bald üppig ausbreitet, bald schlicht sich
zu bescheiden weiß, wie sie sich krümmt und schmiegt,
um zur Sonne zu gelangen oder vor Unwetter sich
zu schütze::, wie sie sich stets mit Anmuth in den
wechselnden Rahmen ihrer Umgebung einfügt. Es
kann keine bessere Lehrmeisterin für den dekorativem
Künstler geben, als die Pflanze, und nichts kann
nützlicher sein, als sie so genau wie möglich kennen
zu lernen.
VwAer's
„Ehriskus in) Tlywp".
Von Fritz Stahl.

LvDpns zuerst muß gesagt werden, damit man den
rechten Standtpunkt gewinnt: was für Einwände
immer sich gegen Einzelheiten des neuesten Werkes
von Klinger erheben lassen, es hätte jede der dies-
jährigen Ausstellungen, auch die internationalen, be-
herrscht. Durch die Größe seiner Idee und durch
den tiefen Ernst der künstlerischen Arbeit.
Thristus im Olymp! Bei jedem andern könnte
man bei diesem Titel an eine Absicht der Sensation
denken. Bei Klinger schließt nicht nur die Persön-
lichkeit eine solche Absicht aus, sondern der Titel
deutet darauf, daß das Werk organisch mit dem
gesammten bisherigen Schaffen des Meisters zusammen-
hängt. Seit Klinger den Stift führt, stehen Thristus
und der Olymp in dem Kreis seiner Motive. Die
ersten Zeichnungen, die der noch sehr jugendliche
Künstler ausstellte, behandel:: das Thema Thristus.
Die naive und kecke Art, in der er das heilige Thema
behandelte, nicht gegen die Tradition, sondern geradezu,
als ob es keine Tradition gäbe, zog den Blättern
den Ruf des Antichristlichen zu. Es scheint, daß, die
so urteilten, sie nicht sehr genau angeschaut haben.
Wie den peiland und die Seinen auf dem Weg zum
Berge Spott und pohn geleiten und wie nach der
Predigt von den Seligkeiten selbst dem rohen Söldner
und den schlimmen Gassenbuben eine Ahnung auf-
dämmert, was das für ein Mensch ist, und sie ihn:
mit staunender Ehrfurcht folgen, das ist wunderbar
ausdrucksvoll geschildert und konnte so nur von einem
geschildert werden, der die Verheißungen der Berg-
predigt gläubig ausgenommen hat. Die späteren
Arbeiten Klingers hätten dann wohl das falsche Vor-
urtheil völlig beseitigen müssen, aber man kann noch
heute von dem parodistischen Tharakter dieser Blätter
reden hören. So mußte doch darauf hingewiesen
werden, daß solches Reden keinen Grund hatte. Die
erste Reihe von Radirungen, wenn man hier die
„Paraphrase über den Fund eines pandschuhs",
deren Stoff ein zufälliges Erlebnis bildet, unbeachtet
läßt, behandelt ovidische Erzählungen. Freilich spielen
der Olymp und seine Bewohner dabei keine Rolle,
aber der Olymp ist ja auch oben nur als Symbol
 
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