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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 7
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Stahl, Fritz: Ein Verband der bildenden Künstler Deutschlands
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0122

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D i e K u n st - H a l l e -

Nr. 7

s02

mehr als sachliche Erwägungen ihre Haltung in
einzelnen Fragen bestimmen zu lassen. Verfolgen
die Sezessionen wenigstens, wenn auch spezielle,
künstlerische, so verfolgen die Gruppen meist rein
egoistische Interessen.
Die allgemeinen Interessen der bildenden
Künstler können nur von einer umfassenden
Organisation vertreten werden, die eine materielle
und moralische Macht bedeutet. Die deutsche
Kunstgenossenschaft, die in dem weltfremden
Weimar ihren Sitz hat, vermag schon deshalb
nicht zu wirken und wird eine entsprechende
Erneuerung nicht vertragen. Die Organisation
auf den bestehenden Ortsvereinen aufzubauen,
geht einfach schon aus dem Grunde nicht an, da
sie alle, mit Ausnahme der in diesem Punkte
strengen sezessionistischen, den Ballast der „ge-
wesenen" Künstler mitschleppen. Der Verband
der bildenden Künstler Deutschlands müßte also
ganz neu begründet werden.
Ich möchte in kurzen Andeutungen den
Wirkungskreis eines solchen Verbandes um-
schreiben. Ich will damit zweierlei beweisen:
daß gemeinsame Interessen vorhanden sind und
daß ein Verband zu ihrer pflege nicht nur neben
den bestehenden Vereinen berechtigt, sondern sogar
nothwendig ist. Erreichen aber will ich nur das
bescheidene Ziel, daß die Einsichtigen die Sache,
am besten öffentlich, diskutiren. Die „Kunst-
Halle" wird Freunde und Gegner der Idee gleich-
mäßig zu Worte kommen lassen.
Zunächst handelt es sich um rein wirthschaft-
liche Dinge. Es giebt heute kaum einen Stand
oder Beruf, dessen Mitglieder sich nicht zusammen-
gethan haben, um entweder im Allgemeinen
Lebensmittel im weitesten Sinne oder Materialien
und Instrumente, deren sie zu ihrer Arbeit be-
dürfen, sich möglichst wohlfeil zu verschaffen.
Die Konsumvereine und Berufsgenossenschaften
der Kleinbürger und Handwerker sind voran-
gegangen. Aber es giebt seit geraumer Zeit z. B.
Waarenhäuser für Offiziere und Beamte, die den
Konsumvereinen, für Aerzte, die den Genossen-
schaften verwandt sind. Es ist die Frage, ob
der Künstlerverband nach beiden Richtungen hin
in Wirksamkeit treten sollte. Für die Beschaffung
wohlfeiler Lebensmittel würde der Unistand
sprechen, daß die Künstler zu den Kreisen der
Gesellschaft gehören, die feinere Bedürfnisse und
größere Repräsentationspslichten haben, als sich
mit dem durchschnittlichen Einkommen verträgt,
daß also für sie dieselben Verhältnisse bestehen,
die zur Begründung des Beamten- und Offizier-
Vereins geführt haben. Daß für eine möglichst
wohlfeile Beschaffung der Arbeitsmittel bei ihnen
das Bedürfniß im höchsten Maße vorhanden ist,
das bedarf keines Beweises. Hier spielt aber
auch gleich ein künstlerisches Moment hinein, wie
überall auf diesem Gebiet auch bei scheinbar rein
materiellen Fragen. Ein von Künstlern geleiteter
Verband würde nicht nnr den verteuernden
Zwischenhandel, er würde auch unsolide Fabriken

ausschließen. So sehr, daß die soliden, von der
schmutzigen Konkurrenz befreit, ihre Fabrikate
noch sorgfältiger und doch zugleich billiger Her-
stellen könnten. Ich denke dabei besonders an
Farben. Jedermann weiß, welche Rolle die
schlechten Fabrikate in der modernen Malerei
spielen. Ein besonderer Segen wäre es, daß
zugleich die geradezu wucherische Ausbeutung
aushören würde, die von einer gewissen Sorte
von Zwischenhändlern gegen unbemittelte Künstler-
betrieben wird. Da die Kunstwerke, die diese
Leute für fast nichts in ihren Besitz bringen,
dann sehr billig aus den Markt kommen, so wird
hier mit dem Interesse der Einzelnen zugleich
das gemeinsame gefördert Der Verband würde
vielleicht sogar in der Lage sein, bedürftigen
Anfängern durch eine vorsichtige Kreditgewährung
zu unterstützen. Die Thätigkeit des Verbandes
könnte sich bei glücklicher Entwicklung sogar bis
zur Beschaffung guter Ateliers versteigen, an
denen z. B. in Berlin so großer Mangel ist.
Bei der gewöhnlichen Ungeschicklichkeit der
Künstler für praktische Dinge wäre es für die
meisten ein Segen, wenn ihnen Verpacken und
Versenden der Werke zu und von den Aus-
stellungen durch den Verband besorgt würde.
Ganz abgesehen davon, daß bei dem großen
Umfang dieses Verkehrs ein gemeinsames Vor-
gehen dem Einzelnen erhebliche Ersparnisse bringen
würde. Ein Beispiel: die Sendungen der Mün-
chener nach Berlin oder der Berliner nach München
würden, in gemietheten Wagen untergebracht,
nur einen bescheidenen Theil von der Fracht
kosten, die heute die Einzelnen für ihre Sen-
dungen bezahlen. Selbst innerhalb einer Stadt
würde es schon erheblich vortheilhafter sein, daß
die Werke aus einem Quartier gesammelt würden.
Einen Theil dieser einfachen Dinge könnten frei-
lich die Ortsvereine sehr leicht ausführen, aber
erstens thun sie es nicht und zweitens läßt es
sich eben besser in einem von vornherein für
solche Aufgaben organisirten Betriebe thun.
Es taucht von selbst die Frage aus, ob der
Verband auch bei dem Verkauf von Kunstwerken
mitwirken könnte. Ganz selbstverständlich ist es,
daß, selbst wenn man die Frage bejaht, nicht
Alles zugleich begonnen werden kann, und gerade
eine Thätigkeit in diesem Sinne erst spät an die
Reihe käme. Sie hat überhaupt ihre Bedenken,
da der Verband in dem Augenblick verloren
wäre, in dem seine absolute Unparteilichkeit in
Frage stände. Und die wäre, oder was dasselbe
bedeutet, ihre Zweisellosigkeit wäre schnell ge-
fährdet. Aber in gewisser Weise wird er doch
in den Kunsthandel eingreisen und illegitime Aus-
wüchse zerstören können. Ich rechne dabei mit
der moralischen Autorität, die der organisirten
deutschen Künstlerschaft das Publikum nicht ver-
sagen kann. Er wird z. B. sehr ruhig der Oeffent-
lichkeit sagen können, daß irgend einer der be-
liebten — ini oder —egos in Italien oder Spanien
nur den zehnten Theil von dem werthet, was
 
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