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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 1
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Meyer, Bruno: Berlin: Grosse Kunstausstellung 1899, [8]
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Thomas, Bertha: Die Londoner Ausstellung in Knightsbridge
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0014

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6

4- Die Aun st-Halle

Nr. s

tischen Bismarck-Kultus war es vorbehalten, solche
Ungeheuerlichkeit auszuhecken. Nun werden die Ur-
heber des geschmacklosen „Gedankens" noch besonders
herbe dadurch gestraft, daß die handwerksmäßige
Vorstellung, ein Modell zur fabrikmäßigen Verviel-
fältigung zu liefern, alle tüchtigen Kräfte abgeschreckt,
und selbst die mit Todesverachtung daran gegangenen
mittelmäßigen mit Armseligkeit geschlagen hat. Ls
ist ein Jammer! Hoffentlich geht das Geld zu
dem Unfug bald aus — oder am besten gar nicht
erst ein!
Mit Interesse sieht man Original-Arbeiten von
Max Hasak (Berlin) und von Bodo Lbhardt
(Grünewald bei Berlin) zu bekannten geschichtlichen
Veröffentlichungen der beiden Autoren.
Nicht ungemischte Gefühle erregen dein Berliner
die lverke zweier Anderen. Bruno Moehring
(Berlin) zeigt — neben seiner kühn geschwungenen
Bonner Nheinbrücke —, wie lustig anzuschauen ein
Bahnhof der Schwebe-Bahn in — Llberfeld aus-
sehen kann, wenn eine wirklich neue Aufgabe mit
modernem Geiste, d. h. überhaupt nut Geist auf-
gefaßt wird, — während uns die — beinahe hätte
ich gesagt: Pflichtvergessenheit aller Betheiligten eine
Schimpfirung unseres Straßenbildes durch die elektrische
Hochbahn zu bieten wagt, die der Reichshaupt-
stadt den Stempel des künstlerischen Krähwinkels
aufdrückt.
Lbenso überläuft es Linen kalt, wenn die
heimischen Erinnerungen an verwandtes vor Karl
Teich ens (Berlin) Entwurf zu einem großen Kauf-
hause für — Dessau auftauchen. Ls ist wirklich nur-
kritische Tagelöhnerweisheit, wenn gewisse „Ver-
einfachungen" uns haben als geniale Neuheiten auf-
geschwatzt werden sollen. Die Fassaden-Gliederung
des Teichenschen Baues ist dagegen wirklich sehens-
werth. Da ist Einheit in der Mannigfaltigkeit. Neber
jeder großen Geffnung des Erdgeschosses liegen zwei
Fenster in den Stockwerken. Diese aber sind zu dreien,
selbst vieren in den Risaliten, Zu zweien in den
Trakten zusammengefaßt. Das ergiebt eine pracht-
volle Bewegung der Massen.
Zum Schluffe der Architektur-Betrachtungen möchte
ich noch einige Aussteller beglückwünschen wegen ihrer
heroischen Abwendung von der schrecklichen Schul-
schablone in der perspektivischen Darstellung entworfener
Gebäude innen und außen. Mit der Angewöhnung
und Anwendung dieser Schablone wird unendlich
viele, anderwärts nutzbringender zu verwendende Zeit
getödtet, der Geist ausgetrieben, und ein leeres
Blendwerk kultivirt. Eine wahre Erquickung bieten
dagegen — bei völliger Erfüllung ihres Zweckes —
die virtuosen malerischen Architekturstudien im Stile
der norddeutschen Backstein-Gothik von Fritz Gottlob
(Berlin), die riesig flotte Perspektive der Kirche zu
Neu-Weißensee bei Berlin mit Pfarrhaus rc. von
Moritz und Welz (Berlin), die vornehmen clairobscur-
artigen Zeichnungen diverser Bauwerke von Georg
Noensch (Tharlottenburg) und die meisterhaft breiten
Federzeichnungen von Spaeth L Nsbeck (Berlin).
Das sind alles fördernde und geistvolle Behandlungs-
weisen, von deren Beherrschung ihr Eigner überall
Genuß und Nutzen hat, während über der normalen
Art Einer zum Tretin werden kann. Viäeant 60N8ules!
Das ist eine wichtige Angelegenheit der Hochschul-
pädagogik, Abtheilung für Bauschulen!
von dem Kunstgewerbe ist es überwiegend
am besten, zu schweigen. Man weiß nicht recht, ob
es noch als eine Anerkennung und Auszeichnung für

einen Photographen (Ottomar Anschütz-Berlin mit
seinen Aufnahmen von der Palästina - Fahrt des
Deutschen Kaiserpaares, an derenwirkung dieKünstler-
natur und -Hand ihres Urhebers beiläufig das ent-
scheidende Verdienst hat!) angesehen werden kann,
m eine „Kunst" - Ausstellung zugelassen zu werden,
wenn er den Raum mit den rhachitischen Tölpeleien
des neuesten Grünkrams u. s. w. theilen muß. Daß
fast ungehobelte Vetter, roh zusammengeschlagen und
möglichst fleckig und streifig angepinselt zum Kunst-
gewerbe gehören, das ist eine ün-ds-sitzole-Erfindung
echtester Art. „Bringt einen großen Sarg . . . .!"
Sehen wir uns unter dem um, wobei man nicht
völlig umzulernen braucht.
Die Statuetten und Gruppen in Elfenbein und
Bronze bezw. Gold von Eugene Barillot (Berlin)
sind namentlich auch durch ihre Sockelverzierungen
u. s. w. interessante Werke der Kleinplastik.
Der originellen Behandlung — fast skizzirend,
bei reizvollster Detaillirung — in einem Lhrendegen
von Mariano Benlliure (Madrid) verzeiht man
es beinahe, daß das Ding unmöglich anzufassen ist.
Line „Votivtafel" von Gustav Schmidt-Tassel
(Berlin) — für Herrn Albert Pfaff — versöhnt nicht
mit dem harten Gegensatz von Bronze und weißem
Marmor, so sehr auch der Entwurf sowie die Arbeit
sonst erfreut.
Eine Adresse für Herrn Präsidenten Peter Nensch,
in getriebener Lederarbeit vom Hof - Buchbinder
W. Tollin (Berlin) hat reine Zeichnung, ist aber
vielfach kleinlich in der Ornamentation. Durchweg
tüchtig ist das Stiftungsbuch der Böckmann-Stiftung,
nach Entwurf des Regierungs-Baumeisters Adolph
Hartung (Berlin).
Die schön gezeichneten großmusterigen Tapeten
von Franz Lieck L Heider (Berlin) mit ihren
feinen, zum Theil überraschenden Farbenwirkungen
stellen die Nauchringe und ähnliche formlosen Phan-
tastereien von Otto Eckmann (Berlin) tief in Schatten.
Unter den Stickereien verdienen nur die feinen
Nadelmalereien „Lallablüthe" und „Wandstreifen"
(wein) anerkennende Hervorhebung.
Eine perle aber der Ausstellung — ebenso als
eine Spitze der Plastik wie des Kunstgewerbes zu
betrachten — bilden die zwölf wundervollen, über
alle Begriffe vollendeten Zagdfalken in verschieden-
farbigen Edelmetallen von dem Zapaner Thokichi
Suzuki (Tokio). Solch Naturalismus in solcher
Technik — ja, da ist freilich nichts zu sagen! Aber
können muß man's. Sonst ist es keine Kunst!
X
Vie Londoner Husstellung in
WOttbMge.
von Bertha Thorn as, London.

ie Gründung der „IntsrnationalLoeiety
okLeulptors, Nainters Lud 6lravsrs"
' in der vorjährigen Saison war ein Er-
eigniß von weittragender Bedeutung. Das Präsidium
der neuen Gesellschaft, welche ihren Sitz in dem
Londoner Distrikt Knightsbridge nahe dem Hydepark
hat, übernahm Whistler, die Vize-Präsidentschaft der
zu den führenden Mitgliedern der Glasgower
Schule gehörende Lavery, und zu den Ehren-
mitgliedern zählen über dreißig der hervorragendsten
 
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