Nr. (9
- Die A u n st - p a l l e
29s
war bald in Italien, bald in Algier oder Kon-
stantinopel, des Sommers daheim in Dalarne zu
treffen. Lr malte jetzt Zigeunerinnen, Neger, spanische
Mädchen — alles mit breitem saftigen pinsel und
lebendigem Vortrag. Lr uralte schöne Damen- und
Kinderportraits. Als ein fashionabler Artist in
London richtete er sein Atelier mit empfehlendem
Luxus ein, malte in zierlichen Bildern das Leben auf
der Themse, Misses in Rahnen und Misses unter-
chinesischen Sonnenschirmen im Sonnenschein. Diese
englischen Motive sind mit spitzem pinsel höchst sorg-
sam durchgearbeitet. In Stockholm traten ihm jeder-
zeit Portraitaufgaben entgegen. Außerdem reizten
ihn in seiner peimat Dalarne Landschaftsstimmungen
und die Volkstypen. Aus dieser Zeit stammt auch
das herrliche Doppelportrait seiner Mutter und
Schwester (jetzt in der Fürstenberg-Gallerie zu Gothen-
burg) und das schöne Lrndtebild „Unser täglich
Brot" im National-Museum in Stockholm.
Mährend des Sommers wohnt er auch gern
in Dalaro, einen: Badeort unweit Stockholm am
Meeresufer. Lins seiner Gemälde heißt der „Wellen-
schlag" ((887, Rgl. Gemäldesammlung in Kopen-
hagen): dieser Titel charakterisirt seine Studien in
der zweiten pälfte der achtziger Jahre. Lr inalte
damals Strandmotive nut Brücken und Kähnen,
Ruderern in Bootei:, mit Seeleute:: und Mädchen,
mit Stockholmer Sommergästen. Die Hauptsache in
diesen Studien war aber der „Wellenschlag", die Dar-
stellung sanfter und stark bewegter Wellen, dieDurchsich-
tigkeitder Luftund des Wassers und das Spiel der Reflexe.
Lr ging dann einen Schritt weiter, indem er am
Wasser in der Freiluft den nackten menschlichen
Körper studirte. Seine ersten Arbeiten dieser Gattung
waren „Line premiöre" und „Draußen" ((888). Das
eine Bild zeigt eii: Weib, das ein Kind in's Wasser
führt; das andere drei Frauen, nach den: Bade sich
auf einer Felsenklippe behaglich sonnend, während
der Abendhimmel ein Spiel von vibrirenden Tönen
in Roth und Gold über Ufer und Wellen und über
die Päupter der Badende:: streut.
(Lin II. Artikel folgt.)
Dykeryakioyale jjaysk-
AusskellayH iy Aüychey.
von Georg Fuchs, München.
I.
^2^it lauten, eindringlichen und oft wiederholte::
Ankündigungen war die kunstliebende Welt
auf die diesjährige Münchener Ausstellung hinge-
wiesen worden, welche zun: ersten Male wieder seit
dein Kunstkriege Genoffensckaft und Sezession im
Glaspalaste vereinigte. Man war sehr gespannt und
durfte es sein, sonderlich, da die Berliner Ausstellung
so wenig glücklich ausfiel und auch die Dresdener
nicht alles hielt, was man sich von ihr versprach.
Lin vielköpfiges Komito war unter Lenbach's Vor-
sitz zusammengetreten, welches die bewährtesten Deko-
rateure und Arrangeure der Künstlerschaft umfaßte —
mit großem Pomp und stolzen Reden ward endlich
eröffnet — ohne Zweifel, man war ungeheuer zu-
frieden mit dem, was man da zugerüstet hatte. Man
sagte es selbst, bescheiden zwar, aber doch unum-
wunden; so schön wie diese Ausstellung ist in Deutsch-
land noch keine — arrangirt worden. Man hörte
wenig von dem, was darin ausgestellt sei — das
aber interessirt uns.
Böswillige nörgeln zwar auch an der dekorativen
Ausstattung. So diejenigen, welche selbst dabei sind,
einen neuen dekorativen Stil zu erfinden und,
wie man ihnen doch nachgerade zugestehen muß,
schon genug geleistet haben, um verlangen zu können,
daß ihnen eine so unvergleichliche Gelegenheit zu
schöpferischer Lntfaltung nicht ohne Weiteres vor-
enthalten werde. Man möchte ihnen fast Recht geben,
wenn man vor das Portal der großen Glas-Scheune tritt
und nicht ohne ein mitleidiges Lächeln sieht, wie wenig
man mit den allein seligmachenden Renaissance-
Motiven da anzufangen wußte. — Man schreitet
durch ein Spalier pyramidal gezogener Lorbeerstauden
in's mächtige Vestibulum. prächtige Gobelins be-
decken die Wände, untern: Baldachin eine patinirte
Athene — durch die ganze Palle kühle braune
Dämmerung.
Lin guter Linfall! Pier in diesem neutralen
Raume, den man auf den Irrfahrten von einer
Abtheilung zur andern immer wieder durchkreuzen
muß, soll sich das Auge erholen, man soll überall
wieder „von vorne anfangen" können. Drum hat
man hier weder Bilder noch Skulpturen geduldet.
Wir biegen ein in die linke deutsche Seite, in die
frühere Paupt- und Llitegallerie, die sogenannte
„Kegelbahn" — auch hier kein Bild, als einige alte
Fruchtstücke über den Thüren, keine Skulptur, als
ein hübscher Brunnen von Peter: Gobelins — schöne
Gobelins — alte Gobelins — theure Gobelins. Ls
wirkt sehr „stimmend", ohne Frage, aber auch ver-
stimmend auf unsere Künstler, welche die schönsten
und günstigsten Plätze opfern mußten. In der That:
das ist des Guten zu viel. Und wenn nicht schon
das durch diese allzu luxuriöse Ausschmückung mit
Sicherheit hervorgerufene große Defizit im perbste
neue Stürme entfesseln würde — die Ausschaltung
der „Kegelbahn" würde genügt haben, viele Künstler-
herzen zur Lmpörung zu treiben. — Geradeaus
blicken wir auf die leuchtende Gestalt der „Lva" auf
Stuck's „Vertreibung aus den: Paradiese", dort haust
nun friedlich und behaglich die böse „Sezession".
In den Gemächern links von der „Kegelbahn"
hat sich — schon weniger breitspurig — die Luit-
pold-Gruppe niedergelassen. Diese setzt sich zu-
sammen aus den Künstlern, welche es zwar im
Schoße der Genossenschaft nicht duldete, die aber
doch nicht radikal genug waren, Sezessionisten zu werden:
gemäßigten Akademikern wie Defregger, Leibl
und verwandten Seelen. Rechts von der „Kegel-
bahn" sind die Massenguartiere des „Volkes" — der
Genossenschaft „schlechthin", der „Kollegen", wie sie
sich mit Gueusen-Stolz selber nennen. Aber hier,
mitten unter seinem Volke, leutselig und vertrauens-
voll sein Paupt jedem „Knterthan" in den Schoß
- Die A u n st - p a l l e
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war bald in Italien, bald in Algier oder Kon-
stantinopel, des Sommers daheim in Dalarne zu
treffen. Lr malte jetzt Zigeunerinnen, Neger, spanische
Mädchen — alles mit breitem saftigen pinsel und
lebendigem Vortrag. Lr uralte schöne Damen- und
Kinderportraits. Als ein fashionabler Artist in
London richtete er sein Atelier mit empfehlendem
Luxus ein, malte in zierlichen Bildern das Leben auf
der Themse, Misses in Rahnen und Misses unter-
chinesischen Sonnenschirmen im Sonnenschein. Diese
englischen Motive sind mit spitzem pinsel höchst sorg-
sam durchgearbeitet. In Stockholm traten ihm jeder-
zeit Portraitaufgaben entgegen. Außerdem reizten
ihn in seiner peimat Dalarne Landschaftsstimmungen
und die Volkstypen. Aus dieser Zeit stammt auch
das herrliche Doppelportrait seiner Mutter und
Schwester (jetzt in der Fürstenberg-Gallerie zu Gothen-
burg) und das schöne Lrndtebild „Unser täglich
Brot" im National-Museum in Stockholm.
Mährend des Sommers wohnt er auch gern
in Dalaro, einen: Badeort unweit Stockholm am
Meeresufer. Lins seiner Gemälde heißt der „Wellen-
schlag" ((887, Rgl. Gemäldesammlung in Kopen-
hagen): dieser Titel charakterisirt seine Studien in
der zweiten pälfte der achtziger Jahre. Lr inalte
damals Strandmotive nut Brücken und Kähnen,
Ruderern in Bootei:, mit Seeleute:: und Mädchen,
mit Stockholmer Sommergästen. Die Hauptsache in
diesen Studien war aber der „Wellenschlag", die Dar-
stellung sanfter und stark bewegter Wellen, dieDurchsich-
tigkeitder Luftund des Wassers und das Spiel der Reflexe.
Lr ging dann einen Schritt weiter, indem er am
Wasser in der Freiluft den nackten menschlichen
Körper studirte. Seine ersten Arbeiten dieser Gattung
waren „Line premiöre" und „Draußen" ((888). Das
eine Bild zeigt eii: Weib, das ein Kind in's Wasser
führt; das andere drei Frauen, nach den: Bade sich
auf einer Felsenklippe behaglich sonnend, während
der Abendhimmel ein Spiel von vibrirenden Tönen
in Roth und Gold über Ufer und Wellen und über
die Päupter der Badende:: streut.
(Lin II. Artikel folgt.)
Dykeryakioyale jjaysk-
AusskellayH iy Aüychey.
von Georg Fuchs, München.
I.
^2^it lauten, eindringlichen und oft wiederholte::
Ankündigungen war die kunstliebende Welt
auf die diesjährige Münchener Ausstellung hinge-
wiesen worden, welche zun: ersten Male wieder seit
dein Kunstkriege Genoffensckaft und Sezession im
Glaspalaste vereinigte. Man war sehr gespannt und
durfte es sein, sonderlich, da die Berliner Ausstellung
so wenig glücklich ausfiel und auch die Dresdener
nicht alles hielt, was man sich von ihr versprach.
Lin vielköpfiges Komito war unter Lenbach's Vor-
sitz zusammengetreten, welches die bewährtesten Deko-
rateure und Arrangeure der Künstlerschaft umfaßte —
mit großem Pomp und stolzen Reden ward endlich
eröffnet — ohne Zweifel, man war ungeheuer zu-
frieden mit dem, was man da zugerüstet hatte. Man
sagte es selbst, bescheiden zwar, aber doch unum-
wunden; so schön wie diese Ausstellung ist in Deutsch-
land noch keine — arrangirt worden. Man hörte
wenig von dem, was darin ausgestellt sei — das
aber interessirt uns.
Böswillige nörgeln zwar auch an der dekorativen
Ausstattung. So diejenigen, welche selbst dabei sind,
einen neuen dekorativen Stil zu erfinden und,
wie man ihnen doch nachgerade zugestehen muß,
schon genug geleistet haben, um verlangen zu können,
daß ihnen eine so unvergleichliche Gelegenheit zu
schöpferischer Lntfaltung nicht ohne Weiteres vor-
enthalten werde. Man möchte ihnen fast Recht geben,
wenn man vor das Portal der großen Glas-Scheune tritt
und nicht ohne ein mitleidiges Lächeln sieht, wie wenig
man mit den allein seligmachenden Renaissance-
Motiven da anzufangen wußte. — Man schreitet
durch ein Spalier pyramidal gezogener Lorbeerstauden
in's mächtige Vestibulum. prächtige Gobelins be-
decken die Wände, untern: Baldachin eine patinirte
Athene — durch die ganze Palle kühle braune
Dämmerung.
Lin guter Linfall! Pier in diesem neutralen
Raume, den man auf den Irrfahrten von einer
Abtheilung zur andern immer wieder durchkreuzen
muß, soll sich das Auge erholen, man soll überall
wieder „von vorne anfangen" können. Drum hat
man hier weder Bilder noch Skulpturen geduldet.
Wir biegen ein in die linke deutsche Seite, in die
frühere Paupt- und Llitegallerie, die sogenannte
„Kegelbahn" — auch hier kein Bild, als einige alte
Fruchtstücke über den Thüren, keine Skulptur, als
ein hübscher Brunnen von Peter: Gobelins — schöne
Gobelins — alte Gobelins — theure Gobelins. Ls
wirkt sehr „stimmend", ohne Frage, aber auch ver-
stimmend auf unsere Künstler, welche die schönsten
und günstigsten Plätze opfern mußten. In der That:
das ist des Guten zu viel. Und wenn nicht schon
das durch diese allzu luxuriöse Ausschmückung mit
Sicherheit hervorgerufene große Defizit im perbste
neue Stürme entfesseln würde — die Ausschaltung
der „Kegelbahn" würde genügt haben, viele Künstler-
herzen zur Lmpörung zu treiben. — Geradeaus
blicken wir auf die leuchtende Gestalt der „Lva" auf
Stuck's „Vertreibung aus den: Paradiese", dort haust
nun friedlich und behaglich die böse „Sezession".
In den Gemächern links von der „Kegelbahn"
hat sich — schon weniger breitspurig — die Luit-
pold-Gruppe niedergelassen. Diese setzt sich zu-
sammen aus den Künstlern, welche es zwar im
Schoße der Genossenschaft nicht duldete, die aber
doch nicht radikal genug waren, Sezessionisten zu werden:
gemäßigten Akademikern wie Defregger, Leibl
und verwandten Seelen. Rechts von der „Kegel-
bahn" sind die Massenguartiere des „Volkes" — der
Genossenschaft „schlechthin", der „Kollegen", wie sie
sich mit Gueusen-Stolz selber nennen. Aber hier,
mitten unter seinem Volke, leutselig und vertrauens-
voll sein Paupt jedem „Knterthan" in den Schoß