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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 8
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Stahl, Fritz: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0143

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Nr. 8

Die Au n st-Halle

er nut einer Vorliebe, die in ihrer Einseitigkeit zur
Manier führen muß. wie durch den Nebel die Früh-
sonne lächelt oder der bleiche Mond, wie ihn Lichter und
Laternen durchschimmern, das hat Niemand reizvoller ge-
malt. Man denkt an Fritz Thaulow. Lin Ian Goyen,
mit den Mitteln der modernen Malerei umgemalt, würde
unerkannt unter den Werken dieses spätgeborenen Lands-
mannes hängen können. In Summe: eine rasfinirte,
Delikate Virtuosenkunst. Unser trefflicher p. Basedow
giebt kleinere Bilder aus den norddeutschen Seestädten.
Er ist fast Spezialist geworden, seine Studien mit anderen
Motiven sind diesen Bildern nicht ebenbürtig. Ueber den
Maler Paul Schultze-Naumburg, über dessen Luch in
einer folgenden Nummer berichtet werden wird, ist schwer zu
urtheilen: seine an sich schon matt und eintönig gewollten
Landschaften haben in dem Zwischensaal zu wenig Licht.
Mir scheint aber diese Modernität von der alten Schule
nicht sehr verschieden zu sein. Frau Ernestines die
Gattin Schultzes - Naumburg und wohl seine Schülerin,
zeigt in dem Porträt eines jungen Mädchens vielen Ge-
schmack und feinen Farbensinn. Oie breite und geschickte
Technik ist gleichfalls zu loben. Aber — wo wir be-
stimmte und interessante Zeichnung verlangen, werden wir
enttäuscht. Man sehe die todten Arme an! Sie helfen
das Buch des Mannes kritisiren. Anatomie ist am Lude
doch eine schöne Sache. Nach längerer Pause hat Josef
Block, der jetzt wieder in Berlin lebt, zum ersten Mal
wieder ausgestellt. Seiner Kunst erscheint die Berliner
Luft vortrefflich zu bekommen: die in München am
Sezessionismus schwer krank niederlag ist kerngesund ge-
worden. Namentlich seine Nännerporträts zeigen in
Tharakteristik und Zeichnung jene Vorzüge, die einst das
Debüt des Künstlers zu einem so glänzenden machten.
Die pände des alten perren sind brillant, auch die des
schwarzbärtigen Cellisten ausdrucksvoll. Und wie die
pände sprechen die Augen. Und Augen und Bände geben
eine:: sicheren Maaßstab. Die Farbe Blocks war, dünkt
mir, früher klarer und durchsichtiger. — Mit einer größeren
Anzahl von Werken ist der Münchener Bildhauer
Perm, pahn vertreten. Ihm werden seit einiger Zeit
in München gern dekorative Figuren und Gruppen an-
vertraut. Die Statue eines Fischers, die wir hier finden,
schmückt die neue Prinzregentenbrücke in München. Dies
interessante plastische Motiv ist kraftvoll durchgeführt, die
Formensprache knapp und bestimmt. Diesen für die deko-
rative Wirkung sehr guten Stil behält er auch in seinen
Bildnissen bei. Sie giebt ihnen etwas perbes, das an's
Altdeutsche erinnert und deshalb als national gepriesen
werden mag, das aber für die weicheren Söhne des neuen
Deutschlands nicht recht und das noch weniger für seine
Töchter paßt. So wird aus einer jungen Münchnerin,
die wahrscheinlich ganz gern tanzt und lacht, eine Art
Walküre. Darf der Künstler, seinem Stil zuliebe, so die
Welt verändern?! Uebrigens sind auch diese Porträts als
Arbeiten immer interessant und im Technischen geradezu
meisterlich.
Ueber Max Lüger's keramische Versuche will ich in
andern: Zusammenhang sprechen.



Im Salon Gurlitt ist die Vereinigung „Freie Kunst"
eingerückt. Das Gemeinsame, das diese jungen Künstler
zusammenhält, ist die Berliner perkunft und die Pariser-
Schule. Die Maler, Mitglieder und Gäste, haben kein
gutes Jahr gehabt oder sind nicht mit ihrem Besten ge-
kommen. Rippel Ronay ist, wie seine nebligen Bilder
schon im vorigen Jahre fürchten ließen, völlig zum
Manieristen, um nicht zu sagen: zum Karikaturisten, ge-
worden. Er ist es noch unbewußt, aber er hat — Th. Th.
peine's ähnliche Entwicklung fällt mir ein — bis zum
Bewußtsein. Max Pietsch mann hat nur ein paar
ziemlich indifferente Landschaften. Btto p. Engel läßt
im „Maiseft" von seinen: großen Können wenig verspüren.
Max Schlichtung setzt seine Bemühungen fort, von der
reinen Landschaft, in der er oft Gutes geleistet hat, los-
zukommen. Meng-Tri mmis und Sesemann, die nut
ihren Werken in der Ansstellung große Hoffnungen er-
regten, enttäuschen. Namentlich Sesemann, dessen Bilder
hartfarbig und flach wirken, von den Landschaften Karl
Lang Hammer's wirkt energisch die große norddeutsche
Flußlandschaft. Man merkt ein Streben nach Größe in
Ausdruck und Mache, dessen Erfolg größer sein würde,
wenn nicht ein paar Stellen, wiese und Wolken, die über-
zeugende Kraft eingebüßt hätten. Ein paar frische Studien
aus Rom und aus der Mark sind zu bemerken. Als
frisches Talent erscheint der Münchener Pans Busse mit
Bildchen, in denen die süditalienische Natur mit ihrer
grellen Sonne und ihren starken Farben flott und wirkungs-
voll ausgedrückt ist. Karl Page meist er hat eine seiner-
breiten Uferstudien geschickt, sie sind feinfarbiger als früher.
Den eigentlichen Erfolg der Ausstellung tragen der
Bildhauer Martin Schauß und der Radirer per in.
pirzel davon, von 5 chauß sind neben guten por-
traits — namentlich fesselt der Kopf der schönen Frau
Eschke mit dem heimlichen Lächeln — drei kleine Sta-
tuetten gegeben, die zu den: Reizvollsten gehören, was
wir seit langen: auf dem Gebiet der Kleinplastik gesehen.
Sie stellen alle jungen Frauen im modischen Kostüm dar
und sind durch die Mischung von Eleganz und natürlicher
Anmuth sehr geeignet, uns von der spitzen Balletgrazie,
die auf diesem Gebiet noch herrscht, zu befreien. Die
Porzellanmanufaktur sollte versuchen, neue Modelle von
Schauß zu erhalten. Die feinste der Figuren ist die in
Elfenbein. Dieses vornehme, aber durch seine handwerk-
liche Verarbeitung etwas entwerthete Material ist für
diese Motive außerordentlich geeignet. Ls erlaubt feine
Arbeit und große Wirkung. Lebten wir in einem Kunst-
lande, so dürfte so ein Figürchen bald in: Kabinet keines
Sammlers fehlen, ebenso wie in der Mappe eine der
feinen Studien pirzel's, die uns der Künstler diesmal
neben landschaftlichen Blättern zeigt. Mit liebevoller
Sorgfalt vertieft er sich ins Kleine der Natur. Ein Kirsch-
bäumchen, ein Kastanienzweig, ein peubündel wird bis
in die zartesten Spitzen hinein durchgezeichnet, wir
werden in der Lage sein, unfern Lesern eins oder das
andere dieser reizvollen Blätter in der Reproduktion vor-
zuführen. Aus einer solchen Beschäftigung mit der Natur
müssen sich Anregungen zu ornamentalem Schaffen er-
geben. Goldschmuckstücke, die nach pirzel's Entwürfen
von Louis Werner gearbeitet sind, sind offenbar schon
ihre Frucht. Die Motive bilden einfache, leicht stilisirte
Blätter, die auf dünnen Stielen sich fast zu bewegen
 
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