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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 2
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Imhof, Franz: Berlin: Die Ausstellung französischer Künstler
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Der Niedergang einer Kunstspezialität
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0033

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Nr. 2

4- Die Au n st-Halle -4--—-

23

rühmten Meisters des pariser Plakats entgegen. Recht
befangen in der Haltung wirkt dagegen das hier lediglich des
Modells wegen'zu erwähnende Barnay-Porträt von weisz.
Im klebrigen dürfen wir uns, ohne die Bedeutung
der Kollektion zu unterschätzen, auf eine summarische
Würdigung beschränken. Unter den vorhandenen Land-
schaften ragen besonders eine stimmungsvolle Szenerie von
R. Billotte, ein effektvoller „Abend im Walde" vor: Carolus-
Duran, ein sanft melancholischer „Sonnenuntergang" von
Delpy, eine im Charakter etwa von I. Dupre gehaltene
Schilderung von Dufour und Anderes hervor. Auch Raffaelli
ist mit zwei seiner einförmigen charakteristischen Motive
„Die Sandgrube" und „Seineuser" am Platze. Richt un-
beträchlich erscheint neben der Intimität der heimischen
Naturschilderung noch immer die Dorliebe für den Grient:
Bonnat, Lazerges, Huguet, Rigolet und Ziem sind aus
diesem Gebiete gut vertreten. Genre nnd Geschichte fehlen
natürlich keineswegs. Pier einige Titel von Bildern und
deren Autoren: „Jagd der Diana" von Axilette, „Die
Maskenmalerin" von Bröautä, „Probe in einer pariser
Bühnenschule" von Jean Beraub, „Kriegsbeute", eine höchst
mittelmäßige große Leinewand von dem Bonnatschüler
Bordes — die Kriegsbeute sind natürlich wieder hüllenlose
Frauen — „Die Danatden" von Demont, eine Szenerie
zwar voll Größe der Anschauung, aber als Malerei sehr
unerfreulich, „Daxhnis und Chloe" von I. L. Gerome,
„Hylas und die Nymphen" von Girardot, „Die Glöckner"
von La Touche, eins der wenigen Bilder impressionistischer
Richtung, die durch kräftig bunte Reflexe besonders aus-
fallen, „Abels Tod", mit zwei lebensgroßen Akten von
Perrault, zwei ohne Geist gemalte „Begebenheiten" von
Frappa und eine nicht minder langweilige Lmpireszene
von Teure — mehr ist uns kaum bei zweimaligem Besuche
in die Augen gefallen. Daß heute in einem Lande, welches
der dankbaren Kunstwelt einen Troyon, eine Rosa Bonheur
schenkte, nichts Besseres im Thierstücke geleistet wird, als
was uns hier die Tavernier, Guignard, Borchard u. A.
darbieten, erscheint völlig unglaubhaft. Allenfalls lobe ich
mir Barillots „pachthos vor: Thoville" mit seinen sanrosen
buntscheckigen Kühen; da steckt noch etwas von Troyons
Kraft der Charakteristik. —
Nachtrag. Die eben bei Cd. Schulte eröffnete Aus-
stellung einiger pariser Maler vom Marsseld - Salon steht
allerdings aus einem höheren Niveau; ich werde aus diese
Sammlung noch zurückkommen. Unbegreiflich ist mir, wie
pariser Blätter von einer enthusiastischen Ausnahme der
Akademie-Ausstellung, die übrigens — wie ich leider erst
nachträglich erfahre — vorher schon in München und
St. Petersburg zu sehen war, durch die Berliner Kunst-
kreise reden konnten. Man begegnet nur absprechenden
Urtheilen.
ver Niedergang einer IZunmperiaMät.
ie Herrgottschnitzerei im Grödner Thale
in Tirol befindet sich in bedauerlichen:
Niedergange. Die Bewohner des Grödner
Thales beschäftigen sich bekanntlich vorwiegend mit
Anfertigung von Schnitzwaaren aus dem Holze der
Zirbelkiefer. Hauptort ist das etwa s600 Einwohner
zählende, weit ausgedehnte und neuerdings als
Sommerfrische sowohl wie als Ausgangspunkt für
Bergbesteigungen vielbesuchte Dors St. Ulrich. Ls

bildet den Stapel- und Handelsplatz für die im Thals
gefertigte Maare und ist auch der Sitz einer staat-
lichen Borbildungsschule für die künftigen Bild-
schnitzer. Nach allem, was man sieht und hört, geht
das Geschäft flott. Niesige Handlungshäuser be-
stehen seit längerer Zeit und sind neuerdings ent-
standen, der Umsatz wird als sehr bedeutend bezeichnet.
Danach könnte es scheinen, als sei der Eingangs aus-
gesprochene Satz unzutreffend. Und doch trifft er zu,
freilich nicht etwa in kaufmännischer, wohl aber in
künstlerischer Hinsicht. Gerade das Aufblühen des
Geschäftes trägt Schuld an dem künstlerischen Rück-
gänge. Der Zwischenhandel und die Fabrik haben
sich des Aunstgewerbezweiges bemächtigt und sind im
Begriffe, ihn zu Grunde zu richten. Die Merkstätten-
arbeit des einzelnen Leisters geht zurück; er vermag
den Wettbewerb des großen Hauses nicht zu bestehen
und wird gezwungen, seine Kraft in dessen Dienst zu
stellen. Hier werden aber nicht mehr Kunstwerke,
hier wird Maare gemacht. Noch schnitzt der begabte,
gründlich in der Merkstatt geschulte und geschickte
Künstler trotz des dürftigen Lohnes, den er erhält,
seinen Gekreuzigten vorzüglich, dann aber kommen
die Raspel und der dicke Kreidegrund und die süß-
liche Oelfarbe und verderben ihn: sein Kunstwerk in
Grund und Boden zu einer ausdruckslosen Machs-
puppe. Und warum? — Meil es die Fabrik, der
Zwischenhändler, das Publikum uud unter diesen: die
Hauptabnehmern:, die Geistlichkeit so verlangen. Das
alte Lied also: der Handel, die Massenerzeugung, das
geringe Kunstverständniß der Abnehmer, sie graben
der wirklichen Kunstübung das Grab. Hat der Staat
das Uebel erkannt oder ist er ohne tieseres Ein-
dringen nur einer neuzeitlichen Gepflogenheit gefolgt,
genug, er hat gemeint, die Dinge durch Einrichtung
einer Schnitzschule in St. Ulrich fördern zu sollen.
Die Bezeichnung Schnitzschule trifft übrigens die
Sache nicht. Es wird in dieser Anstalt nur gezeichnet
und modellirt, des Unterrichtes in: Schnitzen hat sich
eine große Fabrik bemächtigt, die zugleich Haupt-
handelshaus ist für die Grödner Schnitzwaare. Mit
Schrecken habe ich gesehen, wie in dieser Fabrik neben
Kruzifixen, Heiligenbildern und Altarwerken auch
Trikotfiguren sinnlichster Art, von Paris sür eine
dortige Tingeltangel-„Orgel" bestellt, geschnitzt wurden,
geschnitzt und geraspelt und dick gekreidet und bunt
beinalt und über und über vergoldet und versilbert!
So wird das Stilgefühl, das sich die Aelteren noch
in der Merkstatt erworben, vernichtet, und so werden
die Jungen im Bildschnitzen unterrichtet und erzogen!
Jene staatliche Schule aber trägt kaum dazu bei,
solchem Mißbrauche zu steuern. Sie erzieht ihre
Schüler in einer verstauten Allerweltskunst, statt sie
ausschließlich hinzulenken aus das Studium der
schlichten und markigen Merke der deutschen oder
auch italienischen Altvordern, die einzig und allein
vorbildlich sein können sür eine treffliche stilgerechte
Holzschnitzerei. Auch des Unterrichtes in: Schnitzen
hätte sich die Anstalt nicht begeben sollen. Zwar
kann sie nie erreichen, was die Merkstatt, was der
die Kunst und das Kunsthandwerk ausübende Meister
den: Lehrling bietet; aber, eine einsichtige Leitung
vorausgesetzt, könnte sie doch den: vorstehend ge-
kennzeichneten Fabrikunwesen wenigstens in etwas
steuern. So trübe dieses Bild ist, durch einige er-
freulichere Erscheinungen wird es doch ausgehellt.
Noch giebt es in St. Ulrich Merkstätten, in denen
wirkliche Kunst geübt wird. Aus sie muß die
Hoffnung gesetzt, ihnen muß aber auch zu Hilfe ge-
 
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