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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 14
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Zur Erinnerung an Gottfried Schadow
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Gold, Alfred: Wiener Kunstbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0246

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2f2

ch- Die Aun st-Halle

Nr.

extravagantesten Ideen leisteten sich die Architekten:
Pxramiden-Bauten mit Kuppelsälen oder griechische
Säulentempel auf Unterbauten mit Freitreppen, wobei
die Königsstatue selbst zur Nebensache zusammen-
schrumpfte. Der junge, geniale Gillx, Schinkels
Mehrer, leistete darin das Beste. Einstweilen blieb
die Entscheidung aus. Aber unser Bildhauer erhielt,
als eine Art Anerkennung seiner Arbeiten, mit der
Ernennung zum Hofbildhauer gleichsam die An-
wartschaft auf die einstige Ausführung, die in der
That sein ganzes Schaffen würdig gekrönt hätte.
Meister Tassaert starb nämlich im Jahre (788
mitten in rüstiger Thätigkeit. Auch jener Alexander
Tripp el, der nach Berlin ambirte, konnte als Be-
werber für die vakante Stelle gelten und wurde in
der That damals, als man Schadow bevorzugte,
wenigstens Ehrenmitglied der Akademie der Künste.
— So hatte unser Meister mit 2st Jahren den be-
gehrtesten Platz in der Heimath sich erobert, denn
ihm fiel jetzt auch die Praxis seines früheren Wehr-
herrn als reifer Apfel in den Schoß. Zunächst
handelte es sich um eine lohnende monumentale
Aufgabe, an deren mühevollen Borbereitungen sich
angeblich der alte Meister den Tod geholt haben
soll. Es galt einem natürlichen Sohne König
Friedrich Wilhelms II., dem im jugendlicher: Alter
von nur 8fis Jahren verstorbenen Grafen von der
Mark ein Grabmal in der Dorotheenstädtischen
Kirche zu setzen. Ein plan für das Ganze war
bereits ins Auge gefaßt; er rührte von dem Maler
Puhlmann, dem Gallerieinspektor in Sanssouci, her
und Tassaert sollte ihn ausführen. Es war hier in
einer mehr malerisch als plastisch wirkenden Gruppe
dargestellt, wie der unglückliche Knabe von den:
Tode, einen: geflügelten Greise, aus den Armen der
Minerva, der Leiterin seiner Erziehung, gerissen und
an das von den Parzen besetzte Thor der Unterwelt
geschleppt wurde. — Schadow verwarf die malerische
Anordnung und gab der beschlossenen Idee jener
Schilderung eine streng plastische Behandlung einer-
seits, indem ec die Szene des sich gegen den Tod
sträubenden Knaben auf das Relief eines Sarkophags
beschränkte, andererseits, indem er die Schicksals-
schwestern hoch oben in eine halbrunde Nische stellte.
Auch gelang es ihm, die Erlaubniß' zu erwirken:
zwei der Parzen, die Lachesis und die Klotho rechts
und links, jugendlich aufzufassen und nur die uner-
bittliche Atropos in der Mitte, die den Lebensfaden
zerreißt, als Greisin zu belassen. Das Ergreifendste
ist aber die überlebensgroße Figur des Knaben. Sie
wirkt wie aus autiker Empfindung geboren — die Tod
und Schlaf als Zwillinge, Kinder der Nacht, an-
nahm — und doch auch wiederum modern, als
liege der Knabe so aufgebahrt, wie ihn die Hand
des Todes beim kindlichen Waffenspiel eben hin-
streckte. Der Helm mit einem Kiffen dient dem Haupte
als Pfühl; der kleinen Hand ist die Waffe entfallen;

das herabgeglittene antike Gewand läßt die knospigen
Formen des Körpers halb enthüllt. Ohne jeden
Hinweis auf den kirchlichen Glauben, liegt die fromme
Wirkung dieses Grabmals in der erhabenen Ruhe
und in dem Adel der Schönheit. Unser Schadow,
der märkische Preisträger der römischen Akademie,
hatte auf klassischem Boden seine Zeit gut ausgenutzt
und dort mehr gelernt, als die andern Talente seines
Alters. Frisch unter den Eindrücken der italienischen
Studien und Erinnerungen entstand die mächtige
Schöpfung, aus grauem und weißem Marmor liebe-
voll gemeißelt, zwischen (788 und (7s)( in jenem
Gotteshause. Sie hat ihn ohne Frage an die Spitze
der plastischen Kräfte seines Vaterlandes gestellt.
Nächst dem berühmten Stuttgarter Dannecker war
Gottfried Schadow unbedingt damals der beste
deutsche Bildner. Auch war Berlin nicht gerade arm
an schönen sepulkralen Werken: Das Sparrsche
Monument in der Marienkirche von ÜZuellinus und
das Männlichsche Erbbegräbniß in der St. Nikolai-
kirche von Schlüter sind Schöpfungen von kunst-
geschichtlicher Bedeutung.
Ebenso tragen die meisten anderen Arbeiten in
dieser Frühzeit das Gepräge eines engen künstlerischen
Anschlusses an die Antike. Das erscheint bemerkens-
werth auch für den Stil seiner damaligen Reliefs.
Für die eine Gruppe seien als Beispiele nur genannt
die vier Supraporten, Neliefbilder im Gelben Pfeiler-
saal des Berliner Schlosses; sie gelten der Verherr-
lichung Alexanders des Großen als Förderers der
Künste. Bezüglich der anderen Gruppe erinnere ich
nur flüchtig an die Skulpturen des Branden-
burger Thores, welches damals Langhans voll-
endete: zunächst an die (78ß> entstandenen Modelle
der st Rosse, denen erst fünf Jahre darauf die
Siegesgöttin hinzugefügt wurde; während der in
einer Seitennische auf einen: Felsblock rastende be-
helmte Kriegsgott schon vorher fertig war.
(Schluß folgt.)
X
Wiener ^uyskberichk.
Von Alfred Gold, Wien.
Anfang April.
-^°n Wien ist der Frühling die Zeit der großen Aus-
stellungen. wenn auch in den letzten Jahren die
„Sezession" diesen Grundsatz einigermaßen erschüttert hat,
indem sie in ihrem eigenen Haus die Neuerung der öfters
wechselnden kleineren Expositionen einführte und mit diesem
Beispiel auch aufs „Künstlerhaus" reformirend wirkte:
wir stehen trotzdem in diesem Frühjahr wie nur je mitten
zwischen bunten, lärmenden Kunstmärkten. „Sezession"
und „Künstlerhaus" geben ja, zusammengenommen, eine
noch größere Summe von Material, als uns früher be-
schieden wurde und dazu kommen noch Kunstsäle und
Sxezialausstellungen.
 
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