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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 7
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Oettingen, Wolfgang von: Die Grenzen der Jugend
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98 -Die K u n st - H a l l e. - Nr. 7

sich in den Buchläden ausstaute, so griff inan
das Ding schließlich praktischer an und schickte
zwei besonders auffallende Zeitschriften, gleichsam
als schöne Lockvögel, in die Welt; Unterhaltungs-
blätter, die Wort und Bild koordinirten und die
den bequemen Leser, der ungern ein Buch, viel
eher jedoch ein Journal aufschlägt, reizen und
allmälich fesseln, für die Zache der Zungen ge-
winnen sollten.
Das eine Blatt wurde für die Gourmets
unter den Aufgeklärten und Aufzuklärenden be-
stimmt: das ist bekanntlich der „Pan". Zehr-
anspruchsvoll in seinem Auftreten, unter der
Aegide der geachtetsten Namen, den Widersachern
trotzend, erlebte er nach kurzer Zeit doch eine
Art von Fiasko. Er täuschte ja leider die Er-
wartungen auch seiner Freunde: das Geistreichste,
das künstlerisch Werthvollste, das Originellste und
Freieste war uns versprochen worden, und Pest
für Heft brachte er neben manchem Guten sehr-
viel Wittelmäßiges und nicht wenig Absurdes.
Es stellte sich heraus, daß ein nicht unbefangenes
Urtheil die Redaktion beherrschte und daß eine
kleine, aber kecke Partei sich der vornehm für
Vornehme gedachten Unternehmung bemächtigt
hatte, um bei der beispiellos günstigen Gelegen-
heit dem eigensten Geschmacke und kaum gereiften
künstlerischen Grundsätzen Bahn zu brechen. Neuer-
dings, nachdem eine heilsame Palastrevolution
mildere Vezire und Imams der Wodernen ans
Ruder gebracht hat, ist der Inhalt der Hefte viel-
seitiger und im Ganzen weniger extravagant ge-
worden; aber noch immer zeugt eine gesuchte
Absonderlichkeit in manchen Theilen der Aus-
stattung, sowie das prätentiöse Hervorheben
mancher keineswegs hervorragenden Leistungeu
von unserem noch längst nicht gedeckten Wangel
an nationalem Ztilgefühl und von unserer Ar-
muth an schlechthin überzeugenden, hinreißenden
Zchriftstellern und Zeichnern. Und doch will der
„Pan" nicht sowohl ein Züchen und Ringen mit
dem Ausblick auf noch unerreichte Ziele ab-
spiegeln, als vielmehr voll Zelbstbewußtsein
sagen: wollen Zie, so haben wir eine Kunst,
Wöge ihm eine weniger angezweifelte Berechtigung
zu solchem Ztolze allmälich erwachsen.
Bescheidener als der große „Pan", durchaus
nicht exclusiv und ungemein behende, fuhr bald
nach jenem die „Jugend" unter das Publikum.
Georg Hirth, der die Ztärken und Zchwächen
der guten Deutschen nur zu genau kennt, lancirte
das drollige Ding mit gewohntem Geschick.

Allerweiteste Verbreitung wollte er dem Blatte
zunächst sichern; es durfte daher nichts weniger als
vornehm sein. Im Gegentheil! es pries sich so-
gar als Eisenbahnlektüre an und wurde in der
That als dafür nicht zu werthvoll befunden; es
sollte eben Alle, Alle unterhalten, die noch irgend-
wie jugendlich empfinden; und wer wagt es, sich
selbst für einen Philister zu erklären? Jedoch
selbst ein so fideles Programm macht nicht schon
den Erfolg; da wirken sinnfällige Reizmittel
immer noch drastischer. Wit wohlbedachter
Freigebigkeit setzte man daher einen äußerst
niedrigen Verkaufspreis, eine sehr reiche Illustra-
tion, einen recht bunten Inhalt an; aber der
glücklichste Einfall des Verlegers bleibt doch die
Erfindung des wöchentlich neuen, höchst frappanten,
absichtlich an keinen bestimmten alten Ztil er-
innernden Umschlages. Das lärmende Plakat
— natürlich wieder keine deutsche Erfindung —
beherrscht ja augenblicklich unsere Künstler und
weite Kreise der Laien; die ersteren durch seine
malerischen, pikanten Wirkungen, die letzteren, so-
fern sie nicht viel Kunstsinn haben, blos durch
das Flotte, oft Frivole seiner Erscheinung. Die
„Jugend" ließ sich also diese Attraktion nicht
entgehen und hat denn auch in dem bisher
erschienenen Jahrgangs die mannigfaltigsten Um-
schlagbilder, phantastische, landschaftliche, senti-
timentale, humoristische, satyrische gebracht, vor-
wiegend in leuchtenden, breit disponirten Farben
und, wie billig, mit Darstellungen weiblicher
Figuren; letztere sind dabei meist modernen eng-
lischen Ztils, an den die Anlehnung bei den
Konkurrenzen zu Gunsten der Künstler, die sich
vom „Ztudio" inspiriren lassen, offenbar nicht
untersagt ist. Gewonnen durch die Energie des
Aeußeren, hofft der sich jugendlich Fühlende auf
ein entsprechendes Innere und findet denn auch,
was die Illustration betrifft, eine große Anzahl
von auffallenden Rand- und Kopfleisten, Vignetten,
Textbildern und Tafeln, ja Doppeltafeln, Alles
in den verschiedensten Wanieren, zum Theil in
gut gedruckten Farben ausgeführt, Alles eman-
cipirt von alten Ztilen und daher angeblich
modern, d. h. im malerisch-dekorativen Zinne
der Gegenwart durchgeistigt. Ich sage: an-
geblich, weil, abgesehen von den allzu fühlbaren
ausländischen Einflüssen, das eigentümlich Le-
bendige dieser Zeichnungen im Grunde garnichts
Neues ist, sondern guten deutschen Künstlern
von jeher gelang, wenn Konvention und Be-
fangenheit sie nicht bedrückten. Zur Befangen-
 
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