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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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No. 19
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Thomas, Bertha: Die Londoner Kunstausstellung 1897
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Meyer, Bruno: Noch einmal: Radirung und Heliographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0341

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Nr. (9


Die Aunst - Halle. -

297

Forest" erzielt. Das malerisch wirksame, charakteristische
Sujet fesselt besonders durch die Art der Darstellung,
wie die ganze Schaar von etwa zwanzig in wilder
Flucht daherstürmenden Ponies nebst ihren Verfolgern
direkt auf den Beschauer loszusprengen scheint, er-
giebt einen Eindruck von wirklicher Lebenskraft und
Bewegung, der in höchsten: Grade bemerkenswerth
ist. Die Dame, deren Bild von der Akademie aus
den Mitteln des Lhantry-Fonds.angekauft wurde, ist
aus der Kunstschule des Professors bserkomer hervor-
gegangen; eine Schülerin, auf die besagtes Institut
in der That stolz sein kann.
Unter den Szenen in: Freien zählt zu den best-
gemalten ein von Mr. Gregory auf einer großen
Leinwand vorgeführtes Stück Themse, von Ver-
gnügungsfahrzeugen wimmelnd, die hier an einem
für Ausflüge beliebten Punkt aneinander gedrängt
sind. Trefflich ist der Effekt des auf den bunten
Farben liegenden Sonnenscheins gelungen; das Ganze
überhaupt eine wahrhaft künstlerische Leistung. Zu
denen, welche in diesem Jahr Ersolge zu verzeichnen
haben, gehören auch Napier bsemy mit seine::
prächtigen kornischen Fischerszenen und La Th angue,
dessen kraftvoll gemalte Bilder, meist Studien der
Licht- und Schatteneffekte, die Beachtung gleichsam
herausfordern. Die offenbar von den: Künstler be-
absichtigte Rohheit und bsärte in der technischen Be-
handlung ist für viele abstoßend, indessen einen wirk-
lich schwachen Punkt bilden nur die ungenügenden Mo-
tive. Ls macht sich gegen diesen jüngst noch so laut
gepriesenen Stil eine Reaktion bemerkbar. Unsere
Kritiker erklären ohne Scheu, daß auf das Sujet auch
etwas ankommt, daß weise Wahl desselben und vor
Allem Lsarmonio von Motiv und malerischer Be-
handlungsweise wesentlich mitbestimmend für den
Werth eines Kunstwerkes sind. Jene kleine Kliquen,
welche so viel von sich reden machten, scheinen ge-
sprengt und die Mitglieder Jedes unabhängig vom
Anderen seinen eigenen weg zu gehen. So hat
Mr. Melville, einer der bedeutendsten unter den
Glasgower Neuerern, ein vorzügliches und dabei
ganz im Stil der alten Meister gemaltes Porträt
ausgestellt. Adrian Stokes, ein eifriges Mitglied
der Newlyner Gemeinde, hat sich in einer glücklichen
Kombination von Naturalismus, Symbolik und de-
korativem Stil versucht. Sein »Tbe beir ob ull tbe
aZes« stellt ein Kind dar, ein hübsches kleines eng-
lisches Mädchen, modern, fast realistisch aufgefaßt;
sein schweres Brokatkleid und eine mit Edelsteinen
reich verzierte goldene Monstranz, die das Kind n:
den bsänden hält, wirken dekorativ, das Ganze ver-
sinnbildlicht den unendlichen Zauber der Kindheit in
origineller und anmuthiger Art.
Mr. Byan Thane, ein junger Maler, dessen
»Tove's Laublos« (Liebestand) in Folge der kolo-
ristischen Behandlung in streng präraphaelitischer
Manier keinen ungeteilten Beifall fand, hat die
Liebe durch eine weibliche Idealflgur verkörpert, die
sich mit einer Platte voll Obst der Verfolgung einer
Schaar junger Mädchen zu entziehen sucht, welche
eifrig nach den Früchten greifen. Die Ausstellung
der Akademie ist nicht so reich an guten allegorischen
Entwürfen, als daß ein Bild wie dieses unerwähnt
zu lassen wäre. Bei der gleichen bsöhe, auf der die
besseren Werke dieses Jahres stehen, ist es nicht gut
möglich, irgend eines zur speziellen Besprechung auszu-
wählen, ohne daß eine solche für andere ebenfalls
beansprucht werden dürfte. Ich habe hier die vielen
Arbeiten von jüngeren Künstlern im Sinne, die, wie

schon erwähnt, ausnahmsweise reichlich nut Raum
bedacht worden sind. Aus der Elite unserer Künstler-
schaft ist kaum Liner mit einem Gemälde von großer
Bedeutung vertreten, außer Sir Burne Jones,
der in seinem schon an anderer Stelle von Ihnen
erwähnten Love's LÜArims (Pilger der Liebe) ein
höchst charakteristisches Beispiel seines individuellen
Stils geliefert hat. .,. Inzwischen ist auch die Grafton-
Gallerie eröffnet worden, in deren Sälen eine Leih-
Ausstellung von Porträts berühmter Schauspieler der
Vergangenheit und Gegenwart veranstaltet ist; eine
eigenartig interessante Sammlung. Das Ausland ist
in vereinzelten Fällen vertreten. Da ist u. A. der
Kopf Talmas — ein vortrefflich gemaltes Bild —-
Lhartran's Sarah Bernhardt und Madrazo's
unvergleichliches Porträt Loquelins des Aelteren.
vernehmlich ist jedoch die britische Schauspielkunst
der letzten (50 Jahre repräsentirt. Einige der in
Mel gemalten Bildnisse sind Meisterwerke, wie z. B.
Gainsborough's „Garrick" und desselben Malers
Porträt der lieblichen Gattin Sheridan's und ihres
jungen Bruders. In: Ganzen ist nach künstlerischem
Maßstab der Werth der Sammlung ein sehr un-
gleicher. Besonders gilt dies von den zahllosen
Aquarellen, Stichen und Zeichnungen, deren viele
indessen als illustrativ für die englische Theater-
geschichte von Interesse sind. Unter den Bildnissen
Garrick's, der, nach dieser Ausstellung zu schließen,
die bsälfte seiner Zeit daran gewandt haben muß,
Malern zu sitzen, ist eines von Tosfany, welches
den großen Schauspieler als Macbeth, und zwar der
Sitte seiner Zeit gemäß in der Tracht des achtzehnten
Jahrhunderts, darstellt. Edmund Kean in einer
kräftigen Skizze, die in der Garderobe des berühmten
Mimen aufgenommen ist, gehört zu den Bildern, die
kein Beschauer so leicht wieder vergißt. Beim Be-
trachten der Porträts vieler Schauspielerinnen der
alten Zeit fragt man sich unwillkürlich, ob wohl ihr
Talent ihrer Schönheit gleichgekommen sein mag.
Diese ist wahrhaft berückend und läßt es begreiflich
erscheinen, daß so vielfach llseirathen zwischen Damen
von: Theater und Kavalieren vom höchsten Adel
Englands vorgekommen sind. Uebrigens geben ihre
Nachfolgerinnen von heute ihnen an Schönheit zum
Theil nicht viel nach, was aber deren Wiedergabe
in der hier zur Ansicht gestellten Bildnissen betrifft,
so ist darin wenig über dem Durchschnitt geleistet.
Eine Ausnahme bildet Sarg ent's kühne und geist-
volle Studie Ellen Terrys als Lady Macbeth. Ein
bisher noch wenig gesehenes Bild von Whistler,
khenry Irving in ganzer Figur als Philipp II. in
Tennyson's »(stneen Nary« darstellend, ist eine aus-
gezeichnete Farbenstudie in matten Tönen — schwarzen,
goldenen und grauen; von den modernen Leistungen
an dieser Stelle vielleicht die interessanteste.

Noch einmal:
ayä UelioZruphie.

err Prof. Dr. Bruno Meyer, dessen Ergänzung eines
von uns unter obigem Titel gebrachten Meitzner'schen
Aufsatzes in der D. Phot. Ztg. wir kürzlich besprachen,
schreibt dem peransgeber:
 
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